
Bike der Woche
Selbst gebautes Downhill-Bike “Die Maschine”, Highsider
MTB-News.de: Hey Sebastian, viele träumen davon – du hast es gemacht: das eigene Bike bauen. Und was für eines. Wie ist es zu diesem unglaublichen Eigenbau-Bike gekommen, das wir heute als Bike der Woche vorstellen wollen?
Hallo IBC,
vielen Dank für die Auszeichnung – einigen interessierten Benutzern dürfte das Rad aus dem Fotoalbum bereits bekannt sein. Ich habe mir mein ganz eigenes Downhill-Bike gebaut und dabei ein durchaus anderes Konzept verwendet. Das würde ich euch gerne in Ruhe vorstellen:

Konstruktion allg. / Konzept
Die Grundidee bestand darin, ein Downhill-Bike aufzubauen, welches meinen Vorstellungen in Bezug auf Geometrie, Federung und Antriebsstrang entspricht. Diese Bereiche interagieren sehr stark und werden hier vielleicht etwas mehr als Gesamtsystem betrachtet. Des Weiteren hat mich im Verlauf des Projekts die Neugier dazu getrieben, das Bike als eine Art Versuchsträger zu konzipieren, an dem man verschiedene Dinge ausprobieren kann.
Der Rahmen und viele Teile des Antriebsstrangs sind selbst konstruiert und gefertigt. In Bezug auf das Gewicht gibt es noch viel Potenzial. Große Gewichtsoptimierungen haben wir hier außen vor gelassen, da erst mal das Konzept ausprobiert werden sollte, bevor viel Zeit / Geld in Leichtbau gesteckt wird.






Der Rahmen besteht aus unkonifizierten Rohren aus 25CrMo4, die meisten Fräs- und Drehteile bestehen aus 7075er Aluminium. Die Zeitspanne von den ersten Skizzen bis zum fertigen Bike betrug ungefähr 9 – 10 Monate. Das Projekt lief neben dem normalen Unialltag und wurde mit einem guten Freund von mir realisiert. Wir haben zwei nahezu gleiche Rahmensets gebaut.





Antriebsstrang
Für die Erklärung des Antriebstrangs fange ich bei der Drehmomenteinleitung an: Verbaut ist eine normale 165er Kurbel mit 24 mm Wellendurchmesser, die für ein 83 mm Tretlagergehäuse gedacht ist. Um mehr Bauraum zur Verfügung zu stellen, wird allerdings eine Art Pressfit genutzt. Mittig auf der Kurbelwelle ist ein Freilauf befestigt, auf den wiederum eine Nabe gepresst wurde. Auf dieser Nabe befinden sich Schienen, deren Gegenstücke (Schlitten) mit einem leicht modifizierten 32er Kettenblatt verbunden sind. Die Linearführungen ermöglichen es dem Kettenblatt die Kettenlinie eigenständig (durch den Kettenzug) zu optimieren und Schräglauf zu reduzieren. Eine 9-fach Kette überträgt die Kraft auf eine Kassette, welche auf 7 Ritzel reduziert wurde.

