XC-Dauersieger Michael Bonnekessel im IBC-Interview

Der amtierende deutsche Cross-Country-Meister (Masters-2-Klasse) engagiert sich als Sportlehrer für den MTB-Nachwuchs und organisiert nebenbei eine eigene Rennserie.
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Foto von Herbert Mark – www.markfoto.de

Hi Bonne, stell dich doch mal bitte kurz den IBC-Usern vor.

Ich heiße Michael Bonnekessel, bin mittlerweile 42 Jahre alt und habe zwei Kinder. Mit meiner Frau bin ich über 10 Jahren verheiratet. Ich arbeite hauptberuflich als Lehrer und fahre als Lizenzfahrer in den Disziplinen Cross-Country und Marathon.

Du hast relativ spät angefangen, ambitioniert zu biken. Wie bist du zum MTB-Sport gekommen?

Nach meinem Abitur und einer Lehre als KFZ-Mechaniker habe ich mich entschieden Lehrer zu werden. Ich habe dann sechs Jahre in Aachen studiert und mein Staatsexamen absolviert. Während dieser Zeit habe ich viel zunächst Fußball gespielt, bis mich ein Kumpel im Jahr 1995 mit zum Biken geschleppt hat. Er hatte ein neues Stevens-Bike, während ich auf einem schweren Leihrad unterwegs war. Am Berg ist er dann weggefahren und musste oben warten – nach dieser Erfahrung entschloss ich mich, mir ein eigenes Bike zu kaufen, was ich im gleichen Sommer dann auch tat. Mit meinem selbst erarbeiteten Geld holte ich mir ein Scott-Bike für 1600 D-Mark. Als meine Kumpels dann nach Münster wechselten war ich mit dem Bike alleine und fuhr viel im Aachener Stadtwald. Dies war mir zu dieser Zeit sehr wichtig und gab mir viel Halt während des lernintensiven Studiums.

Wie bist du vom Freizeit-Biker zum siegeshungrigem Rennfahrer geworden?

Mein erstes Rennen bin ich 1996 gefahren und habe den Zehnten Platz erreicht, also von 40 Startern (grinst). Im Folgejahr war ich dann bei zwei Rennen am Start und im Jahr danach dann sechs Mal – ab 1999 wuchs die Zahl der Rennen dann auf über 25 Stück. Als ich anfing mit den Rennen, war Jan Ullrichs Tour-Sieg ein wichtiger Einfluss. Schon als Kind habe ich zu den Radprofis aufgeschaut und bin dann auf dem Weg zum Tennistraining immer über Umwege geradelt. Damals wusste ich natürlich nicht, welche Rolle der Radsport einmal für mich spielen wird. Während des anstrengenden Studiums machte mich das Biken erstmals richtig glücklich und gab mir das Gefühl, das Richtige zu tun und selbständig zu sein.

Hattest du während deiner Anfangszeit schon Sponsoren und Unterstützer?

Ganz wichtig war mein Kumpel Ralf Below, der mich zu etlichen Rennen in seinem Auto mitgenommen hat, obwohl dies einen erheblichen Umweg für ihn bedeutete. Von 2000 bis 2005 wurde ich von Ghost Bikes gesponsert, es begann mit einem Co-Sponsoring und entwickelte sich kontinuierlich weiter. Mittlerweile fahre ich für Poison Bikes, die mir sehr gute Räder stellen.

Wann hast du gemerkt, dass du mehr kannst als nur mitzufahren?

Ich habe ja schon recht früh kleinere Siege eingefahren, zum Durchbruch kam es jedoch erst mit den ersten Erfolgen in der Lizenzklasse. Vorher habe ich gerne ausgiebig gefeiert, also auch vor den Rennen. Das ging soweit, dass ich mich einmal während des Rennens übergeben musste (lacht). Die Anfahrten zu Rennen habe ich teilweise mit dem Rad zurückgelegt und war am Start dann nicht mehr ganz frisch. Um meine vielen Siege erreichen zu können, musste ich etwas ändern. Meine Erfolge im sportlichen Wettkampf haben mir viel Erfahrung und Selbstbewusstsein gegeben, also auch für das Alltagsleben. Als hauptberuflicher Lehrer kann ich zwar während meiner Dienstzeit durch mein selbst entwickeltes Fach „Handwerk, Sport und Kommunikation“ viel Zeit mit dem MTB verbringen, kann aber als Rennfahrer nur 80 Prozent des Möglichen leisten, da die Trainingsfahrten mit den Schülern andere Schwerpunkte haben als mein eigenes Training. Das ist aber okay, wenn die dann die Siege einfahren.

