Wozu Laktat Test, wenn es eh nix bringt?

jenelajens

Stefan J
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Hallo allerseits,

eigentlich habe ich mir fest vorgenommen, mal einen Laktat Stufentest zu machen; Freitag habe ich dann in Science einen Artikel gelesen, der dann auch gestern noch bei Spiegel Online erwähnt wurde, der mich etwas verwirrt hat (Pedersen et al. 2004 oder http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,314080,00.html). Entweder habe hier nichts verstanden, oder es ist doch was dran, denn hier wird geschrieben: "intrazelluläre Azidose schützt gegen Kraftverlust....". Eigentlich geht man ja davon aus, dass Laktat den pH senkt und daher eine Azidose verursacht.
Was taugt denn dann der Laktattest überhaupt, wenn ich keine Spriometrie mitmache??? Es sind ja so viele andere Faktoren beteiligt (Interleukin 6 nach Robson-Ansley et al., 2004), die ein müde machen.
Ich habe halt keine Erfahrung mit den ganzen Tests, aber hat es euch viel geholfen? Dann werde ich auch ein machen :-)

Stefan
 
Hab ja keine Ahnung, aber vielleicht kannst Du mir Dein Problem dennoch ein wenig genauer erklären?

(a) Müde/nicht müde zu werden ist ja das eine, sinnvolle Trainingsbereiche zu finden das andere. Vielleicht ist Laktat (oder auch der "Auswurf" einer Atemluftanalyse) der unmittelbarste (und damit nach wie vor sinnvolle) Indikator des Übergangs zur anaeroben Energiebereitstellung? Und möchte man nicht gerade den kennen, um Trainingsbereiche zu finden? Wieso sollte ich das an der Ermüdung festmachen? Das wäre ja auch kein ganz unabhängiger, sondern halt nur später eintretender Prozess?

(b) Inwiefern soll ein Laktattest sinnvoller werden, wenn man ihn mit einer Spirometrie koppelt?

Interessanter fand ich fast den dortigen Link auf den Einfluss des Gehirns bzw. des von Dir ja schon erwähnten Interleukin-6 (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,310849,00.html).
 
Hi...

(a) Müde/nicht müde zu werden ist ja das eine, sinnvolle Trainingsbereiche zu finden das andere.

Das mit dem Training stimmt sicher. Aber es geht ja auch darum, dass man Belastungsspitzen (Wettkampf zB) besser abkann wenn man halt das Molekül X hat oder nicht (wie Interleukin 6). Es gibt auch Leute, die können extrem hohe Laktatwerte ab. Können die bei sich was ausschalten, dass ihr Körper einfach immer weiter arbeitet.

(b) Inwiefern soll ein Laktattest sinnvoller werden, wenn man ihn mit einer Spirometrie koppelt?

Genauere Analyse. Kaum Abhängigkeit von individuellen Parametern. Messung des Umsatzes des Gesamtstoffwechsels. Laktat ist nur ein einzelnes Stoffwechselmolekül, das aus Not heraus entsteht (zu wenig O2). Die Frage ist, ob dass es das Recht hat die Trainingspläne von Tausenden zu bestimmen :-)

Ich glaube schon, dass ein Laktattest gut ist, schon um zu sehen, ob das Training erfolgreich war. Aber es muss doch mehr Parameter geben...

Stefan
 
jenelajens schrieb:
Hallo allerseits,

eigentlich habe ich mir fest vorgenommen, mal einen Laktat Stufentest zu machen; Freitag habe ich dann in Science einen Artikel gelesen, der dann auch gestern noch bei Spiegel Online erwähnt wurde, der mich etwas verwirrt hat (Pedersen et al. 2004 oder http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,314080,00.html). Entweder habe hier nichts verstanden, oder es ist doch was dran, denn hier wird geschrieben: "intrazelluläre Azidose schützt gegen Kraftverlust....". Eigentlich geht man ja davon aus, dass Laktat den pH senkt und daher eine Azidose verursacht.
Was taugt denn dann der Laktattest überhaupt, wenn ich keine Spriometrie mitmache??? Es sind ja so viele andere Faktoren beteiligt (Interleukin 6 nach Robson-Ansley et al., 2004), die ein müde machen.
Ich habe halt keine Erfahrung mit den ganzen Tests, aber hat es euch viel geholfen? Dann werde ich auch ein machen :-)

Stefan


Da sieht man mal wieder, was passiert, wenn Reporter wissenschaftliche Ergbnisse allzu vereinfacht darstellen!

