Im vergangenen Herbst startete das Team von PI ROPE aus Chemnitz eine Crowd-Funding-Kampagne für textile Speichen – mit dem Versprechen, der Speiche aus Fasermaterial zum Durchbruch zu verhelfen. Höhere Belastbarkeit, deutlich niedrigeres Gewicht und nie wieder Speichenbrüche werden auf der Haben-Seite genannt – dennoch scheiterte der Finanzierungsplan. In Riva zeigte sich das Gründer-Team jetzt einen ganzen Schritt weiter: Gemeinsam mit NEWMEN wird an drei Serienlaufradsätzen gearbeitet, die nicht nur auf dem Prüfstand überzeugen, sondern mit deutlicher Gewichtseinsparung eine kleine Revolution im Laufradbau bedeuten könnten. Wir haben die Fakten zu PI ROPE.
PI ROPE Textilspeichen: Kurz und knapp
- Seilspeiche auf Basis von Vectran® (Kunstfaser)
- Verbesserte Dämpfungseigenschaften (Vibration) bei gleichen oder besseren mechanischen Eigenschaften (Steifigkeit, Festigkeit, Witterungsbeständigkeit)
- Gewicht pro 29″ Speiche inkl. Nippeln: 2,29 g
- Gewichtseinsparung pro Laufradsatz: 250 – 300 g (gegenüber 1,8 mm Stahlspeiche)
- Zielgewicht für XC Carbon-Laufrad: 1.060 g
- Preis 1.200 € (Laufradsatz mit NEWMEN Naben und 25 mm AL-Felgen)
- Verfügbarkeit Mitte 2018
PI ROPE verspricht mit seiner Kunstfaserspeiche Gewichtseinsparungen von bis zu 300 g pro Laufradsatz – ein beträchtlicher Sprung. Dieser soll jedoch nicht mit schlechteren Eigenschaften oder Kompromissen bei der Haltbarkeit und Belastbarkeit erkauft worden sein. Was steckt hinter der Faserspeiche? Mit einer Dichte von gerade einmal 1,4 g/cm3 ist das Vectran ® genannte Ausgangsmaterial fast halb so schwer wie Aluminium und leichter als Carbon-Fasern. Wichtiger noch: Es bringt nur 1/6 des üblicherweise für Speichen verwendeten Stahls auf die Waage. Vectran-Fasern werden aus flüssigen Kristallpolymeren gesponnen und zu Faserbündeln gefasst, von denen dann jeweils zwölf zu einer PI ROPE Speiche geflochten werden. Eine spezielle Beschichtung soll die Fasern vor UV-Strahlung schützen und zusätzlich Abrieb schützen.
Das inzwischen sechsköpfige Team von PI ROPE aus Sachsen hat seinen Ursprung an der TU Chemnitz, wo sich aus Grundlagenforschung zu Faserseilen im Jahr 2006 die Idee einer Fahrradanwendung entwickelte. 2014 stand der erste Prototyp bereit und nach Patentanmeldung (2016) ging die Unternehmung 2017 in Gründung. Auch wenn die zunächst verfolgte Idee einer Crowd-Funding-Kampagne nicht erfolgreich war, konnte das Gründer-Team doch die notwendige Aufmerksamkeit erzielen, um die Idee weiter zu entwickeln.
NEWMEN – die erfolgreiche Komponentenfirma von Michi Grätz – kooperiert mit dem Team und so gibt es neben Prüfstandseinsätzen auch seitens der Komponentenentwicklung Fortschritte zu verkünden, die zur Mitte diesen Jahres zu drei fertigen Produkten führen sollen. Insbesondere bei der Einspeichung zeigt sich das in Riva gezeigte Laufrad gegenüber dem im letzten Jahr gezeigten Prototypen deutlich weiterentwickelt. Es profitiert von der Kooperation mit NEWMEN, denn die speziellen Naben ermöglichen eine berührungsfreie Einspeichung und optimieren die Winkel der Speichen zueinander. Als erste Serienlaufräder zeigt das Team zwei Varianten mit NEWMEN Felgen (Aluminium). Später im Jahr soll basierend auf neuen, extrem leichten NEWMEN Naben noch eine Carbon-Version für den XC-Einsatz realisiert werden, die es nur auf etwas mehr als 1.060 g bringen soll. Das wäre eine echte Sensation!
PI ROPE Laufradsätze
PI ROPE RaceLine One X.A.25 (XC, Trail)
- Gewicht 27,5″, 1.193 g / 29″, 1.236 g
- Preis 1.199 €
PI ROPE RaceLine One A.30 (All-Mountain, Enduro)
- Gewicht 27,5″, 1.445 g / 29″, 1.513 g
- Preis 1.048 €
Bei so viel Licht muss es doch auch Schatten geben, haben wir uns in Riva gedacht. Ingo und sein Team sowie Michi Grätz waren für weitlaufende Diskussionen zu haben und ließen sich dann zumindest einen grundlegenden Punkte entlocken. So findet die Herstellung der Speichen sowie das Einspeichen selbst derzeit ausschließlich von Hand statt. Insbesondere das Einspeichen selbst ist deutlich aufwendiger als bei herkömmlichen Speichen. Die Seilspeichen können nur unter Spannung montiert werden. Der neu entwickelte Nippel, in den die Seilenden eingeklebt werden, sowie das passende Gegenstück in der Felge sorgen jedoch dafür, dass die Seilspeichen beim Spannen nicht verdreht werden und genügend Spielraum zur Zentrierung bleibt. Zum Selbst-Einspeichen sei das Angebot derzeit jedoch nicht wirklich geeignet. Und die Belastbarkeit? Hier kann Michi Grätz von seinen Prüfstandeinsätzen gute Ergebnisse berichten. Beim Testlaufrad mit seiner hauseigenen 25 mm Felge ist nach 5,9 Millionen Testzylen ein Innenriss aufgetreten. Die PI ROPE Seilspeichen zeigten sich bis dahin unbeeindruckt. Erfreuliche Ergebnisse lieferte auch der Überlasttest, bei dem das Laufrad vertikal mit 600 kg belastet wird. Für gewöhnlich reißen hier konventionelle Speichen, im Falle des PI ROPE Prototypen stellt sich lediglich ein Höhenschlag von weniger als 2 mm ein.
Auch ausgehend von diesen Ergebnissen ist das Gründer-Team zuversichtlich, was die erfolgreiche Markteinführung zur Mitte diesen Jahres angeht. Ein Testlaufradsatz für unsere Redaktion ist bereits in Planung. Wir werden uns auf dem Trail selbst davon überzeugen, wie es um die versprochenen Dämpfungs- und Steifigkeitseigenschaften bestellt ist und ob die Fasern halten, was die reinen Zahlen versprechen.
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