Heute stellen wir euch nicht irgendein Bike vor – sondern das Frauen-Siegerbike der Weltmeisterschaften in Leogang von Camille Balanche. Der Schweizerin gelang unter den wohl anspruchsvollsten Bedingungen seit dem Regenrennen in Champery ein beinahe makelloser Lauf, dank dessen sie nun ein Jahr lang in den prestigeträchtigen Regenbogenstreifen an den Start gehen darf. Zum Sieg wurde sie dabei von ihrem Commençal Supreme 29 getragen – hier gibt’s alle Details zum Custom-WM-Bike.
Obwohl sie erst seit wenigen Jahren auf dem Downhill-Bike sitzt, hat Camille Balanche in den vergangenen Saisons eine stattliche Sammlung an Erfolgen angehäuft. Bereits in ihrer zweiten Downhill World Cup-Saison 2019 – der ersten vollständigen – sicherte sie sich zwei Podiumsplatzierungen in Val di Sole und Lenzerheide. Obendrauf kam dann noch den Europameistertitel unter extrem staubigen Bedingungen in Portugal. Zur Belohnung gab’s direkt einen Platz im französischen Dorval AM-Team, das damit übrigens als einziges im gesamten World Cup mit drei Frauen und nur zwei Männern an den Start geht. In der stark verkürzten Saison 2020 geht Camille deshalb mit dem 2021er Commençal Supreme 29 an den Start.
Dass mit der 30-Jährigen durchaus zu rechnen war, hat sie mit ihren guten Erfolgen auf technisch anspruchsvollen Strecken im vergangenen Jahr bereits unterstrichen. Dennoch galt sie in Leogang mit einem wieder erstarkten Frauenfeld mit schnellen Fahrerinnen wie Myriam Nicole, Tahnée Seagrave oder Lokalmatadorin Vali Höll wohl kaum als Favoritin. Am Ende gelang ihr allerdings als einzige der Balance-Akt zwischen Sicherheit und Geschwindigkeit – vor allem im unteren steilen Waldsegment kam sie zwar in Schwierigkeiten, konnte sich jedoch immer auf dem Rad und die Geschwindigkeit hoch halten. Teil an ihrem Erfolg hatte sicherlich auch ihr in der Schweiz Custom-lackiertes Commençal-Arbeitsgerät, das wir uns ganz genau angeschaut haben!
Arbeitsgerät: Commençal Supreme DH 29 von Camille Balanche
- Fahrer Camille Balanche
- Rahmen Commençal Supreme 29, Größe M, Aluminium
- Geometrie Reach: 455 mm / Lenkwinkel: 63,8° / Kettenstreben: 430 mm
- Federweg 200 mm / 200 mm
- Fahrwerk Fox 40 Factory 29″ / Fox DHX2 Factory
- Laufräder Crankbrothers Synthesis DH 11 / 29″ / Carbon
- Reifen Schwalbe Dirty Dan (cut) / Schwalbe Dirty Dan / 1,3–1,5 bar vorne / 1,4–1,6 bar hinten
- Lenker Renthal Fatbar Lite / 760 mm Breite
- Bremsen Shimano XTR / 203 mm Scheiben
- Schaltung Shimano Saint / 1 x 10
Rahmen und Geometrie
Obwohl Commençal seit Mitte der Saison 2020 ein Supreme DH in der Mullet-Variante anbietet, setzt Camille weiterhin auf die bekannte Version mit 29″-Laufrädern vorne und hinten. Camille wählt allerdings die kleinste Größe M, die über einen 455 mm Reach und 63,8° Lenkwinkel verfügt. Die Kettenstreben sind zwar auf dem Papier 430 mm kurz, längen sich beim Einfedern aufgrund des Hinterbau-Designs allerdings erheblich. Das Commençal Supreme hat das High-Pivot-System im Downhill World Cup wieder hoffähig gemacht. Dabei liegt der Drehpunkt des Eingelenkers extrem weit oben im Rahmen, was eine weit nach hinten gerichtete Raderhebungskurve und in der Theorie sehr gute Überrolleigenschaften beschert. Damit der Kettenzug nicht unkontrollierbar wird, wird die Kette über eine Umlenkrolle am Drehpunkt vorbeigeführt. Wie sich das in der Praxis fährt, erfahrt ihr in unserem Test des Commençal Supreme DH 29.
Eine große Besonderheit an Camilles Rahmen ist die Lackierung. Diese wurde von Commençal in Andorra designed und verfügt neben schicken Farbverläufen in Schweizer Nationalfarben auch über Friedensbotschaften und -symbole. Durchgeführt wurde die Lackierung in der Schweiz, was wohl nicht ganz einfach war. Denn statt smoother Airbrush-Technik, wie sie aktuell bei vielen Custom-Lackierungen genutzt wird, wurde der Lack verdünnt und aufgespritzt. Laut Camilles Mechaniker war das wohl recht kompliziert umzusetzen, ohne dass der verdünnte Lack anschließend verlaufen ist.
