Mit Daniel Schäfers lila Rakete hatten wir hier schon ein 601 in der Arbeitsgerät-Kategorie vorgestellt, warum also noch eines? Sagen wir mal, der Aufbau von Bike-Bergsteiger Tobi Leonhard, hier im Forum bekannt als KäptnFR, ist doch ein bisschen was anderes, wobei „ein bisschen“ natürlich ein bisschen untertrieben ist. Das Rad ist konsequent auf seinen Einsatzbereich zugeschnitten, somit mehr Spezialist als Allrounder.

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# Polierter Spezialist: Das puristische Liteville 601 von Tobi Leonhard. (Alle Bilder von thory-foto.com)

Das Bike ist ausschliesslich für Bike-Bergsteig (kurz BBS) -Touren (also „MOUNTAIN-biken“ ) getrimmt, das heißt entweder (steil) bergauf oder (steil) bergab. Für Wald- und Wiesengelände im Stile der Isartrails oder ähnliches ist das Rad hingegen denkbar ungeeignet. Eine BBS-Tour läuft bei Tobi meist folgendermaßen ab:

Ein BBS Bike muss den Spagat zwischen steilem Anstieg und steiler Abfahrt schaffen, was bzgl Geometrie/Sitzposition etc. zunächst ja völlig gegensätzliche Anforderungen sind.
Vor der Tour heisst es also erstmal das Bike in „Bergaufmodus“ versetzen:
Sattelstütze hoch, Gabel mit Mini-Spanngurt runter spannen, die Winkel des Rads mittels des verschiebbaren Dämpferschlittens auf „steil“ stellen und das Lockout am Dämpfer aktivieren. Ein mehrfaches bergauf-bergab ist bei Tobis BBS-Touren sehr selten, meist wird der Uphill in einem Stück bewältigt. „Dass man alles beziehungsweise viel raufkurbeln kann, ist mittlerweile eher selten, der bergauf-Trageanteil dürfte mittlerweile im Schnitt bei 70% liegen.“ Vor der Abfahrt heißt es dann Sattel runter, Gabel ausfahren, Winkel (je nach Steilheit der Abfahrt) auf flach stellen, Luft aus den Reifen (auf ca. 1,0/1,2bar vorne und hinten. Dann noch das Lockout deaktivieren und die Kette in die Kettenführung unterhalb der Kettenstrebe einhängen.

Rahmen

„Der XL Rahmen hat ein recht langes Oberrohr. Damit der „reach“ in einem angenehmen Bereich bleibt verwende ich einen (selbstgefrästen) direct mount Lenkerhalter mit nur ca. 12mm Länge. Das Setup fahre ich so schon seit vielen Jahren, Mondraker geht mit seiner forward Geometrie derzeit auch den gleichen Weg. Warum? Der Aufstandspunkt des Vorderrad wandert damit nach vorne , was ideal für sehr steile Wege ist. Demnächst wird für diesen Rahmen ein Winkelsteuersatz (+/- 1.5°) erhältlich sein, wird interessant zu sehen was sich damit noch für Möglichkeiten auftun.“

Fahrwerk

„Den Dämpfer habe ich hauptsächlich wegen der Lockout Funktion ausgewählt. Man kann dadurch beim hochkurbeln das Einsinken im Sag verringern und auch im Wiegetritt wird man nicht seekrank. Auf den steilen Abfahrten fahre ich gern mit sehr viel Sag. Da ich für Uphill und Abfahrt nicht jeweils den Dämpferdruck verändern möchte, löst das Lockout für mich diese Problematik. Ansonsten verrichtet der Dämpfer bisher recht ordentlich und unauffällig seinen Dienst.“

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# Boxxer Weltcup mit maximaler Einbaulänge, perfekter Einstellung für Unterwegs. Dazu XTR Scheibenbremsen und Gripshift.