Was war dein sportliches Highlight während deiner bisherigen Karriere?

Zunächst sicherlich mein erster Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Wetter an der Ruhr 2007. Ich startete damals noch in der Master-1-Klasse. Der erneute Gewinn 2009 steht dem natürlich in Nichts nach. Überschwänglich vor Glück feierte ich mit Max Friedrich (Gewinner DM 2009 Master-1) bereits in der Umkleide, als wir auf die Dopingprobe warteten. Der Hauptsponsor der DM, Rothaus (Anm. d. Red.: Getränkehersteller), hatte für jeden Sieger ein gefülltes Zwei-Liter-Weizenbier ausgegeben. Was das bei zwei durchtrainierten Sportlern, die gerade ein Rennen gefahren sind und nur wenig gefrühstückt hatten, für Auswirkungen hat, kann sich sicherlich jeder vorstellen. Wir hatten natürlich Betreuer, die uns nach Hause gefahren haben. An die Rückfahrt kann ich mich aber nicht mehr erinnern, Max denke ich auch nicht … (Bonne lacht).

 

Rolle vorwärts im Zieleinlauf! Bonne freut sich über seinen zweiten DM-Titel

Foto von Herbert Mark – www.markfoto.de

Bekommst du als Racer Gehalt für deine Siege?

Häufig bekomme ich bei den Rennen Sachpreise als Siegprämien, die ich jedoch dann an meine Schüler weiterverschenke. Meine Sponsoren stellen mir als Racer das benötigte Material. Als Organisator einer eigener MTB-Rennserie bemühe ich mich stetig Geldgeber von der Rennserie zu überzeugen, sodass sie sich für unseren Sport engagieren. Die Wirtschaftskrise hat aber auch hier gravierende Auswirkungen. Es ist mir aber gelungen den Hauptsponsor German-A mit einem neuen Konzept zu halten. Genaueres werde ich später auf der Cup-Homepage www.rheinland-mtb-cup.de veröffentlichen, die momentan überarbeitet wird. Mein Webmaster Dirk Petscheleit hat ein völlig neues Design entworfen, das für Frische sorgen wird.

Wie lief die Rennsaison 2009 rückblickend für dich?

Wie ich in einem früheren Interview bereits angekündigt hatte, wollte ich noch einmal versuchen Deutscher Meister zu werden. Daher wollte ich nicht zu früh in Topform sein. In der Frühsaison habe ich einige Niederlagen hinnehmen müssen. Aber je näher die DM kam, desto besser lief es. Ein Highlight war auch meine Teilnahme an der Marathon-DM in Garmisch. Ohne lange Trainingseinheiten konnte ich hier bei übelsten Wetterbedingungen Rang vier erreichen. Und dann passierte es ja wieder: Deutscher Meister – mein Wunsch ging in Erfüllung. Möglich war dies nur weil alles passte: Mein Wetter (Regen und tiefer Schlamm), gezielte Vorbereitung, mein dreiköpfiges Betreuerteam (Jörg Schmidt, Pepe und Frank Rahl) und das richtige Setup des Bikes (Schwalbe´s Dirty Dan und die absenkbare Sattelstütze “Gravity-Dropper“).

Wie ist der Kontakt mit deinem Bike-Sponsor Poison zustande gekommen?

Ich arbeite mit dem MTBvD zusammen (Anm. d. Red.: Mountainbike Verband Deutschland) und bin dann durch deren Kooperation mit Poison mit ihnen an einen Tisch gekommen. Durch meine Präsenz in den Bike- und Lokal-Medien als Dauersieger bin ich ein guter Werbeträger für Bike-Firmen. Meine Arbeit als Lehrer und mein Engagement sind ebenfalls Punkte, die mich für Sponsoren interessant machen. Mir geht es auch viel um Jugendförderung, einem enorm wichtigen Bereich im Bike-Sport. Ich habe zum Beispiel einen meiner talentiertesten Schüler, Pepe Rahl, an das MTBvD Racing Team vermittelt.

Wo liegen die Probleme bei der Nachwuchsförderung im deutsche MTB-Rennsport?

