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Test
Canyon Torque 8.0 Dropzone im Langzeittest

Freitag Abend im Mai, ich bin unterwegs zu Thomas um die VAST-Premiere in Mainz zu sehen. Unterwegs mache ich noch einen Abstecher nach Koblenz, um bei Canyon das Bike für den IBC-Dauerfahrbericht abzuholen. Das „Torque Dropzone“ des Direktversenders befindet sich grob im Einsatzbereich zwischen „Touren im anspruchsvollen Gelände“ und Downhill – ob diese Kombination abseits der leichten Enduro-Alleskönner gelingt, möchte ich bis zur Eurobike herausfinden.

Ausgepackt

Das Canyon kommt für meine 1,93m Körpergröße in der größten Rahmengröße L.

Canyon liefert diverse Dinge mit, damit das Rad möglichst selten zum Händler gebracht werden muss: Der 4mm Inbussschlüssel mit einer unkonventionellen Drehmomentvorrichtung ist praktisch, ebenso hilfreich die mitgelieferte und gut funktionierende Dämpferpumpe. Für die Mavic-Felgen ist neben Reifenheber und Speichenschlüssel ein Tubelesskit dabei.

Farblich in schwarz-weiß gehalten, stimmt das Rad optisch schonmal – wie verhält es sich mit den Komponenten? Fast vollständig mit der SRAM-Palette ausgestattet, federt vorne eine Totem Coil von Rock Shox mit 180mm Federweg, für den Hinterbau ist ein DHX Air verantwortlich – ob dieser mit einem vergleichbaren Coil-Dämpfer mithalten kann, werden die folgenden Touren zeigen. Die Deemax-Felgen sehen schick aus, der 750mm breite Havoc DH-Lenker kommt, ebenso wie Vorbau und Sattelstütze, von Easton. Die Canyon-eigenen Schraubgriffe sehen schön aus, fühlen sich gut an und sind passend zur restlichen Optik ebenfalls weiß – finde ich im Praxiseinsatz allerdings nicht optimal, da diese in kürzester Zeit ergrauen und dann ziemlich unansehnlich wirken. Weil ich zufällig andere Schraubgriffe in schwarz herumliegen habe, kommen kurzerhand diese ans Rad und harmonieren sogar mit dem Rest. Weiß/rot eloxierte Elixir CR-Bremsen von Avid und eine Sram 9.0-Ausstattung runden den Aufbau ab. Ein Blickfang ist die Getriebekurbel Truvativ Hammerschmidt, die ich vor zwei Jahren schon auf der Eurobike probegefahren bin – ich bin äußerst gespannt, wie sich die Freeride-Kurbel im Dauerbetrieb erweist.

(Die folgenden Texte sind ausgewählte Berichte aus einer Vielzahl von Ausfahrten, die ich von Mai bis August absolviert habe.)

Mai

Die erste Ausfahrt begleite ich Admin Thomas auf seiner Hausrunde. Ich möchte feststellen, ob das Rad „out of the box“ direkt fahrbar ist – darum geht es mit kaum eingefahrenen Bremsen los in die Pfälzer Berge.

Da mir von Tom mehrere hundert Höhenmeter vorhergesagt wurden, war ich besonders gespannt, wie sich die 16,5kg Fahrrad bergauf schlagen. Die montierte Hammerschmidt bin ich das letzte und einzige Mal auf dem 2008er Demo Day gefahren und war begeistert – mal schauen ob sich die Getriebekurbel mit dem stolzen Preis hier bewährt.

 

Aufwärts.

Steigung, klick, los geht’s. Mit der Hammerschmidt habe ich das Gefühl, jeden Berg locker im Sitzen hochtreten zu können. Der ProPedal-Hebel des DHX Air-Dämpfers ist einfach zu bedienen und verhindert in Kombination mit dem Hinterbau das Wippen beim Sitzen ordentlich. Öffnet man dann zusätzlich noch das Floodgate der Totem, ist das Berghochfahren erträglich – vorausgesetzt man bringt etwas Zeit und Kraftausdauer mit, denn der Rollwiderstand der großvolumigen Maxxis-Reifen ist nicht gerade gering.

