Die Protagonisten in unserem Test sind das Raaw Madonna, das Orbea Rallon und das YT Capra 29 CF: Alle bieten große Laufräder, gestreckte Geometrien und ein breit einstellbares Fox-Fahrwerk. Nur das Madonna verfügt über einen Aluminium-Rahmen, Capra und Rallon kommen nahtlos als Carbon-Varianten.
Wie aber soll man wissen, welches der Enduro-Bikes einem am besten für den eigenen Einsatzzweck taugt? Dem YT Capra konnten wir im ersten Test schon eine sehr gute Performance auf dem Trail bescheinigen. Uns interessierte, inwieweit diese Leistungsfähigkeit sich im Dauereinsatz in einem breiteren Einsatzspektrum schlagen würde. Orbea bescheinigt dem Rallon ebenjenen sehr breiten Einsatzbereich von Enduro-Rennen bis hin zum Hometrail – ein vollmundiges Versprechen. Zu guter Letzt stellt sich das Raaw Madonna als ein idealer Begleiter für schnelle Fahrweise durch grobes Gelände vor. Neben sehr guter Haltbarkeit war dem Raaw-Entwickler auch wichtig, sich die Abfahrt entspannt selbst verdienen zu können – die Geometrie und vor allem der Sitzwinkel sind entsprechend darauf ausgerichtet.
Die Bikes – Infos und Preise
Laufradgröße | Federweg vorne | Federweg hinten | Rahmengewicht | Preis | |
---|---|---|---|---|---|
Raaw Madonna | 29" | 160 mm | 160 mm | 3,7 kg (M) | Rahmenset ab 2.690 € |
Orbea Rallon | 29" | 160 mm | 150 mm | 2,58 kg (M) | Bike ab 4.499 € |
YT Capra 29 CF | 29" | 170 mm | 170 mm | 2,8 kg (M) | Rahmenset ab 2.299 € Bike ab 3.699 € |
Tipp Race: Orbea Rallon

Farbenfroh und mit massiv ausgeführtem Carbon-Rahmen begeistert der spanische Flitzer allein schon optisch. Durch die Fertigung in Europa und ein Direkt-Vertriebs-Modell steht dem geneigten Kunden eine Vielzahl an Möglichkeiten offen, diese sind individuell bei der Bestellung wählbar. Zusätzlich kann man sich neben den Basis-Ausstattungen auch zwischen verschiedenen Dämpfern entscheiden. Damit sind aber nicht nur Luftdämpfer gemeint: Eine progressive Kennlinie ermöglicht ebenfalls den Griff zu Stahlfeder-Varianten.
Sämtliche Züge sind intern verlegt und so fällt erst bei genauerem Hinsehen auf, dass der Rahmen für das elektronische Fahrwerk Fox Live vorbereitet ist. Im Hauptrahmen findet trotz Dämpfer mit Ausgleichsbehälter eine Wasserflasche Platz, auch ein Klettband mit Schlauch und CO₂-Kartusche kann leicht untergebracht werden. Bei der Geometrie zeigt man sich im Hause Orbea für dieses Testfeld etwas konservativer: Die Reach-Werte reichen von 430 bis 485 mm, die Kettenstreben-Länge liegt durchgängig bei 435 mm.
Zum ausführlichen Test: Orbea Rallon im Test: Strammes spanisches Chamäleon
Mit dem Rallon hat Orbea ein wirklich heißes Eisen im Feuer! Anpassbar ab Werk mit verschiedensten Dämpfervarianten und einem sehr guten sowie breit abstimmbaren Fahrwerk kann man freudestrahlend auf einer Vielzahl unterschiedlichster Trails unterwegs sein. Das Orbea Rallon besticht durch ein sehr direktes Handling und hervorragende Klettereigenschaften. Kritik kann man höchstens mit persönlichen Vorlieben und der fehlenden Rahmengröße XXL begründen. In Summe ein hervorragendes Bike!

Pro / Contra
Stärken
- Trotz "Enduro" ist man schnell auf dem Berg
- Direktes Handling
- Sehr viel Bewegungsfreiheit durch niedrige Überstandshöhe und kurzes Sitzrohr
- Sehr gutes und breit abstimmbares Fahrwerk
- Custom-Optionen wie Farb- und Dämpferwahl
Schwächen
- Gripfanatiker wünschten sich etwas mehr Nachgiebigkeit im hinteren Rahmendreieck
- Bremsen könnten für schwere Fahrer stärker sein
- Kein XXL-Rahmen
Tipp Freeride: Raaw Madonna

