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29″ Trail-Bikes 2015 – Vergleichstest
die nächste Generation Alleskönner?

Jahrelang schraubte die Industrie den Federweg an den Rädern immer weiter nach oben, getreu nach dem Motto – viel hilft viel. Einige Tourenbikes kamen mit Federwegen um die 160 mm daher, fuhren sich aber bergab deutlich schlechter als richtige Abfahrtsräder und verloren gleichzeitig ihre Stärken bergauf, sodass sie meist einen schlechten Kompromiss beider Welten darstellten.

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Für aggressive Fahrer eigneten sich diese Bikes überhaupt nicht, eher für Komfortsuchende. Auf der Suche nach schnellen Bikes, welche sich gut pedalieren lassen, bergab aber trotzdem wenig Kompromisse eingegangen werden müssen, stießen wir auf die spannende Gattung der XC-Trailbikes. Können die neuen Alleskönner wirklich alles? Wir haben es für euch herausgefunden und werden euch in den kommenden Tagen die Testberichte zu sieben spannenden Trailbikes präsentieren.

Was macht ein Trailbike aus?

Den Spagat zwischen guter Fahrleistung bergauf und bergab zu meistern ist schon immer eines der größten Ziele der Radindustrie. Die „eierlegende Wollmilchsau“, wie sie von vielen Bike-Firmen genannt wird, gibt es aber nicht und wird es wohl auch auch in Zukunft nie geben. Spezialisten werden sich in ihrer Sparte immer wohler fühlen und Allroundbikes in ihrem Element überlegen sein. Die Kompromisse, die der Käufer in Kauf nehmen muss, werden nur immer geringer.

Während Endurobikes bergauf tretbar sind, liegt der Fokus aber dennoch voll auf der Abfahrts-Performance. Bei den Trailbikes ist dieser Schwerpunkt zugunsten einer besseren Fahrleistung bergauf verschoben.

# XC-Trailbikes in ihrem Element - Wie der Name schon andeutet fühlen sie sich abseits von befestigten Wegen am wohlsten.

Was soll ein 29er Trail-Bike eigentlich können?

Der Einsatzbereich eines XC-Trailbikes liegt, wie es der Name schon andeutet, nahe am Einsatzbereichs eines XC-Bikes, aber mit einem erhöhten Schwerpunkt auf Trails. Wer sich anspruchsvolle XC-Strecken anschaut, dem wird klar, dass sich diese Räder nicht vor Steinfeldern, Sprüngen oder künstlichen Hindernissen verstecken müssen, vorausgesetzt die notwendige Fahrtechnik ist vorhanden.

Behält man dies im Hinterkopf wird schnell klar, was ein XC-Trailbike ausmachen soll. Im Vergleich zu einem XC-Racebike sollen die XC-Trailbikes fast genauso gute Kletterer sein, aber eine aggressivere Fahrweise zulassen und vor allem mehr Sicherheit vermitteln.

# Entspannt bergauf - Gerade wenn es technisch wird können Trailbikes sogar reinen XC-Bikes überlegen sein.
# Bergab verspielt aber trotzdem immer kontrolliert - Die progressiven Hinterbauten geben ein gutes Feedback an den Fahrer, was gerade unter ihm passiert.

Dabei richten sich die Räder an Fahrer, die gerne zügig unterwegs sind – bergauf als auch bergab. Die letzte Sekunde soll dabei aber nicht unbedingt herausgeholt werden, hier sind die jeweiligen Spezialisten wieder im Vorteil (XC- und Enduroracebike). Viel eher soll eine subjektiv zügige Fahrweise in jeder Situation möglich sein, ebenso soll auf einem Trailbike in jeder Gruppe mitgefahren werden können. Sei es eine Endurotour mit Freunden oder auch einmal eine tretlastige Ausfahrt mit Kollegen auf XC-Racebikes. Die Strecken sind dabei vorzugsweise technisch und laden zum verspielten und schnellen Fahren ein.

# Gut geeignet für jede Gruppe - XC-Trailbikes sollen nie komplett fehl am Platz sein.

29er Trail-Bikes: Was dahinter steckt

Die Kombination aus guter Up- und Downhill-Performance wird bei Trailbikes durch eine aggressive Geometrie, aber trotzdem wenig Federweg, der allerdings gut genutzt wird, realisiert. Je weniger Federweg, desto weniger Millimeter beträgt der SAG (Negativfederweg) und bei gleicher Kinematik sowie Dämpfung logischerweise auch weniger Hubbewegung während dem Pedalieren. Somit fällt das lästige Wippen, was bergauf als störend empfunden wird, geringer aus. Damit entsteht zumindest bergauf ein Vorteil im Vergleich zu Rädern mit mehr Federweg.

Ein weiterer Vorteil, der das Konzept von Trailbikes erst möglich gemacht hat, sind zwei wichtige Entwicklungen der letzten Jahre: 1-fach Antriebe und Variostützen.