Abwärts

Die Trails rund um die Kurstadt Bad Kreuznach sind im oberen Abschnitt sehr felsig und mit vielen, teilweise schwer zu fahrenden Spitzkehren und immer wieder scharfen Steinkanten versehen. Ich komme recht schnell mit dem Canyon zurecht und löse die mittlerweile eingebremsten Bremsen immer öfter. Dass da hinten keine Stahlfeder montiert ist, spürt man – der DHX Air fühlt sich subjektiv linearer und weich, aber angenehm an; das Fahrwerk arbeitet sehr sensibel. Die 18 Zentimeter komprimieren das Bike sehr und bügeln viel weg, die Zugstufe ist schnell und die Maxxis Minion (vorne in SuperTacky, hinten in 60a) vermitteln ausreichend Grip auf den weitgehend trockenen Felsen. Ich spiele viel herum, ziehe das Rad kontrolliert in den Manual und nutze kleinere Felsen als Absprünge – was dank der spitzen Steine recht schnell in einem hinteren Platten endet. Der Ausbau geht durch die Syntace-X12-Achse schnell und wir treten die nächste Rampe hoch. Die zweite Abfahrt des Tages ist ein völlig anderes Terrain: Langgezogene Kurven, Anlieger, Highspeed-Passagen. Mal sehr flowig, mal mit schräg verlaufenden Wurzelfeldern, manchmal beides. Spaß!

Ebene

Meistens beginnen die besten Trails leider nicht vor der Haustür, also ist Kurbeln angesagt. Erst recht enden Trails nicht vor der Haustür – also geht’s 15 Kilometer in der Ebene nach Hause.

Durch das monotone Kurbeln hört man das konstruktionsbedingte Surren der Hammerschmidt nun intensiver und noch etwas kommt hinzu: Ein ganz schöner Widerstand in der 1.6er-Übersetzung! Ich wechsle alle paar Meter zwischen den Übersetzungen hinterher und stelle fest, dass die kleine Übersetzung der Hammerschmidt weitaus kraftsparender zu treten ist. Der große Gang ist ab jetzt für mich nur noch bergab interessant – bei normalen Geschwindigkeiten in der Ebene geht mir definitiv zuviel Kraft verloren.

Nach 35 Kilometern und knapp 700 Höhenmetern ist die erste Fahrt mit dem Dropzone beendet.

Zwischenfazit

Ohne irgendeine Einstellung zu tätigen, fühlt sich das “Dropzone” vom Fleck weg gut fahrbar an. Längere Distanzen sind mit ein bisschen Kondition und Beinpower zu bewältigen, obwohl 35km-Touren für den normalen Freerider ziemlich die Grenze darstellen dürften. Leichte Trails ohne große Stufen oder Drops sind im Grundsetup gut zu bewältigen, auch für schwerere Fahrer wie mich. Wir werden sehen, wie sich das Rad auf ruppigeren Trails anfühlt.

 

Eine Hausrunde, im Juni

Bergischer, wurzeliger Waldboden, immer irgendwie leicht feuchtes Terrain. Ich habe Konsequenzen aus dem trügerisch weichen Setup gezogen und Dämpfer und Gabel etwas angepasst: In der Hauptkammer des DHX Air befinden sich nun knapp 16 Bar, im Ausgleichsbehälter 7 von maximal 13 Bar. Hier betrug der vorherige Druck gerade mal 5 Bar. Ich bin gespannt auf die Auswirkungen.