Einerseits fehlt es meiner Meinung nach an Vorbildern, denn Mountainbiken ist gesellschaftlich noch nicht wirklich etabliert, da es zu wenig Präsenz in den Medien erhält. Im Vergleich zum Wimbledon-Triumph von Boris Becker verpufft Sabine Spitz‘ Sieg bei den Olympischen Spielen geradezu. Nur Insider aus der Szene kennen Spitz, während damals alle anfingen Tennis zu spielen.

Der andere Punkt ist, dass die jungen Athleten bei ihrem Wechsel in höhere Altersklassen regelrecht alleine gelassen werden. Da ihnen der Sport keine ausreichende Perspektive gibt, machen sie nebenbei eine Ausbildung bzw. ein Studium. Diese Doppelbelastung verhindert, dass die vorhandenen Talente international mithalten können. Viele lassen dann auch ganz vom Sport ab. Um die Behebung dieser Missstände müssen sich die Verbände kümmern.

Welche Strategie verfolgst du bei der Förderung von Jugendlichen?

Ich möchte mit meiner Arbeit Jugendliche zum Sport bewegen, denn dieser stärkt bei den Teenagern das Selbstbewusstsein und holt sie von der Straße oder der Playstation. Im Bike-Sport hat man im Vergleich zu Fußball und anderen Sportarten sein Schicksal in der eigenen Hand. Für meine Schüler deckt mein Unterricht gleich mehrere nützliche Bereiche ab: Gesundheit, Sport, handwerkliches Geschick und Technik sowie Arbeiten an Internetprojekten.

Wenn du bei einem Rennen am Start stehst und dich umschaust – glaubst du, dass auch in der Hobby-Szene gedopt wird?

Ich würde für keinen Athleten meine Hand ins Feuer legen. Grundsätzlich finde ich es jedoch unfair, dass Mountainbiken von vielen Leuten mit dem Straßenradsport unter einen Hut gesteckt wird – dabei sind es erst die Millionensummen im Rennradsport, die solche Doping-Praktiken möglich machen. In der XC-Rennszene kennt man sich untereinander gut und plötzliche Leistungsanstiege würden direkt auffallen. Ich glaube, dass hält viele von unerlaubten leistungssteigernden Mitteln ab. Bei mir selber wäre so ein Fall eh katastrophal: Als Lehrer und Rennfahrer würde ich meine Existenz komplett ruinieren.

 

Keine Angst für Sprüngen – Bonne fährt gerne Freeride, hier jedoch XC:

Bekommst du den Unmut der Zuschauer über die Dopingskandale auch als Biker zu spüren?

Manchmal kommt ein Spruch, der dann halb ernst und halb spaßig gemeint ist. Aber wenn ich die Blicke der Leute sehe, habe ich schon manchmal das Gefühl, dass sie mich eventuell unter Generalverdacht stellen. Schließlich gewinne ich viele Rennen.

Was muss sich am XC-Sport ändern, damit das Format spannender für die Zuschauer wird?

Momentan ist es häufig so, dass im Rennverlauf ein starker Fahrer nach vorne fährt und dann auch gewinnt. Für viele im Publikum ist dieser Fahrer meistens auch keine bekannte Person. Zudem kommt die Steilheit mancher Streckenabschnitte auf TV-Bildern nicht rüber. Es müsste also wie beim Biathlon ein spannungsförderndes Element hinzukommen – also statt Schießen zusätzliche trialige, fahrtechnische Passagen, bei denen es für Fuß absetzen und andere Fehler Zeitstrafen oder ähnliches gibt.

Der MTB-Sport ist sehr vielseitig in seinen Disziplinen – wie siehst du die Entwicklung der einzelnen Spezialbereiche?

Unser Sport gliedert sich definitiv weiter auf und die Fahrer spezialisieren sich auf ihre Disziplin. Die Tage wo Mike Kluge an einem Wochenende XC- und Downhill im Worldcup gefahren ist, sind schon lange vorbei. Am ehesten miteinander verwandt sind meiner Meinung nach XC und Marathon. Für meinen Teil fahre ich auch gerne Freeride und will mir auch noch ein Dirtbike zulegen.

Wie beurteilst du die Grabenkämpfe zwischen den einzelnen Disziplinen?

Ich glaube das wird immer schlimmer. Dabei ist es schwachsinnig andere niederzumachen, in deren Disziplin man selber wohl nichts drauf hat. Gerade die Abwechslungsmöglichkeiten machen unseren Sport aus und bieten viele verschiedene Optionen für spaßiges Training. Mein Motto lautet da „Alles mischen!“ Mit meinen Kumpels versuche ich auf meinem Freerider auch mal Sprünge und Steilstufen und überwinde dabei meine Angst. Die lachen mich dann meistens aus, wenn ich mit aufgeblasenen Backen zum Sprung ansetze.