Fahrwerk und Setup
Camilles Fahrwerk besteht aus der 2021er Fox 40 Factory-Federgabel in der 29″-Ausführung sowie dem dazu passenden, neuen Fox DHX2 Factory-Stahlfederdämpfer. An der Front hat sie die Gabel immer auf 75 bis 80 psi aufgepumpt und nutzt 3 bis 4 Volumenspacer in der Luftkammer, um die Progression zu erhöhen. Außerdem sind die goldenen Kashima-Standrohre relativ weit nach unten rausgezogen. Der Stahlfeder-Dämpfer ist in der Regel mit einer 350 oder 400 lbs-Feder bestückt. Hier setzt Camille auf die leichte und auffällig orange SLS-Feder.
Laufräder und Reifen
Bei den Laufrädern setzt Camille auf die durchaus auffälligen Crankbrothers Synthesis DH 11. Diese setzen auf sehr flache und breite Carbon-Felgen, die auf edle Industry Nine Hydra-Naben aufgespeicht ist. Eine Besonderheit der Laufräder ist, dass diese vorne auf 28, hinten hingegen auf die normalen 32 Speichen setzen. Das soll den Flex und somit die Spurtreue an der Front erhöhen, was sich Camilles Mechaniker zufolge vor allem bei eher leichten Frauen positiv auf das Fahrverhalten auswirkt. Außerdem hätte man bisher keinerlei Probleme mit der Haltbarkeit.
Für die schlammigen Bedingungen in Leogang hat Camille Balanche Schwalbe Dirty Dan-Matschreifen aufgezogen. Interessant ist dabei, dass die Stollen des Vorderreifens in der Mitte gekürzt wurden, um den Rollwiderstand zu verbessern. Hinten hingegen ist ein ungecutteter Dirty Dan verbaut, um maximalen Bremsgrip zu garantieren. Diese Mischung sieht man häufig genau umgedreht – im extrem steilen Leoganger Waldstück galt es vermutlich jedoch vor allem, zu verhindern, dass das Hinterrad durchrutscht und einen überholt.
Der Luftdruck an Camilles Commençal Supreme DH 29 ist verhältnismäßig gering: Vorne präferiert sie 1,3 bis 1,5 bar, hinten sind es 1,4 bis 1,6 bar. Allerdings ist im Hinterreifen ein Cushcore-Schaumstoff-Insert verbaut, das Durchschläge und Defekte verhindern soll. Auch wenn der Luftdruck häufig leicht schwankt, präferiert Camille meistens zirka 0,1 bar Unterschied zwischen vorne und hinten.
Komponentencheck
Camille Balanches Antrieb stammt aus der Shimano Saint-Reihe und setzt auf eine Rennrad-Kassette mit 10-Gängen am Hinterrad und eine 165 mm kurze Alu-Kurbel mit 34-Zähne-Kettenblatt an der Front. Bei den Bremsen setzt sie jedoch wie so viele andere Downhill-Profis auf das Shimano XTR-Modell mit vier Kolben statt dem sehr ähnlichen Saint-Modell, das eigentlich für den Downhill-Einsatz gedacht ist. Um die Bremspower zu maximieren, sind außerdem 203 mm-Bremsscheiben verbaut. Die Schweizerin schwankt oft zwischen organischen und metallischen Belägen – bei der Weltmeisterschaft hat sie jedoch die organischen bevorzugt, da der Schlamm nicht so aggressiv wie gedacht war und die Beläge nicht beschädigt hat.
Um alles klapperfrei zu halten, hat ihr Mechaniker zudem die von Commençal immer mitgelieferten inneren Schaumstoff-Hüllen für die Züge verlegt. Außerdem ist das STFU-System von Chris Kovarik verbaut, das Kettenklappern effektiv verhindern soll. Zuletzt sorgt noch eine e*thirteen LG1-Kettenführung samt Bashguard für Ruhe und Sicherheit.
Das Cockpit stammt komplett aus dem Hause Renthal. Wie ihre Teamkollegin Monika Hrastnik auch bevorzugt Camille den fürs Trailbike gedachten Renthal Fatbar Lite mit dünnem 31,8 mm Durchmesser. Dieser ist in der Originalbreite von 760 mm verbaut und verfügt über ordentliche 30 mm Rise. Kombiniert wird das mit einem Renthal Integra-Vorbau mit 0° Rise und in 50 mm Länge. Für Kontrolle sorgen dann noch die Renthal-Lock-On-Griffe in der weichen Ultra Tacky-Ausführung.
Auch im zähen Schlamm von Leogang hat Camille auf ihre Crankbrothers Mallet DH-Klickpedale gesetzt. Hier hat sie allerdings sämtliche Pins komplett entfernt. Überall am Bike finden sich zudem kleine Schweiz-Logos – egal ob an den Bremsgriffen, der Pro-Sattelstütze oder dem Fabric-Sattel. Sogar die Leitungen hat ihr Mechaniker extra in Weiß oder Rot gehalten, um das Farbschema nicht zu zerstören.
Wie gefällt euch das Commençal Supreme-WM-Siegerbike von Camille Balanche?
Hier findest du weitere Arbeitsgeräte von den Stars der Mountainbike-Szene:
- Arbeitsgerät: GT Fury von Danny Hart
- Arbeitsgerät – Cape Epic-Edition: Orbea Oiz OMX von Georg Egger
- Arbeitsgerät – Cape Epic-Edition: Scott Spark RC von Nino Schurter
- Arbeitsgerät Spezial: Pinnit Shredmaster V2 von IBC-User Grottenolm
- Arbeitsgerät: Mondraker-Prototyp von David Trummer
24 Kommentare