Ich persönlich sehe mich zu diesem Artikel motiviert, nachdem ich einfach glaubte, einen breiteren Lenker ans Gravelbike bauen zu können und damit glücklich zu sein. Dann sah ich die vielen verschiedenen Maße, baute mir einen breiteren Lenker und erhielt aus Versehen auch einen tieferen und schrägeren, musste mir dann einen anderen Vorbau montieren, … Also: Augen auf am Unterlenker! Wir geben euch hier einen Überblick, was ihr bei Lenker und Vorbau am Gravelbike beachten müsst.
=> Noch mehr zum Thema Gravel gibt’s übrigens in der Übersicht auf Rennrad-News.

Unterlenker-Maße
Kurz gesagt hat ein Rennradlenker, auch Dropbar oder Rennlenker genannt, einen noch stärkeren Einfluss auf die Sitzposition als ein konventioneller Lenker am Mountainbike. Denn der Unterlenker bietet nicht eine Griffposition, sondern bis zu fünf – und mit seinen vielen Krümmungen gibt es noch mehr Möglichkeiten für Variation.
Breite
Klar, auch ein Rennradlenker hat eine Breite – normalerweise gemessen von Horn zu Horn. Je breiter eure Schultern, desto breiter der Lenker. Gleichzeitig gibt es mehr Platz für Gepäcktaschen und mehr Hebel, eigentlich genau wie beim Mountainbike. Zusätzlich wird häufig die Breite am unteren Lenkerende angegeben. Hier gilt es zweimal hinzuschauen, um Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen. Auch der Flare spielt hier eine Rolle – dazu später mehr!

Zusätzlich gibt es aber auch noch die Breite des Unterlenkers, die durch den Flare (s. u.) beeinflusst wird.
Reach
Ja, richtig gelesen: Ein Rennradlenker hat einen Reach! Das haben die wenigsten Mountainbikelenker explizit. In jedem Fall bestimmt die Länge der Vorbiegung die Position der Schalt-Bremshebel-Einheit und damit, wie gestreckt ihr auf dem Gravelbike sitzt.

Drop
Wie viel tiefer liegt der Unterlenker als der Oberlenker? Der Drop betrifft somit nur die Unterlenkerhaltung. Je mehr Drop, desto tiefer sitzt ihr auf dem Gravelbike. Sogenannte Compact-Lenker haben einen geringeren Drop und lassen euch etwas, ja, kompakter auf dem Bike sitzen.

Rise
Sehr wenige Lenker heben den Oberlenker links und rechts der Lenkerklemmung an. Das ändert natürlich auch den Drop wieder, erlaubt euch einen flacheren Vorbau zu fahren und dennoch aufrechter zu sitzen. Oder so.

Backsweep
Die meisten Gravellenker haben keinen Backsweep, der Winkel im Oberlenker ist also 180°. Einige Modelle neigen hier aber die Lenkerhälften leicht nach vorn, um der schmalen Griffposition Rechnung zu tragen.
Drop Flare
Der Unterlenker muss nicht senkrecht nach unten stehen, er kann nach außen zeigen. Das dreht die Bremshebel in eine etwas ergonomischere Position und macht den Unterlenker breiter, gibt hier nochmal mehr Kontrolle, steigert aber auch den Luftwiderstand.

Flare Out
Den Unterlenker selbst kann man natürlich auch noch neigen, nämlich in die Breite – ein wenig wie der Backsweep am Mountainbike. Auch das kann eine natürlichere Handgelenkstellung unterstützen.

Die Bedeutung des Vorbaus
Nachdem der Lenker nun eben nicht nur einen Rise, sondern auch einen Drop und einen Reach hat oder haben kann, ist auch der Vorbau betroffen und muss hier mithelfen. Beispiel: Du willst einen breiteren Lenker, der hat aber möglicherweise auch mehr Reach – dann musst du beides mit dem Vorbau kompensieren, denn ansonsten passiert etwas ganz anderes als geplant. Fakt ist, dass sich im Endeffekt bereits 10 mm Länge deutlich auswirken, und es durchaus ein wenig Probieren braucht, bis die Sitzposition stimmt. Grob gesagt sollte man einen 20 mm breiteren Lenker mit einem 10 mm kürzeren Vorbau paaren. Beim Reach lässt sich Lenker-Reach zu Vorbau-Reach eins zu eins verrechnen.
Länge
Der Abstand zwischen den beiden Achsen von Steuerrohr und Lenker. Wer Lenkerreach mit Vorbaulänge kompensiert, der behält zwar die normale Griffposition bei – der Griff an den Oberlenker fällt aber kürzer aus.

