Argentinien im Jahr 2000. Ein ganz normaler Schulausflug für Adolfo Almarza und seine Klassenkameraden. Sie hatten sehr erfolgreich an einem Basketballturnier teilgenommen, die Stimmung war ausgelassen. Auf dem Weg nach Hause geriet der Bus plötzlich außer Kontrolle, kam von der Straße ab und krachte in einen Baum. Eine schreckliche Tragödie, in der drei Schüler ihr Leben verloren und ein weiterer sehr schwer verletzt wurde. In einer Blitz-Rettungsaktion brachte ihn ein kleines Militärflugzeug zurück in sein Heimatland Chile, wo er notoperiert wurde und mit dem Leben davon kam, aber beide Beine unterhalb der Knie verlor.
Was sich anhört wie der Plot aus einem Hollywood-Drama, wurde für Adolfo Almarza im Alter von 12 Jahren Realität. Der Unfall ist nun bereits vierzehn Jahre her und hat sein Leben maßgeblich verändert. Mit viel Mut und Entschlossenheit ging Adolfo voran und beschloss, das Beste aus seiner Situation zu machen.
Whistler 2014. Adolfo bewegt sich in den Menschenmassen des Crankworx völlig normal. Erst wenn der Blick in der Liftschlange in Richtung Bikes wandert, wundert man sich. Da steht ein Biker in Skateschuhen, aus denen 6cm dicke Aluminiumrohre emporführen und in regulären Knieschonern verschwinden. Ein Gespräch gestaltete sich schwieriger als gedacht, da Adolfo nur Spanisch und sehr wenig Englisch spricht. So verabredeten wir uns zum Abend in seinem Appartement, wo Julio Acevedo, sein Partner für die Seminare und Manager, als Dolmetscher aushelfen konnte.
Hallo Adolfo, viele unserer Nutzer kennen Bilder von dir auf denen du an den Whip-Offs oder dem Air-Downhill in Whistler teilnimmst. Viel mehr wissen sie allerdings nicht über dich. Stell dich doch am besten kurz selbst vor.
Hallo zusammen! Mein Name ist Adolfo Almarza, ich bin 26 Jahre alt und lebe in Melipilla, Chile. Ich fahre professionell Downhill – allerdings etwas anders als alle anderen. Meine Beine sind unterhalb der Knie Prothesen, bei einem Unfall vor 14 Jahren verlor ich beide Unterschenkel. Downhill ist meine absolute Passion und bietet mir einen Ausgleich für all meine Probleme. Der Radsport hat mir geholfen meine Lebensweise zu transportieren und zu zeigen, dass alles möglich ist, wenn man nur will.
Du bist dieses Jahr das dritte Mal auf dem Crankworx in Whistler und nimmst an mehreren Events teil. Wie wichtig ist dieses Event für dich?
Crankworx ist mit das größte Bike Event weltweit und alle, die Rang und Namen haben, nehmen daran teil. Vom Freerider bis zum Downhiller oder Slopestyler. Es war schon immer mein Traum, ein Teil davon zu sein. Ich hoffe, dass ich auch in Zukunft jedes Jahr die Möglichkeit haben werde, hierher zu kommen. Das ist wichtig für mich und ich zehre das komplette Jahr von den Erlebnissen.
Dieses Jahr hat man dich auch wieder bei den Whip-Offs gesehen. Welches ist dein Lieblingsevent hier?
Die Whip-Offs gehören definitiv zu meinen Lieblings-Events. Aber ich mag wirklich jedes Rennen an dem ich beim Crankworx teilnehmen kann – die Sprünge und die jubelnden Leute am Streckenrand sind der Wahnsinn – das lässt sich kaum in Worte fassen. Wer die Möglichkeit hat das mal selbst auf dem Bike zu erleben, sollte das auf jeden Fall machen. Das Crankworx ist mit Abstand mein Lieblings-Event und ich bin froh, wenn es jedes Jahr wieder stattfindet.
Welche Events außer dem Crankworx besuchst du noch?
Ich reise viel innerhalb Chile und auch in andere Länder um dort meine Geschichte zu erzählen und Leute von meinen Lebenserfahrungen profitieren zu lassen. Auf meinem Weg zurück zum Sport habe ich gemerkt, dass ich eine positive Message rüberbringen kann – an Leute, die für alles mögliche Unterstützung brauchen. In jedem Rennen, an dem ich teilnehme, bedanken sich einige für die Inspiration – das erfüllt mich mit Stolz.
Wie gehst du damit um, wenn du einen so harten Crash hast wie beim RedBull City Downhill 2013 VALPARAISO (Chile)? Erinnert dich das an deinen Unfall?