Die junge Firma Raaw von Ruben Torenbeek tanzt mit dem Madonna etwas aus der Reihe. Es verfügt über einen Aluminium-Rahmen mit komplexen Features wie einem Werkzeugfach im Ober- und einer Vertiefung im Unterrohr, in dem ein Klettband mit Schlauch, eine kleine Windjacke oder eine CO₂-Kartusche verstaut werden können. Halterung für eine Wasserflasche? Auch die ist montierbar. Wie auch das Capra verfügt das Madonna über mitwachsende Kettenstreben. Das bedeutet, dass mit steigender Rahmengröße der Hinterbau länger wird. Je 5 mm Zuwachs sind beim Sprung zur nächsten Größe zu verzeichnen. Unser Testbike in Größe XL verfügt bei einem Reach-Wert von satten 500 mm über 450 mm lange Kettenstreben.
Zum ausführlichen Test: Raaw Madonna im Test: Ein neuer roher Stern am Enduro-Himmel
Mit dem Raaw Madonna hat sich ein neuer, spannender Ansatz im breit gefächerten Enduro-Segment auf den Markt positioniert: Besonders Fahrer, die sich die Abfahrt gemütlich selbst verdienen wollen, dürften die entspannte Sitzposition im Uphill schätzen. Bergab wartet der Rahmen mit viel Steifigkeit und Reserven für harte Landungen auf. Beim Setup sollte man sich Zeit lassen und die ab Werk angebotenen Dämpfer-Optionen mit den persönlichen Vorlieben abwägen. Ist alles passend abgestimmt, verträgt das Madonna auch hartes Gelände ohne jegliches Murren.

Pro / Contra
Stärken
- Schöne Detaillösungen am Rahmen für Werkzeug und Ersatzteile
- Vertrauenerweckende Rahmenkonstruktion
- Harte Landungen werden sehr gut weggesteckt
Schwächen
- Präzise Linienwahl erfordert viel Aufwand vom Fahrer
- Übersetzungsverhältnis für schwere Fahrer etwas hoch
Tipp Downhill: YT Industries Capra 29 CF Pro

YT nimmt zwar mit dem neuesten Bike in der Dreier-Reihe teil, verfügt aber mit dem Capra schon über eine vergleichsweise lange Historie. Ein neu entwickelter, wuchtiger Rahmen mit innenliegenden Zügen bildet die Basis des Capra. Die Reach-Werte sind gegenüber des Vorgängers zwar nicht stark gestiegen, dafür gibt es nun eine zusätzliche Größe: Mit XXL knackt der Versender einen Reach von 500 mm. Auch die Kettenstreben wachsen mit, die Geometrie wurde aktualisiert. Wermutstropfen für Rucksackverweigerer: die fehlende Möglichkeit, eine Wasserflasche am Rahmen montieren zu können. Platz für ein Klettband für minimalistische Schlauch-Minitool-Kartuschen-Anhänger ist indes reichlich gegeben.
Zum ausführlichen Test:YT Capra 29 CF Pro Race im Test: Fränkischer Silberpfeil mit Dampflokqualitäten
Das YT Industries Capra CF Pro brilliert mit einem extrem satten Fahrwerk und solidem Gesamtkonzept: Es ist lässt sich für die Abfahrt breit abstimmen und muss sich auch im Uphill nicht verstecken. Selbst wenn die Tage im Sattel mal länger werden, hilft die breite Übersetzung, eine Extra-Runde dranzuhängen. Nachteile? Fast keine – außer vielleicht, dass man sich nach dem Kauf ernsthaft überlegt, in ein Gebiet mit mehr Tiefenmetern umzuziehen.