„Die alte Boxxer WC ist gewichtsmässig mit 2780g vertretbar, recht steif und mittels Motion Control ideal anpassbar. Ich verstelle die Low-Speed Druckstufe bzw. das Floodgate recht oft während einer Abfahrt. Bei extremen Steilsektionen oder hohen Stufen kann man die Gabel damit fast blockieren um ein temporär unerwünschtes Eintauchen zu unterbinden.“

Bremsen und Laufrad

„Die XTR trail Bremse mit der großen Hope (satte 225mm!) Scheibe funktioniert einfach traumhaft, die beste Bremse die ich bisher hatte. Leicht, stark, gut dosierbar und kein Fading.“ Passend zum Liteville-Rahmen gibt es einen Syntace W35 Laufradsatz. Der ist nicht nur super leicht, sondern auch noch ordentlich breit, wodurch sich der Grip und die Stabilität gegen Umknicken des ohnehin schon brutal breiten, klebrigen Continental Baron bei geringem Luftdruck nochmals verbessern dürfte. Um den extrem geringen Luftdruck fahren zu können, werden die Reifen schlauchlos gefahren und mit einem selbst angefertigten Rimstrip abgedichtet.

Antrieb

„Der 1×10 Antrieb mit 22Z vorne mutet für viele immer noch etwas befremdlich an. Es taugt halt nur noch für reine Bergtouren, sprich rauf oder runter. Bei der Abfahrt auf steilen Bergpfaden beschleunigt man durch Öffnen der Bremse, dazu ist kein großes KB nötig Die Vorteile sind ca. 400g Gewichtsersparnis und mehr Bodenfreiheit. Der Preis dafür ist eben daß man mit 22/11 nicht viel schneller als 25Km/h kurbeln kann. Kurbeln in der Ebene kommt bei uns allerdings verschwindend selten vor, somit ist das leicht verschmerzbar.
Die Idee dazu hatten übrigens ein Freund von mir und ich vor mittlerweile ca. 5 Jahren. Seitdem funktioniert es nicht nur bei uns problemlos, es haben auch einige andere BBSler übernommen.“

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# Eingeschränkte Übersetzung, uneingeschränkte Bodenfreiheit. Die unorthodoxe „Kettenführung“ kommt nur in der Abfahrt zum Einsatz.

Damit die Kette bleibt wo sie hingehört, wird sie vor der Abfahrt in die Führung unter der Kettenstrebe eingehängt. Das Shadow Plus Schaltwerk sorgt zusätzlich für weniger Kettenschlagen. „Da es das XTR leider nicht mit wirklich kurzem Ausleger gibt, habe ich es mit einem ultrakurzen Saint Ausleger verhochzeitet. Das erhöht die Kettenspannung und auch die Wirksamkeit des Reibungsdämpfers.“

Fahrerkontakt

Wie im Geometrie-Kapitel schon beschrieben, verwendet Tobias einen selbst entwickelten 12mm Vorbau, der ihn weit hinter das Vorderrad rücken lässt. Kombiniert wird der mit einem eher schmalen 680mm Lenker, weil die Geschwindigkeiten beim Bike-Bergsteigen gering und die Seitenfreiheit in engen Steiltraversen wichtiger ist. Zusammen mit dem 12° Lenker sitzen die Hände schon fast hinter dem Schaft, was ein maximal direktes Lenkgefühl gibt.

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# Viel kürzer geht es (fast) nicht mehr: Der 12mm Vorbau schiebt den Lenker über den Schaft weit hinter das Vorderrad. 

In Sachen Griffe setzt Tobi auf rot abgestimmte Ergons, auch der Tune Komm Vor-Sattel fügt sich farblich ins Gesamtbild, ohne die Waage unnötig zu belasten. Traditionell ist KäptnFR mit Klick-Pedalen unterwegs, was manch einen zunächst verwundern wird, in Anbetracht von immer gleicher Standposition und optimaler Kraftübertragung für Hinterradversetzer und Bunnyhops um Spitzkehren aber voll Sinn macht.

Teileliste

  • Rahmen: Liteville 601 MK2 Größe XL
  • Dämpfer: Marzocchi Rocco Air LO 216mm
  • Gabel: RS Boxxer WC 2009
  • Laufräder: Syntace W35, 32-Loch
  • Reifen vo/hi: Baron 2.5″ BC
  • Lenker: Syntace Vector Carbon 12°, 680mm
  • Griffe: Ergon GA1
  • Vorbau: direct mount Eigenbau 12mm
  • Schaltgriff: Sram XX, 10-fach Umbau
  • Bremsen: Shimano XTR trail
  • Bremsscheiben: Hope mono6 185/225mm
  • Sattel: Tune „komm vor“
  • Sattelstütze: Syntace P6 Carbon 400mm
  • Klemme: Syntace Superlock2
  • Kurbeln: Shimano XTR FCM980, 22Z
  • Pedale: Tima atac XS
  • Kette: Shimano 10-fach
  • Kassette: Sram XX 10-fach 11-36
  • Schaltwerk: Shimano XTR SGS mit Saint Käfig