Winkel
Der Winkel zur Orthogonalen auf dem Steuerrohr. Weniger kryptisch gesagt kann der Vorbau eben den Lenker noch höher oder niedriger positionieren. Optisch sehen negative Winkel am Gravelbike eindeutig besser aus. Vorbauwinkel und Lenkerdrop bewirken am Ende das Gleiche.

Bleibt nur noch zu sagen: Die Steifigkeit des Vorbaus ist am Rennrad entscheidend, denn die Lenker sind tendenziell weicher und die Sprints härter. Also gönnt euch einen Vorbau mit großem Querschnitt und vernünftiger Klemmung. Gewicht sparen kann man beispielsweise mit Hohlschmieden und Titanschrauben.
Kauftipps
Aus eigener Erfahrung noch der eine oder andere Kauftipp: Mit den häufig standardmäßig verbauten eher schmalen und tiefen Rennradlenkern kam ich am Gravel- und Allroadbike nur bedingt zurecht. Der Gedanke, einfach den Acros-Gravellenker zu montieren und damit glücklich zu sein, führte am Ende zu diesem Artikel: Er hatte so viel Reach, dass der Vorbau kürzer werden musste – und auch dann war mir der Drop Flare noch viel zu extrem. Das ist vielleicht was für groß gewachsene Personen. Für mich bei 1,76 m war’s aber einfach zu viel von allem. Am Ende bin ich mit dem Newman Advanced 318 glücklich geworden; die Evolution-Vorbauten sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Wer denkt, am Vorbau könne man nichts falsch machen: Der Ritchey WCS in Kombination mit dem Acros Gravelbar hat mich eines Besseren belehrt – die Kombination wollte schlicht nicht verdrehsicher sitzen, die Schraubenköpfe nudelten schneller aus als Gnocchi. Lenker mit rauerer Oberfläche und Montagepaste wirken hier Wunder!
Fazit – Wie findet man den perfekten Lenker fürs Gravelbike?
Dropbars spielen im Bereich Bikepacking am Mountainbike und natürlich am Gravelbike eine große Rolle. Die vielfältige Biegung sorgt dafür, dass es beim Unterlenker noch mehr zu beachten gibt als beim Flatbar. Die gute Nachricht: Es lassen sich wirklich gute Sitzpositionen finden. Die schlechte: Ohne ausprobieren wird es vermutlich nichts …
Wer von euch greift im Winter bevorzugt zum Dropbar? Oder habt ihr eure Gravelbikes mit Flatbars zu Mountainbikes modifiziert?
63 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumUff, das ist häßlich. Und Bremsen müsste man ja auch umbauen.
" Wer von euch greift im Winter bevorzugt zum Dropbar? Oder habt ihr eure Gravelbikes mit Flatbars zu Mountainbikes modifiziert? "
Oder genau umgekehrt, dann ergibt der Artikel hier nämlich wieder Sinn. Ich komme als Sitzriese mit den kurzen Rennrad Geometrien nicht zurecht, habe ich mehrfach versucht. Letztes Jahr zum zweiten Mal ein MTB zum Grand Gravel konvertiert und glücklich. Da muss man sogar noch mehr bedenken als hier im Artikel thematisiert wurde.
Ich bin in diesen Fällen sehr weit vorne, schon fast im Bogen, da finde ich die Kontrolle in kniffligem Gelände dann sehr gut.
Habe jetzt an statt des 40er orginal Merida einen 44er Ritchey Butano verbaut, bin bis jetzt zwar nur ne ca. 10km Proberunde gefahren, noch ohne Lenkerband um noch eventuell etwas zu verstellen, aber vom Gefühl super.
Hoffe morgen Vormittag noch gescheites Wetter für einen ausgiebeigen Test zuhaben, dann aber mit Lenkerband.
PS: Heute gute 4 Stunden gefahren, denke das war die richtige Entscheidung, sowohl auf der Straße als auch auf Trails fühlt es sich mit den 44er besser am.
MfG pseudosportler
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