# Kurze Anstiege sollen problemlos im Wiegetritt überwunden werden können - Fast alle Hersteller verbauen an den Trailbikes 1fach Antriebe, was ein einfacheres Verhindern von Wippbewegungen ermöglicht.

Durch die 1-fach Antriebe kann der Hinterbau genau auf eine Kettenblattgröße ausgelegt werden und muss nicht mehr einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Blättern bieten. Dadurch kann die Hinterbaukinematik so ausgelegt werden, dass ein Pedaleinfluss wirkungsvoller unterdrückt wird. Dies ist zwar auch bei anderen Rädern so, macht es aber trotz allem einfacher, ein Allroundbike zu bauen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Variostütze. Um bergab nicht hinter anderen Bikes hinterher zu fahren, weisen Trailbikes meiste eine aggressivere Geometrie auf. Das bedeutet hauptsächlich, dass der Lenkwinkel flacher, der Reach länger und der Hinterbau ein wenig länger wird. Gleichzeitig wird der Sitzwinkel steiler, um nicht zu gestreckt auf dem Rad zu sitzen – dies führt dazu, dass der Sattel in Abfahrten genau dort ist wo er nicht sein soll: im Weg.

Hier kommt die Variostütze ins Spiel, die ein schnelles Absenken des Sattels aus der Gefahrenzone möglich macht. Einige Hersteller verzichten bei einigen Einsteigermodellen auf eine variable Stütze – unserer Meinung nach ein absolutes No-Go.

Der letzte und vermutlich wichtigste Aspekt bei einem guten Rad ist aber das Federungssystem: Während die bisher bekannten 120 mm Bikes, oft als Tourenbike bezeichnet, mit einer linearen soften Federkennlinie auf Komfort abzielen, kommen die meisten Trailbikes deutlich progressiver und straffer daher.

# Egal was der Untergrund hergibt - Reinhalten und durch. Die Geometrie vermittelt viel Sicherheit und der Hinterbau tut sein übriges.
# Variostützen machen das Konzept erst möglich - Durch den recht steilen Sitzwinkel, kann der Sattel auf Abfahrten nicht oben gelassen werden.

All diese Faktoren machen es möglich, dass sich die 120 mm Bikes fast überall wohlfühlen.

Das Anforderungsprofil auf den Punkt gebracht

Fassen wir den Einsatzbereich von 29er Trail-Bikes grob zusammen:

Das perfekte 29er Trail-Bike für den Einsatz in Mitteleuropa bietet demnach folgende Eigenschaften:

Der Test: Alle Infos zur bevorstehenden Testserie

# Die Trail rund um Latsch boten ideale Bedingungen für einen Vergleichstest.
# Von schnellen flowigen Strecken bis zu selektiven Trails boten die Trails rund um Latsch und Bozen alles womit ein Trailbike klarkommen sollte.

Diese Bikes hatten wir im Test

Wo und wie haben wir getestet?

Um bestmögliche Testergebnisse sowie Vergleichswerte zu erzielen, fuhren wir mit allen Rädern zu einem mehrwöchigen Aufenthalt nach Latsch im Vinschgau/Südtirol.

Um aussagekräftige Vergleichseindrücke zu sammeln war es uns wichtig, dass alle Räder auf unterschiedliche Trails  getestet wurden, um ein möglichst großes Spektrum an Bedingungen abzudecken. Die meisten Räder bevorzugen, je nachdem in welchem Gebiet die Herstellerfirma zuhause ist, unterschiedliche Einsatzbereiche und Strecken. Diese können von gebauten Flowtrails über Steinfelder bis zu naturbelassenen, technisch schwierigen Singletrails gehen. Da wir in diesem Test ausdrücklich den besten Allrounder herausfinden wollten, fuhren wir hauptsächlich die bekannten Latscher Trails „Tschilli-Trail“, „Holy-Hansen“ und den „Propain-Trail“. Für alle die sich jetzt fragen, warum ein Trailbike auf zum Teil heftigen Enduroabfahrten getestet wurde, denen sei gesagt, dass Schwächen in solch einem Testprozedere viel schneller herausgefunden werden können und die unterschiedlichen Stärken deutlicher zu Tage kommen. Immer wieder wurde zwischen den Rädern getauscht, um klare Vergleiche ziehen zu können und entstandene Unsicherheiten bei den Testeindrücken auszuschließen.

Einige Räder wurden nach dem aufwendigen Vergleichstest in Latsch weiter auf den Hometrails der Tester gefahren, um weitere Eindrücke zu sammeln.

Wer hat getestet?