Neben dem schon spannenden Aufbau mit einigen sehr leichten Teilen wird auch im Detail noch am Gewicht gefeilscht:

  • Knapp 30 Stück Syntace Titanschrauben ergeben ca. 65g Gewichtsersparnis.
  • Carbon Unterrohrschutz (von Forumsuser mi.ro)

Gesamtgewicht: 14,52kg

Dieses Video ist eine ganz gute Veranschaulichung um was es beim BikeBergsteigen geht, es beinhaltet sehr technische wie auch flowigere Passagen:

Saisonfinale 2012 von KäptnFR – mehr Mountainbike-Videos

  1. benutzerbild

    xTr3Me

    dabei seit 06/2010

    Das Zweikammer-System empfinde ich als super interessant. Gibt es da an anderer Stelle noch mehr Informationen? Für eine 160er Pike wäre das doch sehr genial für meine Mittelgebirgs-Trails.

  2. benutzerbild

    Sunfighter

    dabei seit 04/2011

    Ist das System mit dem DRCV System von Trek/Fox vergleichbar oder funktioniert es anders bzw hat es andere Effekte?

    Als Trek die DRCV Gabeln verbaut hat haben alle nur gemeckert und wollten wieder normale Soloair oder absenkbare Gabeln haben. Hatte eine zeitlang ne 150mm DRCV Float in meinem Remedy und fand sie ganz gut solangs nicht zu hart war, denn wenn sie gut angesprochen hat schlug sie gerne durch und sackte weg und wenn sie dass nicht tat war sie eher unsensibel ... zumindest meine, aber vielleicht war sie auch nicht besonders gut geschmiert oder die Dämpfung war nicht so das wahre. Meine Uturn Lyrik kann das ganze jetzt auf jeden Fall doch ein gutes Stück besser, dafür wiegt sie auch über a halbes Kilo mehr smilie

  3. benutzerbild

    chickadeehill

    dabei seit 06/2009

    Das Zweikammer-System empfinde ich als super interessant. Gibt es da an anderer Stelle noch mehr Informationen? Für eine 160er Pike wäre das doch sehr genial für meine Mittelgebirgs-Trails.

    Weitere Informationen zur AWK:
    Totem
    http://www.mtb-news.de/forum/showpost.php?p=9094359&postcount=1060

    Lyrik
    http://www.mtb-news.de/forum/group.php?do=discuss&discussionid=6180&pp=25
  4. benutzerbild

    chickadeehill

    dabei seit 06/2009

    Ist das System mit dem DRCV System von Trek/Fox vergleichbar oder funktioniert es anders bzw hat es andere Effekte?

    Als Trek die DRCV Gabeln verbaut hat haben alle nur gemeckert und wollten wieder normale Soloair oder absenkbare Gabeln haben. Hatte eine zeitlang ne 150mm DRCV Float in meinem Remedy und fand sie ganz gut solangs nicht zu hart war, denn wenn sie gut angesprochen hat schlug sie gerne durch und sackte weg und wenn sie dass nicht tat war sie eher unsensibel ... zumindest meine, aber vielleicht war sie auch nicht besonders gut geschmiert oder die Dämpfung war nicht so das wahre. Meine Uturn Lyrik kann das ganze jetzt auf jeden Fall doch ein gutes Stück besser, dafür wiegt sie auch über a halbes Kilo mehr smilie

    Das Fox DRCV System funktioniert schon sehr ähnlich aber es ist nicht dasselbe! Auch muss man immer im Auge behalten das das Verhalten einer Luftfeder über Volumen, Kolbenfläche und Druckniveau maßgeblich bestimmt wird. Hier haben kleine geometrische Unterschiede erhebliche Auswirkung auf die Federungscharakteristik. Damit ist eine Vergleichbarkeit eh nicht gegeben. Wäre die Geometrie von DRCV- und AWK-System identisch gehe ich davon aus das bis zu mittleren Federgeschwindigkeiten das Verhalten kaum zu unterscheiden ist, bei hohen Federgeschwindigkeiten sehe ich Nachteile beim DRCV da es an der Bohrung zur zweiten Kammer zu Drosselverlusten (die Luft kommt nicht schnell genug in die zweite Kammer) kommen kann aber auch das kann ich, ohne exakte Kenntnis der Geometrie, nur vermuten nicht wissen.

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