Pro / Contra
Stärken
- Extrem sattes Fahrwerk
- Laufruhe
- Preis-Leistung
- Sehr stimmiges Design
Schwächen
- Sitzwinkel schränkt extreme Langbeiner bei der Größenwahl ein
- Montage eines Flaschenhalters nicht möglich
Auf den Punkt gebracht
Fassen wir die Anforderungen an unsere drei Bikes in unserem Vergleichstest noch einmal zusammen:
Lastenheft: Enduro-Bikes
- Kletterfähigkeit Moment mal? Bergauf? Enduro-Bikes sind immer ein Kompromiss. Es gilt herauszufinden, ob die Stärke des jeweiligen Rades eher in der Auf- oder der Abfahrt liegt. Denn all die Downhill-Performance bringt dem Nutzer wenig, wenn sich der Spaß nur sehr hart erarbeiten lässt oder man im schlechtesten Fall lieber den Lift nutzt als die eigenen Beine.
- Beschleunigung Ein Mountainbike ist ein Sportgerät, betrieben mit der eigenen Muskelkraft des Fahrers. Wer vom Fleck kommen möchte, muss also erstmal Arbeit verrichten. Ein weniger steifer Rahmen schluckt die mühsam antrainierte Wattpower im Antritt.
- Präzision Richtungswechsel sind ein essenzieller Bestandteil beim Biken. Ähnlich wie bei der Beschleunigung sollte der Fahrerinput auch ideal auf das Bike übertragen werden.
- Komfort Dieser Punkt ist vermutlich der, der am unterschiedlichsten von den Herstellern ausgelegt wird. Wenn ein Rad kompromisslos im Renneinsatz bewegt werden soll, so wird man insbesondere beim Komfort Abstriche machen müssen – alles zugunsten von mehr umgesetzter Kraft und Präzision bei der Linienwahl. Besonders bei langen Ausfahrten oder mehrtägigen Biketrips verlangt ein steiferer Rahmen eine höhere Fitness vom Fahrer.
- Grip Letztendlich muss ein Kompromiss aus Komfort, Beschleunigung, Präzision und Grip gefunden werden. Im Idealfall definiert ein Hersteller diese Werte an den Einsatzzweck angepasst.
- Abfahrtswertung Wer zu Enduro-Bikes greift, wird den Uphill zwar nicht scheuen – aber den Fokus doch eher in der Abfahrt sehen. Dabei steht nicht bei jedem die schnellstmögliche Zeit im Vordergrund, auch Sicherheit und Komfort spielen eine wichtige Rolle. Wir haben die Eindrücke von Testern mit verschiedenen Vorlieben vergleichen und fassen am Ende alles zusammen.



Wo und wie haben wir getestet?
Im Rahmen unseres Tests der drei Bikes waren wir einige Monate mit unterschiedlichen Testern unterwegs. Sämtliche Abfahrten wurden aus eigener Muskelkraft erarbeitet. Neben individuellen Anpassungen wie Griffen und Pedalen wurden auch Laufräder, Reifen und teilweise Dämpfer und Gabeln getauscht. Im Fahrwerk legten wir besonderen Wert auf die Abstimmung je nach Vorliebe des jeweiligen Testers. Dementsprechend wurden neben dem Standardprozedere der Sag-Anpassung auch Anpassungen an Dämpfung und Luftkammervolumen durchgeführt. Im jeweiligen Einzeltest sprechen wir Empfehlungen aus, die sich an verschiedene Fahrertypen richten und helfen sollen, ein eigenes, passendes Setup zu erarbeiten.




Welches Bike war der Favorit der Testgruppe?
Eine Frage, die wir uns im Testprozess jeder Testfahrerin und jedem Testfahrer immer wieder stellen: Welches dieser drei Bikes würdest du kaufen? Auch dieses Mal gab es bunt gemischte Antworten. Lagen die persönlichen Vorlieben bei Agilität und Effizienz, wählte man das Orbea. Spannend waren aber auch besonders die Aussagen kleinerer Piloten mit knapp über 1,60 m: Sie schätzen die sehr niedrige Überstandshöhe sowie das kurze Sitzrohr: „Endlich ein Bike, auf dem ich mich durch den längeren Radstand sicherer fühle und trotzdem drauf passe!“
Den solidesten Eindruck in Puncto Haltbarkeit machte das Raaw Madonna auf die Tester. Nichts klapperte, keine Schraube musste je nachgezogen werden. Wenig überraschend auch die Wertung bei den Nehmerqualitäten. Von der Steifigkeit selbst bei härtesten Fahrmanövern lag das Madonna an der Spitze. Nicht verwunderlich, wenn man das Rahmengewicht betrachtet. Dennoch begeisterte es durch die Bank alle Tester beim Weg nach oben: „Das Gewicht spürt man eigentlich gar nicht. Ich sitze so bequem, dass mir auch auf langen Auffahrten nie der Rücken weh tut.“
Beim Capra waren sich die meisten Tester einig: „Das Bike schon nah dran an einem Downhillbike … da brauche ich kein Big-Bike mehr!“ Auch bergauf kann man es problemlos bewegen, hier liegt aber nicht der Fokus im Einsatzbereich: Mit den schweren Reifen und der Sitzposition ließen es die meisten Tester dabei eher gemütlich angehen. Bei der Abfahrt gings dann zur Sache: Steine, Wurzeln, Drops und Sprünge! Je heftiger es schepperte, desto mehr glänzte das Capra.
Hier findest du alle weiteren Artikel unseres Vergleichstests:
171 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumIch find Tables rollen ok. Mit den meisten Bikes darf man eh nicht springen.
160mm Enduro und das muss am Boden bleiben - armes Ding.
Leute mit "Race Enduro" sollten es auch vermeiden zu lange in der Luft zu sein. Kostet Zeit ...
Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular: