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Dreh-Momente am Dienstag
Warum werden Bremsscheiben so montiert?

Viele kennen es: Die Speichen der Bremsscheiben zeigen immer nach vorne. Intuitiv ist das die falsche Richtung. Aber schließlich steht es auf jeder Bremsscheibe gelasert, damit der Kunde beim Schrauben auch ja nichts falsch macht. Aber warum das Ganze? Die meisten wissen, dass es so gemacht wird, die wenigsten wissen, Warum es so gemacht wird. Über dieses Warum möchte uns Foren-User Bommelmaster, Kopf hinter Intend und einigen Trickstuff-Produkten, heute aufklären.

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Um zu verstehen, was mit einer Bremsscheibe passiert, müssen wir zuerst die Ursache der Einwirkung kennen. Wie sich jeder leicht denken kann, wird mit der Bremse eine Kraft auf die Bremsscheibe ausgeübt. Diese Kraft wird von der Seite (normal) auf die Bremsscheibe eingeleitet. Durch die dadurch entstehende Reibung wird die Bremsscheibe in Umfangsrichtung (tangential) belastet und die Drehgeschwindigkeit des Rads abgebremst.

# Bremsscheibe 1

Soweit klar! Als nächstes müssen wir uns anschauen, was mit der Bremsscheibe unter Belastung genau passiert. Hier möchte ich beide Fälle – richtig (links im Bild) und falsch herum (rechts im Bild) montiert – durchgehen, um auf die Unterschiede einzugehen und Verständnis dafür zu erzeugen.

# Links ist die Scheibe richtig montiert, rechts falsch herum.

Man unterscheidet in Druck- und Zugspannungen.

Durch die tangential eingebrachte Kraft wird der relativ steife Reibring um die Nabenmitte bewegt (blau gestrichelte Linien). Gleiches passiert bei falsch montierter Bremsscheibe (rechts). Wir können den Reibring hier erstmal als einen in sich sehr steifen Teil der Bremsscheibe betrachten. Unter dieser Voraussetzung überlegen wir uns nun, was passiert, wenn man die Nabenmitte fixiert, und den Reibring um die Nabenmitte weiterdrehen würde – denn genau das geschieht auch unter harter Belastung. Da die Speichen fest mit der Nabenmitte und dem Reibring verankert sind, müssen beziehungsweise können diese die Bewegung dank ihrer Nachgiebigkeit mitmachen. Die armen Speichen müssen sich hier schon ziemlich schinden. In beiden Fällen findet man die Speiche unter Belastung weiter in Kraftrichtung verschoben (grün gestrichelt).

# Die grün gestrichelten Linien zeigen an, in welche Richtung die Speichen unter der Krafteinwirkung verschoben werden.

Leider lässt diese Bewegung die Speiche nicht unbeeindruckt. Wenn die Position der Speichen an der Nabenmitte fixiert ist und die Speichen ebenfalls am Reibring fixiert sind, muss im Fall links, mit korrekt montierter Scheibe, die Speiche kürzer werden, um diese Belastung zuzulassen – schließlich ist der Abstand von Nabenverankerung und Reibringverankerung gerade kleiner geworden. Im Fall rechts genau anders herum: Die Speiche müsste hier länger werden. In der Technik nennt man die aus dieser Längung und Verkürzung resultierenden Zustände dann Druckspannung (Speiche wird zusammengedrückt) beziehungsweise Zugspannung (Speiche wird auseinandergezogen).

# Hier sehen wir die herausgeschnittenen Speichen mit den auftretenden Belastungen: links Druckspannung, rechts Zugspannung.

Die Erwärmung des Reibrings spielt eine große Rolle.

Wenn der Reibring also nun so verschoben wird, dass die Speiche von außen zusammengedrückt wird (Fall links mit korrekt montierter Scheibe), wird auch der Reibring einer Belastung ausgesetzt. Dieser möchte gerne durch die sich im Winkel veränderten, aufstellenden Speichen im Durchmesser größer werden. Wir erinnern uns: die Speichen haben unter Belastung eine kürzere Länge, können aber aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit nicht ganz so kurz werden, wie sie müssten. Also muss der Reibring größer werden, um die notwendige Bewegung überhaupt möglich zu machen. Die Speichen stellen sich also auf und werden etwas zusammengedrückt. Und diese Kraft sorgt dafür, dass der Reibring im Gegensatz dazu auseinandergedrückt wird und seinen Durchmesser gerne vergrößern würde. Es entsteht also eine Zugspannung im Reibring.

Im Fall rechts natürlich wieder genau anders herum: Die unter Zug stehenden Speichen bringen den Reibring in eine Situation, in der er seinen Durchmesser gerne verringern würde. Also hat man hier Druckspannung vorliegen.

Man kann also schon mal zusammenfassen:

Diese zwei Spannungen (Zug und Druck) haben einen zentralen Unterschied, den jeder, der schon mal einen Schaltzug in seinen Händen gehalten hat, kennt. Dieser ist hervorragend fest, wenn man daran zieht, aber total lümmelig, wenn man ihn zusammendrücken will. Das Material richtet sich unter Zug perfekt aus, unter Druck kommt es aber zum Ausbeulen des Bauteiles. Exakt genauso verhalten sich auch feste Teile, zum Beispiel Bremsscheibenspeichen.

# Wenns ans Eingemachte geht, kann die Scheibe schonmal glühen … - Foto: © Trickstuff

Ok, aber was hat das nun mit der Einbaurichtung zu tun? Ist mir doch egal, was unter Zug und unter Druck belastet wird, solange es hält! So ist es auch, würde es nicht den netten Nebeneffekt der Hitzeentwicklung beim Bremsen geben. Wie man es von manchen Prüfstandfotos kennt, wird vornehmlich der Reibring heiß. Die Speichen bleiben davon zumindest optisch weitestgehend unbeeindruckt. Unter Hitzeeinwirkung sinkt die Widerstandsfähigkeit von Metallen ab – sie werden weicher und weniger fest. Man stelle sich nun vor, wie ein unter Hitze stehender Reibring unter Druck belastet wird und ausknickt – das kann böse enden!

Um das Risiko für genau diesen Fall zu reduzieren, ist dringend darauf zu achten, dass der Reibring auf Zug belastet wird, um die Beulgefahr auf die Speichen zu verlagern, welche nicht unter solcher Hitzeeinwirkung stehen, wie es beim Reibring der Fall ist. Letzterer kann, solange er unter Zug steht, auch unter erhöhter Temperatur die Belastungen aushalten und ist damit richtig montiert.

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Weitere Informationen

Text & Redaktion: Cornelius Kapfinger, alias “Bommelmaster” | MTB-News.de
Bilder: Trickstuff, Cornelius Kapfinger

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