Was ist deine momentane Prognose für den XC-Sport in den nächsten Jahren?

Für XC-Fahrer wird es aufgrund des schlechten Images des Radsports schwerer werden Sponsoren zu finden, wir werden also auch unter den Dopingskandalen leiden. Im Breitensport sieht es jedoch anders aus, denn beim Marathon sind die Starterzahlen ungebrochen hoch. Für viele sind diese Veranstaltungen geführte Touren mit Erlebnisfaktor, das wird weiter wachsen. Wachsende Starterfelder bei den XC-Rennen sind nur möglich, wenn es uns gelingt mehr Kinder an den Sport heranzuführen und es schaffen die Freude an unserem Sport zu erhalten, besonders während der „Ich werd Erwachsen-Phase“ (Lehre, Studium, Party, Alkohol, Moped, etc.).

Rennfahrer und Organisator in Personalunion

Was planst du für deinen Cup im Jahr 2010?

Mit dem Namen „Rheinland MTB Cup“ und neuen Sponsoren möchte ich ordentlich Gas geben und lege dabei besonders viel Wert auf die Jugendförderung. Mehr zum Cup und die Anmeldung gibt‘s im Internet unter: http://www.rheinland-mtb-cup.de

Und was wünscht du dir für die kommende Saison?

Ich wünsche mir für die Zukunft, dass ich gesund bleibe und dass ich die Freude am Mountainbiking nicht verliere. Dazu ist natürlich wichtig, dass ich weiterhin erfolgreich bin.

Danke für das Gespräch und viel Glück für die kommende Saison!

(Interview: Marc Brodesser / Erschienen in der Bike Sport News)

18 Kommentare

» Alle Kommentare im Forum
  1. Was haben jetzt elektronische Liegen mit MTB zu tun?
    Das im Interview die Rede davon ist man müsse die Leute von der Playstation wegholen und mit diesem Satz der Eindruck entsteht das da mal pauschal etwas in eine falsche Ecke gerückt wird weil man evtl. eine eingefahrene Meinung hat.

    Meint ihr lieber das hauptberufliche Zocken fördern als den MTB Sektor?
    Darüber will ich mir kein Urteil erlauben. Es soll jeder das tun wonach ihm ist solange er keinem anderen übermäßig damit auf den Wecker geht.
  2. Stimmt mit dem Ergometer! Das ist durch die vielen Möglichkeiten sehr abwechselnd und kann mit Rolle fahrern nicht verglichen werden, obwohl man sich real natürlich nicht von der Stelle bewegt ...im Anhang ein paar Snaps. Die Goolgle-Snaps sind vom Col de Galibier und die Videosnaps von der Lombarbei-Rundfahrt. Die MTB-Strecken sind leider nicht so zahlreich und auch nicht so schön.

    Gruß Bonne

  3. Das im Interview die Rede davon ist man müsse die Leute von der Playstation wegholen und mit diesem Satz der Eindruck entsteht das da mal pauschal etwas in eine falsche Ecke gerückt wird weil man evtl. eine eingefahrene Meinung hat.

    Im Interview ging es nicht um "Leute" sondern um Teenager. Und da ist es erwiesenermaßen nun mal nicht besonders förderlich für deren geistige und körperliche Entwicklung, wenn sie ihre Freizeit hauptsächlich vor Playstation und Co verbringen.
  4. Paßt zwar gerade nicht zum Kontext, aber... Leistung 350Watt, Puls 147...smilie Kann ich das auch irgendwann? Sind deswegen so Leute wie Du teilweise 3 Stunden vor mir im Ziel?

  5. Paßt zwar gerade nicht zum Kontext, aber... Leistung 350Watt, Puls 147...smilie Kann ich das auch irgendwann? Sind deswegen so Leute wie Du teilweise 3 Stunden vor mir im Ziel?

    Bei 6,7 % Steigung!smilie
    Das Watt/Herzfrequenz-Verhältnis ändert sich aber, wenn "Mann" erstmal die "50" überschreitet! Dann werden die Wattzahlen kleiner und die HF dafür größer, wobei das max Limit sinkt.smilie

    Aber von den Werten her könnte er mit TOP-Fahrer, wie Sam und Platt mithalten!
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