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Feldbeobachtung #1
Marathon-Mania beim Bike-Festival in Willingen

Als rasender Reporter habe ich mich am vergangenen Samstag unter die 2000 Starter beim beliebten Marathon im Hochsauerland gemischt. Okay, „rasend“ ist relativ – um die Atmosphäre im Feld der Ausdauer-Junkies aufzusaugen, musste während meiner Recherche schließlich noch genug Blut ins Hirn strömen und nicht nur in die Beine.

(Foto: Sportograf.de) – Der Fotograf rief noch „Lächeln!“

Angespannte Atmosphäre im Startblock A – rasierte Beine, enganliegende Lycra-Klamotten und getunte Leichtbau-Bikes gehören hier zum Standardrepertoire. Da wirke ich mit T-Shirt und Knieprotektoren etwas deplatziert. Wenigstens habe ich dieses mal ein schickes 100-mm-Fully unter dem Allerwertesten. Aus den Boxen tönt lautstark ACDC, dass mir die Ohren dröhnen und über uns schwebt ein UFO – naja, für viele Besucher könnte es eines sein, doch als Insider erkenne ich natürlich direkt die Foto-Drohne von BIKE-Fotograf Markus Greber. Big Brother is watching you!

Trügerische Stille inmitten der wilden Racer-Bande

Nach dem Startschuss bewegt sich die Masse in den ersten Anstieg, die schnellen Jungs vorne jagen natürlich direkt los als hätte ihnen jemand in den Hintern gestochen. Ich lasse es derweil ruhiger angehen und beobachte meine Mitfahrer. Schnell noch zwei Power-Gels reingeschmissen und schon strampel ich zwischen der Biker-Horde den ersten Berg hoch. Die Stimmung im Feld kommt mir dabei wirklich seltsam vor. Dass ich an diesem Tag in einer solchen Stille bike, hätte ich nicht gedacht. Normal fahre ich meistens alleine und genieße die angenehme Ruhe. Umzingelt von hunderten Bikern hätte ich jedoch eine belebtere Soundkulisse erwartet. Ab und zu ein Hüsteln und sonst nur die Geräusche der Bikes: Summende Reifen, klackernde Schaltwerke und leicht schleifende Bremsen sind nun die bestimmenden akustischen Signale für mein noch eben von ACDC gequältes Trommelfell. Und das bleibt auch meistens bei Überholmanövern so: Ohne Ankündigung drängeln sich einige Fahrer durch die langsameren Zeitgenossen durch, ein kurzes „Links“ zur Bestimmung der Überholspur ist nicht für jeden selbstverständlich. Kommunikation untereinander scheint also bei vielen Marathonisti nicht immer ein großes Thema zu sein.

Mehr als nur Waldautobahnen

Im ersten Drittel der kleinen Runde (50 km und knapp 1500 hm) haben die Streckendesigner ein paar nette Passagen eingebaut, die den Unterschied zu einer Radtouristikfahrt deutlich machen. Denn Fitness alleine reicht mittlerweile auch für einen Massen-Marathon nicht mehr aus. Kurze Steilstücke und nasse Wurzeln machen den weniger geübten Fahrern ziemliche Probleme. Dabei kann man in den besagten Streckenabschnitten die typischen Fehler in vielfacher Ausführung beobachten: Passive Haltung auf dem Bike im Sitzen, zu starkes Bremsen aufgrund mangelnder Bike-Kontrolle und vor allem zu sehr hinterradlastiges Bremsen! Rutschende und schlingernde Hinterräder sind leider keine Seltenheit. Neben der zunehmend unkontrollierten Fahrt sind tiefe Spuren eine Folge dieses Fahrstils. „Leute, benutzt die Vorderradbremse richtig!“, denke ich mir, während ich das traurige Schauspiel von hinten beobachte. Später erzählt mir eine nette Dame vom Orga-Team, dass es dieses Jahr zu vielen Stürzen mit Verletzungsfolgen kam.

Auf und ab im schönen Upland

Die Strecke ist im Vergleich zum Vorjahr weitgehend gleich geblieben, sodass ich stets weiß, was mich noch alles erwartet. Bis auf ein paar Stellen ist es zwar feucht, aber nicht extrem matschig. Den zwischendurch immer wieder eintretenden Nieselregen empfinde ich als sehr angenehm. Die Kühlung bergauf tut gut und der Geruch von Sommerregen erinnert mich an schöne Erlebnisse im Bergischen Land, wo es landschaftlich sehr ähnlich aussieht. Stets geht es auf und ab, längere Flachstücke sind an diesem Renntag nicht vorgesehen. Gut so, schließlich will man als Mountainbiker ja immer wieder sein Belohnungszentrum im Gehirn aktivieren, wenn es nach einem fiesen Anstieg in die schnelle Abfahrt geht. Schmale Singletrails sind beim Marathon in Willingen eine Rarität, zumeist bewegt man sich auf Forstwegen, die jedoch auch gut Laune machen (Stichwort High-Speed-Kick).