Test-Redakteur Dommaas

  • Körpergröße: 1,71 m
  • Gewicht (fahrfertig): 65kg
  • Schrittlänge: 81 cm
  • Armlänge: 60 cm
  • Oberkörperlänge: 54 cm
  • Fahrstil: aufrecht, leicht hinter dem Sattel; saubere und flüssige Linien
  • Was fährst zu hauptsächlich: XC über Marathon bis hin zu Trail und leichtem All Mountain
  • Vorlieben bezüglich des Fahrwerks: straff und möglichst antriebsneutral (gerne progressiv), schnelle Zugstufe
  • Vorlieben bezüglich des Rahmens: kurzer Hinterbau, nicht zu flacher Lenkwinkel (gestreckte Sitzposition)

Test-Redakteur und Fotograf Jens Staudt

  • Körpergröße: 190 cm
  • Gewicht (mit Riding-Gear): 92 kg
  • Schrittlänge: 91 cm
  • Armlänge: 58 cm
  • Oberkörperlänge: 56 cm
  • Fahrstil: Schnellste Linie, auch wenn es mal ruppig ist
  • Was fährst zu hauptsächlich: Singletrails, sprunglastiger Localspot, Freeride, DH
  • Besondere Vorlieben bzgl. Fahrwerk: Straff, gutes Feedback vom Untergrund, viel Druckstufe, progressive Kennlinie
  • Besondere Vorlieben bzgl. Rahmen: Kettenstreben nicht zu kurz ( ca. 430 mm), Lenkwinkel tendenziell eher flacher

Test-Redakteur Maxi

  • Körpergröße: 1,81 m
  • Gewicht (fahrfertig): 80 kg
  • Schrittlänge: 88 cm
  • Armlänge: 62 cm
  • Oberkörperlänge: 59 cm
  • Fahrstil: rustikal, aggressiv und schnell; immer auf der Suche nach der schnellsten Linie; nutzt das Gelände für sich
  • Was fährst du hauptsächlich: Singletrails im Voralpenland mit dem Trail- und XC-Bike; abfahrtsorientiertes Enduro; Downhill im Bikepark
  • Vorlieben bezüglich des Fahrwerks: ca. 25 – 30 % SAG am Heck, deutlich straffere Front; Zugstufe allgemein sehr schnell; allgemein viel LSC; vorne gern mit viel Progression
  • Vorlieben bezüglich des Rahmens: Abhängig vom Einsatzzweck: für den verspielten Einsatz = vorne lang, hinten kurz // für den Speed-orientierten Einsatz: vorne lang, hinten Mittelmaß
  • Persönliche Anmerkung: Es lässt sich erst dann die volle Leistung eines Bikes abrufen, wenn das Rad in jedem Punkt perfekt an den Fahrer angepasst ist.

Tester Christian

  • Körpergröße: 1.98 cm
  • Gewicht (fahrfertig): 105 kg
  • Schrittlänge: 88 cm
  • Armlänge: 70 cm
  • Oberkörperlänge: 74 cm
  • Fahrstil:  Lieber mit dem Gelände spielen als die schnellste Linie fahren, wenn es auch mal ruppiger ist!
  • Was fährst du hauptsächlich:  Hometrails in Bad Kreuznach und Singletrails in den Alpen gerne auch mit Hochtreten!
  • Vorlieben bezüglich des Fahrwerks: Relativ straff und progressiv für mehr Spaß auf dem Singletrail
  • Vorlieben bezüglich des Rahmens: Haltung sollte eher aufrecht als gestreckt sein (Rücken). Ansonsten zentrale Position im Bike und tiefes Tretlager

Tester Andreas

  • Körpergröße: 1,80 m
  • Gewicht (fahrfertig): 72 kg
  • Schrittlänge: 80 cm
  • Armlänge: 60 cm
  • Oberkörperlänge: 65 cm
  • Fahrstil: aufrecht, leicht hinter dem Sattel; saubere und flüssige Linien, mit einem abfahrtsorientierten Bike aber auch verspielte Linien
  • Was fährst zu hauptsächlich: Marathon über XC bis hin zu Trails mit Vertriding-Anteilen und in letzter Zeit vereinzelte Bikepark-Besuche
  • Vorlieben bezüglich des Fahrwerks: straff und möglichst antriebsneutral (gerne progressiv), schnelle Zugstufe
  • Vorlieben bezüglich des Rahmens: kurzer Hinterbau, steiler Sitzwinkel, mittlerer Lenkwinkel

Fabi Haug (Team-Mechaniker Focus XC World Cup Team)

  • Körpergröße: 180 cm
  • Gewicht (fahrfertig): 80 kg
  • Schrittlänge: 87 cm
  • Armlänge: 70 cm
  • Oberkörperlänge: 64 cm
  • Fahrstil: zentral, viel übers Vorderrad. Beim Enduro technisch und präzise. Im Downhill möglichst direkte Linien.
  • Was fährst du hauptsächlich: Enduro technisch, hochalpine Touren. Verblockt rockt! Downhill möglichst grobe Strecken.
  • Vorlieben bezüglich des Fahrwerks: straff, Front härter als Heck, langsame Zugstufe
  • Vorlieben bezüglich des Rahmens: langes Oberrohr, kurzes Heck. Nicht zu flacher Lenkwinkel

Alle Artikel zum 29er-Vergleichstest findet ihr hier:


Text & Redaktion: Thomas Fritsch, Johannes Herden, Thomas Paatz | MTB-News.de 2015
Bilder: Jens Staudt

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