Unfälle mit dem Bike sind nie vergleichbar mit einem Unfall, wie ich ihn beim Verlust meiner Beine hatte. Ein Knochenbruch ist zwar schlimm aber im Vergleich zu einer Amputation… Das ist einfach nicht das gleiche. Jeder Sturz von mir macht mich stärker und ich versuche mich weiter zu verbessern, dass ich sicherer fahre und sowas nicht passiert. Natürlich habe ich auch schlechte Tage wo es nicht so gut läuft, da geht es mir wie jedem anderen auch, aber ich versuche nie die Motivation zu verlieren wenn es mal nicht so gut läuft.
Sind deine Prothesen speziell für deine Anforderungen hergestellt oder sind das reguläre „Ersatzbeine“?
Die Firma Ottobock hat mir diese Prothesen gebaut – Ottobock hat sich auf Prothesen für Hochleistungs-Sportler aber auch auf die Nutzung im Alltag spezialisiert. Die Prothesen, die ich nutze, sind ausreichend widerstandsfähig für verschiedenste Sportarten und ich tausche sie jedes Jahr aus.
Wie halten die Prothesen an deinen Beinen?
Das ist etwas schwierig zu erklären – das ist ein System mit einer Art Vakuum-Kammer. Ich platziere meine Beine darin und ziehe dann die Luft heraus, die sich in den Schalen sammelt. Durch den Unterdruck sind die Prothesen dann fest mit mir verbunden.
Brauchen deine Prothesen besondere Pflege?
Ich kontrolliere sie regelmäßig auf Schäden – aber sie sind enorm stabil. Sie bestehen teilweise aus Carbon, ich hoffe, dass sie nie brechen!
Wie muss man sich das vorstellen, ohne eigene Füße Rad zu fahren?
Das war ein langer Lernprozess den ich durchmachen musste, bis das möglich war. Klickpedale funktionierten nicht für mich und so musste ich es auf diese Weise hinbekommen. Ich musste mich anfangs ziemlich konzentrieren, um beim Fahren die Balance und den Kontakt zu halten – bei jedem Rennen aufs Neue. Das war gerade am Anfang schwierig, aber Training macht alles möglich und jetzt denke ich nicht mehr an meine Beine und Füße wenn ich fahre. Ich fahre einfach!
Nutzt du normalerweise Shuttle-Möglichkeiten um den Berg hinaufzukommen, oder fährst du selbst hoch?
Ich fahre auch Enduro und kann auf Berge pedalieren, auch wenn das für mich etwas mehr Aufwand ist. Die Möglichkeit in einem Bikepark zu fahren oder zu shutteln ist da schon hilfreich. Neben dem Biken versuche ich noch andere Sportarten zu machen und manchmal versetzt das die Leute, die dabei sind sogar etwas mehr in Unruhe als mich. Bei der diesjährigen Rampage konnte ich auch bis zum Start hochklettern und wieder herunterkraxeln. Man wird natürlich leichter unterschätzt, wenn man mit diesen Beinen herumklettert, aber ich habe trotz allem sehr viele Möglichkeiten mich sportlich zu betätigen. Fahrrad fahren ist aber mit Abstand der Sport, den ich am meisten liebe.
Du bist Mountainbike-Profi – was machst du sonst noch beruflich?
Ich bin Ehemann und Vater und halte Motivationsreden in Chile und dem Rest der Welt. Für mich ist es ein Segen dass ich die Möglichkeit habe, den Leuten, die Hilfe brauchen ein paar unterstützende Worte zu vermitteln.
Wie muss ich mir diese Motivationsvorträge vorstellen?
Die Vorträge finden an Universitäten, in Instituten, Ausbildungszentren, Wohlfahrtsverbänden, Krankenhäusern, Schulen, Unternehmen statt. Zusammen mit Julio zeigen wir den Menschen, dass mit Aufopferung, Glaube, Hoffnung, Träume und harter Arbeit alles was jemand anstrebt auch erreichbar ist. Wir suchen die Diskussion und möchten helfen, über schwierige Lebenssituationen hinwegzukommen.
Auf deiner Webseite hast du die „Rancho Almarza“ vorgestellt. Was ist das genau?
Anfangs war der Plan, dass ich eine Trainingsmöglichkeit für mich habe. Nach einigen Wochen kamen immer mehr Leute mit Bikes auf die Strecke zum Fahren. Also öffneten wir das Gelände ganz offiziell für alle und jetzt ist die Rancho Almarza eine Sportstätte, in der wir den Nachwuchs und die Szene in Chile und ganz Südamerika selbst fördern möchten. Es gibt eine Strecke für 4X, Sprünge und weitere Trainingsmöglichkeiten.
Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!
Gerne. Wir sehen uns spätestens beim nächsten Crankworx!
Webseites zu Adolfo Almarza
www.adolfoalmarza.com
www.decidido.cl
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