3km/200hm Asphaltaufstieg: Entspannt. Trail: Stark frequentiert und Schlammpfützen. Bodenwellen meistert das Dropzone ordentlich, auch Anlieger und kurze Absätze sind kein Problem. Ich habe es fast geahnt, auf dem Hometrail ist mir der Hinterbau immer noch zu soft und taucht gerade in Anliegerkurven etwas weg: Die Kompression nach einer 3m-Steilstufe staucht das Rad ziemlich ein, der DHX rauscht durch den Federweg und ich wünsche mir in diesem Moment eine Stahlfeder herbei. Der Rest des Trails besteht aus Highspeedpassagen und Kurven mit eng zusammenstehenden Bäumen und ich muss mich konzentrieren, um das breite Havoc-Geweih nicht in den nächsten Baumstamm zu rammen.

Der zweite Teil des Trails eröffnet sich nach einer zehnminütigen Tretpassage und besteht aus einem schmalen Bergkamm, Bäumen wie Slalomstangen und Fels, Wurzeln und noch mal Fels. Es gilt, steil bergab zwischen den Bäumen hindurchzuzirkeln und zwischendurch mit offenen Bremsen kurze Absätze mitzunehmen. Das Gelände ist trocken und ich vertraue wieder einmal Reifen und Bremsen. Gut dosiert lässt sich eine mittelschwere Linie schneller und besser fahren als mit meinem eigenen Freerider: Das Canyon vermittelt durch den flachen Lenkwinkel keine Überschlagsgefühle, verfügt jederzeit über genug Grip und lässt sich agil steuern.

Zwischenfazit II

Der Hinterbau war mir für einige Passagen meiner Hausrunde zu weich und sackte zu sehr durch, für die nächsten Fahrten werde ich sämtlichen erlaubten Druck in den Dämpfer pumpen. Den kleinen Ausflug in die Welt des teureren Vertride-Modells bestand das Dropzone passabel: Kontrolliert und ohne eine Spur von Nervosität ließ sich das Bike die steinigen Steilpassagen herunterbewegen. Ordentlich!

Winterberg, irgendwann im Juli

Waren die bisherigen Fahrten mit dem Torque zwar schon aussagekräftig, so wird der Besuch im Sauerland zeigen, wie sich das Rad auf verschieden harten Strecken tatsächlich schlägt. Wie angekündigt ist die Hauptkammer des DHX jetzt auf fast 21 Bar aufgepumpt, die Ausgleichskammer mit 13 Bar ebenfalls am oberen Ende des empfohlenen Drucks. Beim Einrollen wirkt der Hinterbau endlich so straff, wie ich es gehofft hatte. Gemäß des veränderten Hinterbaus habe ich die Druckstufe der Totem verändert, sodass die Gabel jetzt langsamer und smoother einfedert.

Continental-Track

Ein angenehm zu fahrender Track für zwischendurch mit vielen Variationen, Anliegern, kleineren Drops und Gaps. Das Canyon lässt sich spielerisch über die kurvigen Northshore-Trails bewegen und aktiv und kontrolliert über die Absprünge ziehen. Pushen und Beschleunigen in den Anliegern und Bodenwellen ist mit 180mm Federweg aus nachvollziehbaren Gründen allerdings nicht ideal.

Four-Cross

In Erwartung von „völlig fehl am Platz“ fahre ich den 4X-Track doch halbwegs ordentlich hinunter,– das agile Handling gleicht die Geometrie mit dem massiven Federweg etwas aus. Das Übersurfen der Bodenwellen im Manual funktioniert den ganzen Kurs hinunter super, das hätte ich nicht unbedingt erwartet. Dennoch ist der 4X natürlich mehr Spielerei als ernsthaftes Terrain für das Dropzone. Spaß macht es trotzdem.

