Neue Schaltung, neue Bremse: Shimano hat die neue XTR-Gruppe vorgestellt. Während die wichtigste Neuheit ohne Zweifel die brandneue 12fach-Schaltung ist (hier unser Test der Schaltung), hat sich auch im Bremsen-Segment einiges getan: Die neue Shimano XTR M9120 verfügt über 4 Kolben und soll laut Shimano der Downhill-Bremse Saint ebenbürtig sein. Ob das stimmt? Wir haben die neue Bremse in Kransjka Gora getestet.
Shimano XTR M9120 – kurz & knapp
In diesem Test beschäftigen wir uns primär mit der neuen Vierkolben-Variante Shimano XTR M9120. Zwar sind wir auch die leichte M9100 XC-Version gefahren und werden auch auf erste Erkenntnisse eingehen – allerdings kam auf den teilweise harten und technischen Trails primär die Vierkolben-Bremse zum Einsatz.
Wo die Ausrichtung des neuen Edelstoppers liegt, ist klar: Maximale Power für das Enduro-Segment. Helfen soll dabei die neue Abstützung des Hebels am Lenker, die den Geber noch steifer machen soll. Und während bereits die XTR mit zwei Kolben schon eine gute Performance abgab, soll die XTR M9120 mit doppelt so vielen Kolben und zusätzlichen Kühlfinnen an den Bremsbelägen noch mehr Kraft aufbringen können.
- Neue Enduro-Version mit vier Kolben
- Bremsbeläge mit Kühlfinnen, kompatibel mit Saint
- Zusätzliche Abstützung beim Geber
- Bremshebel Carbon, 8% steifer als M9000
- Klemmensystem neues I-spec EV
- Hebelweg-Verstellung extern
- Bremsleistung 10% mehr als der Vorgänger – identisch mit Saint
- Größen 140 mm, 160 mm, 180 mm, 203 mm
- Gewicht 277 g (exkl. Scheibe)
- Lieferbarkeit Herbst 2018 / an Komplettbikes ab Oktober
- Preis ab 199 € (exkl. Scheibe) Bikemarkt: Shimano XTR M9120 kaufen
- www.ridextr.com
In der Hand
Edles Design, aber nicht unterkühlt: Die neue Shimano XTR M9120 Bremse ist gewissermaßen der Nissan GT-R unter den Bremsen und will ihre Ambitionen auf maximale Performance vom Start weg nicht verstecken. Finish und Verarbeitung der Bremse sind wie gewohnt auf höchstem Niveau. Gleichzeitig finden sich speziell an der Vierkolben-Variante einige interessante Features.
Mit einer breiteren Schelle möchte die Shimano XTR für eine bessere Klemmung auch an Carbonlenkern sorgen – hierfür ist allerdings auch das neues I-spec EV-System nötig. Apropos: Für alle Freunde von mechanisch angesteuerten Variostützen stellte Shimano auch einen eigens entwickelten Lenkerhebel vor, der mit regulären mechanischen Variostützen kompatibel ist und dank I-spec EV natürlich an die neuen XTR-Hebel passt.
Interessant ist ein neues Segment am Geber: Dieses stützt sich sachte am Lenker ab und soll dafür sorgen, dass die Konstruktion so steif wie möglich wird. Keine Sorge – dem Lenker passiert dabei auch beim stärksten Hebelzug nichts. Der Hebel der Enduro-Version ist zudem etwas breiter gebaut als die XC-Variante. Bei dieser setzt Shimano zudem auf maximalen Minimalismus: Keine werkzeuglose Hebelverstellung, leichtestmöglicher Hebel. Beim Enduro-Modell ist der Hebel wie wie bekannt extern via Drehknopf verstellbar.
Tauschen kann man die Geber der beiden Versionen nicht miteinander: Die Vierkolben-XTR befördert mehr Öl in den Bremssattel, weshalb die Varianten zueinander nicht kompatibel sind. Montiert sind an unserem Testbike reguläre 180er Scheiben mit der bekannten Sandwich-Bauweise – die neuen RT-MT900 Scheiben waren zum Testzeitpunkt noch nicht verfügbar. Zusätzlich kommen an dem für seine vier Kolben sehr kompakten Bremssattel dicke Kühlrippen an den Bremsbelägen zum Einsatz, die auch Saint-kompatibel sind. Letzter Unterschied: Der Banjo-Abgang des Bremskabels besteht für eine bessere Hitzeableitung aus Aluminium, bei der XC-Variante ist er in den Bremssattel integriert.
Auf dem Trail
Kranjska Gora und Soča Valley heißen die Areale, in denen sich die Bremse beweisen muss – die befahrenen Trails bieten 700 bis 1.000 Tiefenmeter am Stück. Das Gebiet ist hier und da flowig, aber meistens mit kleinen, reifenfeindlichen Steinfeldern durchsetzt und bietet durch seine ausgesetzten, teilweise sehr steilen Passagen und daraus resultierenden Dauerbremsungen ideale Testbedingungen.
Die Shimano XTR bietet eine ausreichende Bandbreite an Griffweite und einen geringeren Leerweg als früher – als Liebhaber eines eher weiter entfernten Druckpunktes bin ich nach bereits einigen Drehungen an der Hebeleinstellung zufrieden. Die Shimano XTR bietet einen satten Druckpunkt; gefühlt nicht ganz so digital wie früher, aber auch nicht zu weich. Der Hebel liegt satt in der Hand und vermittelt ein gutes, kontrolliertes Gefühl am Finger. Durch das Servo Wave-System fliegt man nach sanftem Antippen nicht direkt über den Lenker, sondern verzögert nur sacht. Sollte man vor lauter Trailbegeisterung allerdings mal zu übermütig werden, sorgt ein beherzter Zug am Hebel für das Inkrafttreten der wahren Bestimmung dieser Bremse: Brachialste Power.
Die Shimano-Konstrukteure vor Ort haben definitiv Recht mit ihrer Aussage, dass die neue XTR dem Downhill-Monster Saint krafttechnisch nun ebenbürtig ist. Trotz „nur“ 180 mm Scheiben kitzelt die XTR jederzeit eine vollkommen kontrollierbare Verzögerung aus dem Bremssattel, sodass man sich bei unserer 1.000 Tiefenmeter fassenden Abfahrt, auf der wir nur kurz zwischendurch halten, absolut sorglos unterwegs ist. Die Königsdisziplin für den neuen Stopper sind dann die letzten 500 Meter: Bereits warmgelaufen ist hier durch sehr steile Switchbacks fast dauerhaftes Bremsen mit rund 105 Kilo Systemgewicht angesagt. Kratzt das die neue XTR? Nein. Selbst unten beim Ausfahren auf der Wiese ist noch easy ein Stoppie möglich und auch den Unterarmen geht es gut. Ein wandernder Druckpunkt, den wir im vergangenen Jahr bei der kleinen Schwester XTR Race M9000 feststellten, trat in unserem kurzen Testzeitraum nicht auf – ob sich die neue XTR im Dauertest bewährt, werden wir demnächst überprüfen.
Die neue XC-Variante mit zwei Kolben sind wir für einen aussagekräftigen Test nicht ganz ausreichend gefahren – hier musste der steile, knapp vier Kilometer lange „Robe Twist“-Trail in Kransjka Gora für einen ersten Eindruck herhalten. Mit 180 mm-Rotoren ist auch die Power der XC-XTR beeindruckend – auch hier stellte sich weder Fading noch sich verschlechternde Bremskraft ein.
Das ist uns aufgefallen
- Abgestützt Flexende Hebel? Sicher nicht mit der neuen Shimano XTR mit vier Kolben. Der Druckpunkt gut definiert, auch bei harten Bremsungen flext nichts. Wir hatten auch mit der leichten Variante keine Probleme, sind diese aber für eine abschließende Meinung zu wenig gefahren.
- Leerweg Gut: Im Vergleich zu den Vormodellen wurde der Leerweg reduziert. Aber: Eine praktische, werkzeuglose Feinjustierung des Leerwegs, wie man sie beispielsweise als „Pad Contact“ bei SRAM kennt, fehlt leider weiterhin.
- Hebel-Design Der neue XTR-Hebel wurde nochmal einer Optimierungskur unterzogen. Das merkt man positiv – auch ohne Handschuhe bietet der Bremshebel einen angenehmen und kontrollierten Griff am Zeigefinger. Der Verstellweg ist für kleine wie für große Hände vollkommen ausreichend.
Fazit – Shimano XTR
Mit der neuen Shimano XTR Vierkolben-Bremse setzen die Japaner eine eindrucksvolle Duftmarke im Allmountain- bis Enduro-Bereich: Selbst mehrere 1000 Tiefenmeter-Abfahrten mit sehr steilen Segmenten können dem neuen Stopper absolut nichts anhaben, auch einen Vergleich mit der starken Saint-Schwester muss die Shimano XTR nicht mehr scheuen. Wie sich die Bremse im Dauertest beweist, werden wir noch herausfinden müssen – der erste Eindruck der neuen Gravity-Bremse ist sehr gut.
Pro / Contra
Pro
- Dosierbarkeit
- Extrem hohe Bremskraft
- Gute Hebelergonomie
- Hochwertigstes Finish
Contra
- nicht mit altem I-spec kompatibel
Testablauf
Die Bremsen wurden im Rahmen des dreitätigen Shimano Mediacamps in Kransjka Gora/Slowenien getestet. Hierbei musste sich die Bremse auf flowigen, steinigen bis sehr steilen Trails zwischen 700 und 1.000 Tiefenmetern beweisen. Die Kosten für das Mediacamp wurden von Shimano getragen.
Preisvergleich
- Fahrstil
- verspielt und sauber
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro, Trails, Pumptrack/Park/Street
- Vorlieben beim Fahrwerk
- Progressiv, nicht zu soft, schnelle Zugstufe
- Vorlieben bei der Geometrie
- Eher kürzerer Hinterbau, Lenkwinkel nicht extrem flach, die Front darf gern etwas höher
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