Die Schaltfunktion selbst ist inspiriert vom Honda RN01, welches leider nie in Serie ging. Insbesondere bei Teilen, welche eine hohe Präzision erfordern, wurde versucht, möglichst mit Zukaufteilen auszukommen – das schlägt sich auch im Gewicht nieder. Geschaltet wird mit einem serienmäßigen SRAM-Schaltwerk mit kurzem Käfig. Von der Kassette wird das Drehmoment in eine Nabe eingeleitet. An dieser Nabe sind sowohl „onboard“-Bremsscheibe, als auch Kettenblatt befestigt. Eine weitere Kette überträgt die Kraft auf ein Ritzel, welches an die Bremsscheibenaufnahme des Hinterrades geschraubt ist. Als Hinterrad wird dabei ein normales 20 x 110 mm Steckachslaufrad verwendet, das genau so auch vorne zum Einsatz kommt. Durch die Position des Freilaufs kann geschaltet werden, sobald das Bike rollt. Die Sekundärkette wird von einem Kettenspanner in ihrer Position gehalten. Die genaue Funktion variiert je nach Bremssattelposition, da ein Spannen des oberen Trums nur beim „onboard“-Bremsen benötigt wird.
Durch die höhere Anzahl an Umlenkrollen ist die Reibung im Antriebsstrang etwas höher als bei konventionellen Bikes. Dazu kommt die Nutzung von zwei Ketten, wobei beide keinen Schräglauf ertragen müssen und die vordere Kette ziemlich gut vor Dreck geschützt ist.
Bremse
Die Befestigung der Bremse innerhalb des Hauptrahmens inklusive Übertragung der Bremskraft über die Kette fällt an dem Bike am meisten ins Auge. Gefahren bin ich mein Bike in dieser Konfiguration ca. ein Jahr. Ende letzten Jahres habe ich auf eine Bremsmomentabstützung umgebaut und nun eine klassische Bremsbefestigung vorgesehen. Durch die austauschbaren Ausfallenden wurde der entsprechende Umbau vereinfacht. Das Bremsverhalten über die Kette hat sich als ziemlich gut herausgestellt, wobei die sicherheitstechnischen Bedenken auch bei einer starken Kette immer im Hinterkopf bleiben. Das ist der Grund, warum ich nun wieder auf ein normales System schwenke.
Das „onboard“-Bremssystem hat Vorteile in Bezug auf Gesamtgewicht und Fahrverhalten (besserer und variabler Antirise, sowie allgemein als besser empfundene Bodenhaftung beim Bremsen).


Geometrie / Federweg / Hinterbau
Progression, Federweg und Geometrie können an den Druckstreben und den Umlenkhebeln verstellt werden. Die Kettenstrebenlänge kann zudem durch die Ausfallenden beeinflusst werden, wobei die kürzeste Variante durch die Kettenblatt- bzw. Verkleidungsgröße begrenzt wird. Durch den hohen Drehpunkt ist die dynamische Kettenstrebe vergleichsweise lang, was von mir gewünscht ist und gut zu meinem Fahrstil passt.
Die Anpassung der Dämpfung an die jeweilige Kennlinie des Hinterbaus wird durch den in breiten Bereichen einstellbaren Cane Creek Double Barrel vereinfacht. Die Position des Dämpfers erscheint erst hoch. Steht einem das Bike mal in der Realität gegenüber, stellt man schnell fest, dass das Oberrohr sehr stark nach unten gewandert ist. Der Dämpfer befindet sich also dort, wo sonst ein tief gezogenes Oberrohr sitzt. Die gewählte Kinematik ermöglicht die oben genannten Verstellmöglichkeiten relativ einfach zu nutzen, einen breiten (sinnvollen) Einstellbereich abzudecken, recht geringe Auflagerkräfte und ein ununterbrochenes Rohr zu verwenden.
Die Raderhebungskurve verläuft relativ stark nach hinten, die ungefederten Massen sind relativ gering (keine Schaltung, keine Freilaufnabe, je nach Variante keine Bremse / Bremsscheibe). Das Antisquat beträgt im Sag 103 % (Einstellung Tretlager +0 mm, 63,5° Lenkwinkel), der Pedalrückschlag ist konzeptbedingt minimal.
Für all das einen eigenen Rahmen zu schweißen ist eine großartige Herausforderung gewesen – und das Bike dann noch aktiv zu fahren und nicht einfach in die Vitrine zu hängen, macht umso mehr Spaß.
Worauf hast du beim Aufbau deines Bikes besonders geachtet?
Im Prinzip ging es mir darum, technisch ideale Konzepte umzusetzen – mit Fokus auf den Antrieb und die Federung. Bei den Komponenten habe ich größtenteils auf das zurückgegriffen, was an meinem vorherigen Bike montiert war. Mit der Zeit bin ich auf einen Double Barrel umgestiegen, um einen größeren Verstellbereich zu haben. Außerdem von der 888 auf eine Boxxer WC für mehr Rückmeldung und weniger Wegsacken an der Front.
Wie geht es mit deinem Bike weiter?
Mit der Verlegung des Bremssattels an den Hinterbau ist das Projekt für mich eigentlich abgeschlossen. Das Konzept werde ich vielleicht nochmal aufgreifen und eine Weiterentwicklung konstruieren/bauen, welche dann deutlich abspeckt und viele Dinge verbessert – Ideen dafür sind genug vorhanden.

Wenn er nicht mehr gefahren wird, soll der Rahmen irgendwann mal in meinem Wohnzimmer an der Wand einen Ehrenplatz finden.
Welchen Einsatzbereich hat das Bike?
Downhill
Was wiegt das Bike?
Das variiert natürlich je nach Aufbau und Konfiguration, mit dem aktuellen Aufbau sollte es bei ca. 21 kg wiegen.
Was ist dein persönliches Highlight an deinem Bike der Woche?
Mein persönliches Highlight an dem Bike ist, dass es ein außergewöhnliches Konzept ist und selbst ohne professionelle handwerkliche Fähigkeiten „out of the computer“ ziemlich brauchbar funktioniert.
Wie bist du zum Mountainbiken gekommen?
Wie viele andere fahre ich schon immer sehr gerne Rad. Bergab fahren machte mir am meisten Spaß und zusammen mit Freunden hat sich das Ganze 2003 ins Gelände verschoben. Die ersten Sprünge wurden gebaut, Komponenten zerstört, stabilere Bikes aufgebaut, größere Sprünge gebaut… Wie die Entwicklung von dort weiter gegangen ist, kann man in meinem Video „Zehn“ vom letzten Jahr sehen:
Zehn – The Motion Circle von Highsider – Mehr Mountainbike-Videos





Mountainbiken als Lifestyle / die Industrie – deine Sicht.
Mountainbiken nimmt in meinem Leben einen sehr großen Stellenwert ein. Ob es das Filmen, Trailbau, Bikebau oder das Fahren selbst ist – jeder Bereich hat mich in seinen Bann gezogen.
Zum Thema Industrie kann man sicherlich über (zu) viele Standards meckern. Andererseits hat die Entwicklung tolle Dinge hervorgebracht, die das Fahren viel angenehmer machen. Und wenn einem etwas nicht gefällt, muss man es ja nicht kaufen. So sehe ich das jedenfalls. Oder man baut einfach selbst :D
Du und die Internet Bike Community – Wann bist du dazu gekommen und was verbindest du mit dem IBC?
Ich habe mich 2004 in der IBC registriert, wobei ich schon vorher ein stiller Leser war. Ich habe über das Forum auch schon viele nette Menschen kennen gelernt und oftmals eine tolle Resonanz auf meine Videos bekommen. Außerdem nutze ich den Bikemarkt ganz gerne.
Technische Daten
Rahmen: Eigenbau “Die Maschine”, Large / Einheitsgröße, 100% custom
Gabel: RockShox Boxxer Worldcup, 200 mm
Dämpfer: Cane Creek Double Barrel Coil, 240 mm
Steuersatz: Cane Creek Angle Set
Bremse: Shimano Saint 203 mm / Avid Elixir 180 mm
Vorbau: Sixpack Direct Mount 45 – 55 mm
Lenker: Syntace Vector Flatrider 800 mm
Griffe: Sunline Lock-on
Felgen: Mavic EX 721 / Mavic EX 729
Naben: DT Swiss FR 440 110 x 20 mm
Reifen: je nach Bedingungen
Kurbel / Innenlager: Shimano Saint, 165/83
Kettenblatt: 32t
Kettenführung: –
Schalthebel: SRAM X.0
Schaltwerk: SRAM X.0
Pedale: Superstar Nano
Zughüllen: –
Kette: 9 fach MTB / 1 fach Pedelec
Sattel: SDG I-Fly I-Beam
Sattelstütze: SDG Micro I-Beam 31,6 mm
Sattelklemme: Noname 34,9 mm
Sonstiges:
Bremse und Schaltung im Hauptrahmen. Das ist des Pudels Kern.
Über das Bike der Woche
Ihr habt auch ein Bike, dass sich bestens in die ehrenhafte Riege der “Bikes der Woche” einfügen kann? Dann lest euch die Regeln für folgendes Album durch und ladet ein Bild in selbiges hoch. Viel Erfolg! Hier zu den Regeln: mtb-news.de/p/1290006?page=2&in=set / Das Album findet ihr hier: mtb-news.de/s/55943.
Die 20 letzten Bikes der Woche findet ihr hier:
Alle Bikes der Woche? Hier klicken!
124 Kommentare
» Alle Kommentare im Forumsehr geil
"Think outside the box" at it´s best... großes Kino.
Vielleicht wirst du die Funktionsmusteroptik im zweiten Durchgang ja noch los. Sieht noch ganz schön dirty (aber auch irgendwie geil) aus ;-)
KRAAASSSS !!!
Ich möchte auch meinen Senf dazu geben:




Ich finde es in jeder Hinsicht umwerfend. Dafür, dass es sich um dein/euer erstes selbstgeschweißtes Fahrrad handelt und du dann gleich so viel (in meinen Augen innovatives) ausprobiert hast, kann man es nur bewundern. Wenn man bedenkt, was alles hätte schief gehen können und wie sehr man sich dann geärgert hätte. Da ist es verständlich, wenn man nicht 500+ € für einen konifizierten Rohrsatz ausgeben möchte, sondern es bei einem unkonifizierten Rohrsatz belässt. Dass das Gewicht entsprechend hoch wird, ist da nicht verwunderlich. Gerade, wenn ich an so manche Serien Alu-Downhillbikes denke, die trotz all den Umständen 17 kg und mehr wiegen, finde ich die 21 kg sogar noch recht wenig und dass all deine Ideen dann auch noch funktioniert haben ist beeindruckend. Respekt für den Mut, dieses Projekt anzugehen.
Die Idee den Hinterbau so leicht wie möglich zu machen ist ja nicht neu, aber dein Vorgehen finde ich super, gerade weil du dich traust all das "einfach" zu machen. Ohne Leuten wie dir, wären viele Dinge wohl nie entwickelt worden. Ich muss nur daran denken, wie lange Nicolai von einem im Tretlager sitzenden gekapselten Getriebe geträumt hat und wie viele Ideen er dort ausprobiert hat. Zwar hat er es leider nicht so optimiert hinbekommen, wie die von Pinion, aber all die Vorarbeit war sicher nicht umsonst. Zumal du jetzt eine Ausgangsbasis hast, auf der du aufbauen und die du verbessern kannst (ich hoffe doch, dass da noch etwas kommt!).
Ich finde die ganze Idee und Umsetzung so super abgefahren, dass macht echt Spaß, wenn man sieht, dass es noch solche Leute gibt, die abseits der Normen denken und auch handeln.
Zur Optik: Ich finde es wunderschön
Ich liebe die Geradlinigkeit der Rohre, die gefrästen Teile und die tragwerkartige Ansicht. Es wirkt einfach puristisch und funktionell ohne dem ganzen optischen Mist hydrogeformter Alurohre mit verschliffenen Schweißnähten, wo man Angst hat einen Kratzer in den Lack zu machen. Dazu lassen es die relativ dünnen Rohre in meinen Augen sogar elegant wirken. Es schreit förmlich danach den Hang runter gefahren zu werden und es mit jedem noch so groben Untergrund aufzunehmen. Der Name ist wie wie das ganze Fahrrad eine ganz schöne Ansage in einer Welt, in der man jede kleinen Scheiß als das absolute Highlight zu verkaufen versucht und der Großteil nur noch aus Marketing besteht verpackt in "atemberaubender" Optik, nur um Profit zu machen, Absatz und immer kürzere Produktzyklen zu generieren (ich denke da zum Beispiel an einen Hersteller mit Apfel im Logo, der aber keine Äpfel verkauft).
Und denk daran, es wird immer das EINE bleiben. Das ERSTE und das macht es von sich aus unbezahlbar.
Beste Grüße und bis in ein paar (hoffentlich nicht zu vielen) Jahren, wo du uns deine überarbeitete Version vorstellst
Max.
übelst fett
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