Slopestyle/Funride

Drops, Wallrides und Sprünge sind wie erwartet das ideale Einsatzgebiet fürs Torque und in diesen beiden Parkbereichen findet sich davon einiges. Durch das jetzt endlich richtig straffe Setup lassen sich Drops auch mit meinem Körpergewicht kontrolliert springen und landen, wenngleich der DHX Air einige Male ans Limit gehen muss. Über den Tag hinweg hat das Torque auch einige Einschläge zu verkraften und zeigt am frühen Nachmittag in Form eines wackelnden Acros-Steuersatzes seinen Unmut darüber. Zudem hat irgendwas am Hinterbau deutliches Spiel – Lagerschaden? Erstmaliges Setzen des Hinterbaus angesichts des ruppigen Terrains? Noch weiß ich es nicht. Auch von der Deemax-Nabe habe ich gehört, dass sich da öfter mal was lockern soll. Erste Hilfe mit dem Minitool beheben die wackeligen Probleme weitgehend und nachdem ich am nächsten Tag mit dem von Mavic mitgelieferten Schlüssel (das Problem scheint wirklich öfter aufzutreten) die Deemax-Nabe festziehe, ist alles wieder komplett spielfrei.

Northshore

Auch die Holztrails gehören ganz klar zum Einsatzbereich des Torque Dropzone. Der breite Lenker vermittelt Kontrolle beim Balancieren über dünne Bretter und Wippen, das Bike wirkt zu keinem Zeitpunkt kippelig. Gefühlt steht man eher „im Bike“ als „oben drauf“. Lediglich bei engen Situationen wie etwa dem Baumstamm-Rondell ist höchste Konzentration angesagt und die Lenkerbreite etwas von Nachteil – läuft man sonst Gefahr, mit dem Cockpit an der Baumrinde hängenzubleiben.

Der Bikepark Winterberg im GoPro Hero-Kurzdurchlauf:

Dauerfahrbericht: Winterberger Allerlei: im IBC TV ansehen

Downhill

Dank des großzügigen Hubs kommt man auch auf dem Winterberger Downhill gut zurecht. Breiter Lenker, ausgewogenes Fahrwerk, recht flacher Lenkwinkel. Nur der DHX Air kann performancetechnisch nicht ganz mit dem mir gut bekannten DHX 5.0 Coil mithalten. Ernsthaften Racern wird eine verwindungssteife DC-Gabel und ein progressiver Stahlfederdämpfer fehlen, dem Gelegenheitsracer sollten die verbaute Totem Coil und der DHX Air jedoch ausreichen.

MTB-News User Kristof kennt sich als Elfter des letztjährigen Rookies-Cups gut (und zugegebenermaßen besser als ich) auf der Downhillstrecke in Winterberg aus und hat das Torque Dropzone für uns einmal drübergejagt:

Dauerfahrbericht: Winterberger Downhill: im IBC TV ansehen

Canyon Torque Dropzone – Test Fazit

Das Dropzone ist ein Allrounder: Die Ausstattung des bergab-orientierten Modells aus der Torque-Reihe ist ausgewogen und voll auf Stabilität bei verhältnismäßig geringem Gewicht ausgelegt. Das Fahrwerk arbeitet solide. Die Truvativ Hammerschmidt sorgt dank der zwei Übersetzungen in Verbindung mit ProPedal-Unterstützung im Dämpfer trotz des recht hohen Radgewichts für komfortable Uphills. Von ruppigen Trails über intensive Bikeparknutzung bis hin zu kleinen Freeride-Touren ist das 16,5 Kilo schwere Bike für fast alles zu gebrauchen. Für Biker, die gerne alpine Freeride-Touren mit vielen Höhenmetern fahren, ist es nicht gebaut – ebensowenig wie für ambitionierte Downhiller, die Wert auf ein progressives Abfahrtsfahrwerk legen.

Wer sich jedoch vorzugsweise im Bikepark aufhält, sich die Abfahrt gerne durch eigenes Hochfahren verdient, nichts gegen Anstiege im kleinen Gang hat oder einfach von allem ein bisschen mitnehmen will, wird am Canyon Torque 8.0 Dropzone auf jeden Fall seinen Spaß haben.

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