Zu zweit macht es doppelt Spaß

Meine Beine geben ab Kilometer 25 ein klares Signal: Chillen ist angesagt! Naja okay, dann ist das Ganze mal wieder eine abgesteckte Tour mit vielen Mitfahrern und guter leiblicher Versorgung. An der ersten Verpflegungsstation stopfe ich also nicht nur fleissig Bananen in meinen Schlund, sondern fülle auch meine Taschen mit vier Energieriegeln – das sollte reichen für den zweiten Teil der Strecke. Beim letzten mal bekam ich kurz vorm Ziel zu spüren, warum Jan Ullrich 1998 bei der Tour de France eingebrochen ist. Ein Hungerast hatte mich erwischt und ich war stehend K.O. – damit mir das nicht erneut passiert hamstere ich dieses mal also was das Zeug hält. Die freundlichen Helfer an der Fress-Station lassen für ein paar Stunden den Marktschreier in ihnen raushängen und bieten ihre Gratisware lautstark an. „Bananen, Riegel, Iso-Drinks!“ – „Gibt es auch Kuchen?“, fragt ein Mädel mit blondem Zopf und wird zum entsprechenden Tisch weitergeleitet. Noch ahne ich nicht, dass mein Rennen ab sofort zu einer schönen Kaffeeklatsch-Runde werden wird. Kurz nach der Station quatsche ich die Kuchen-Kandidatin an und wir kommen ins Gespräch. Von nun an lautet unser renninterner Contest: „Wer schafft es den anderen tot zu labern?“ Das war wirklich spaßig und lenkte mich von meinen müden Beinen ab. Gerade noch bestimmten fiese Vorahnungen auf die Quälereien in den ganzen fiesen Anstiegen mein Denken. Doch jetzt habe ich eine sehr hübsche und gesprächige Rennpartnerin an der Seite. Antje (im Forum unterwegs als „Stompi“) fährt seit drei Jahren Marathon-Rennen und scheint der Sonnenschein in ihrer MTB-Gruppe DDMC Solling zu sein – immer wieder überholen uns ihre Team-Kollegen und rufen uns nette Worte zu. Für das Publikum am Streckenrand ziehe ich ein paar Poser-Wheelies während Antje die Zuschauer mit ihrem weiblichen Charme eh schon auf ihrer Seite hat – wir sind ein echt cooles Duo!

Meine sympathische Flugbegleiterin aus Niedersachsen: Antje aka Stompi!

Ende im Gelände

Da ich also mal wieder recht lahm unterwegs bin, müssen andere Herausforderungen her. Zum Beispiel der matschige und sehr wurzelige Anstieg kurz vor Willingen. Die meisten Fahrer steigen hier ab, was mich natürlich besonders motiviert, es ohne Fuß absetzen zu schaffen. Es läuft gut und dank meiner Erfahrung treffe ich die richtigen Linien. Zum Ende der Runde fühlen sich meine Beine wieder besser an. Ob es an den vier Energy-Gels und fünf Müsli-Riegeln liegt? Oder beweist das von Antje und mir ersonnene Rennmotto „ISO statt EPO!“ seine Realitätsnähe? Kurz vor meinem Zieleinlauf geht es am Ettelsberg durch ein paar Singletrail-Passagen. Ein Fahrer vor mir bewegt seine Hüfte in einer Steilpassage nach vorne statt nach hinten und schlittert unkontrolliert vor mir her. Doch er hat Glück und geht nicht zu Boden. Genau dies macht meine Rennpartnerin und schürft sich dabei das Bein ein bisschen auf. Aber halb so schlimm, sie ist hart im Nehmen und geht im Gegensatz zu mir jetzt noch auf die 96-km-Runde. Am Ende hat sie die Strecke in sechseinhalb Stunden gemeistert und ist somit unter sieben Stunden geblieben. Glückwunsch!

Nächste Woche starte ich bei einem XC-Rennen und berichte im zweiten Teil meiner Feldbeobachtungen von den Geschehnissen auf und abseits der Strecke!

Ein bisschen Posen muss sein…

Wheelie: Marc kommt ins Ziel beim Marathon in Willingen: im IBC TV ansehen

Statement nach der Zieleinfahrt:

Wie war der Marathon?: im IBC TV ansehen

Wer war noch in Willingen am Start? Erzählt mal von euren Erlebnissen und Eindrücken!

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