Zum Laktattest:
Laktat wird benutzt, um den Stoffwechselzustand zu messen und den Energiefluss zu beurteilen. Kurz gesagt: wer anaerob arbeitet, bekommt nicht soviel Energie, wie er bräuchte, um die momentane Belastung über längere Zeit aufrecht erhalten zu können. Wenn jetzt herausgefunden wurde, dass unter Laktateinfluss die Erregbarkeit der Muskulatur besser aufrecht erhalten werden kann, so ist das nur ein Aspekt der arbeitenden Muskulatur, der sicher nicht so aussagekräftig ist für jemanden, der 5 Stunden durch die Berge fahren soll. Es ist sogar von Vorteil, wenn unter Übersäuerung der Muskel etwas länger arbeiten kann, denn dieses Notenergieprogramm wurde von der Natur ja erfunden, damit "der Mensch auch vor wilden Tieren noch davon rennen kann" ;) :lol: und dafür sehr flott Energie benötigt, was bei aeroben Prozessen nicht so gut gelingt. Aber es kommt halt ziemlich wenig Energie bei rum!
Die spirometrischen Parameter weisen bei einer Leistungsdiagnostik in die selbe Richtung wie die Laktatdiagnostik. Es ist also nur eine Ergänzung und muss zur Festlegung von Leistungsfähigkeit und Trainingsbereichen nicht unbedingt gemacht werden. Sportler lassen sich aber gerne davon blenden, weil sie dann bei der Auswertung noch 4-6 bunte DIN A4-Seiten zusätzlich bekommen. :D :D

Zum IL-6:
Ursprünglich hat man gemeint, dass IL-6 ein Botenstoff zwischen Immunzellen ist. Wenn dieser Botenstoff ausgeschüttet wird, dann wird eine Entzündung angeschoben. Heute weiß man, dass körperliche Belastungen die IL-6 Blutspiegel steigen lassen. Man kennt nun viele Geweben, die IL-6 produzieren, nicht nur Immunzellen. Ein wichtiger Aspekt ist: IL-6 kann von Muskelzellen produziert werden, wenn dort ein Kohlenhydratverarmung droht. Dieser Botenstoff regt dann die Leber an, Leberglykogen frei zusetzen. Gleichzeitig werden aber auch andere Entzündungsmarker ausgeschüttet (z.B. CRP, guckt mal auf euer letztes Blutbild). Diese Reaktion wird also immer dann angeschoben, wenn der Blutzuckerspiegel zu niedrig ist. Gleichzeitig wird aber die Wirkung des Insulins gehemmt. Dadurch bleibt mehr Glukose im Blut, wandert nicht in die Muskulatur und das Gehirn kann mehr davon abbekommen! Und das ist doch klasse, weil unser Gehirn nur Kohlenhydrate verstoffwechseln kann. Also könnte das Gehirn IL-6 ausschütten, um den Blutzuckerspiegel zu heben; gleichzeitig kommt nicht mehr genügend in der Muskulatur an und schwups bin ich schlechter bei intensiver Belastung.

Denn nicht erwähnt wurde in dem Bericht (und ich habe die Originalstudie bis zu dem Punkt noch nicht gelesen), ob das auch im normalen Alltag wirkt und ob Burn-Out-Patienten tatsächlich eine hohe IL-6 Ausschüttung auch ohne körperliche Belastung haben.
 
1. das verhältnis zwischen laktat und leistung hat nichts zu tun mit dem verhältnis zwischen leistung und ermüdung.

2. leistungsdiagnostik hat eine trainingssteuerung zum ziel, weniger die wettkampfsteuerung. du sagst ja selbst: "Aber es geht ja auch darum, dass man Belastungsspitzen (Wettkampf zB) besser abkann wenn man halt das Molekül X hat oder nicht (wie Interleukin 6). Es gibt auch Leute, die können extrem hohe Laktatwerte ab." - und sowas wird bei "einfacher" laktatdiagnostik erst mal nicht thematisiert (trotzdem gibt es z.B. diverse anaerobe tests, die sich darum kümmern)

3. es besteht eine sehr hohe korrelation zwischen laktat und leistungsparametern.

4. natürlich gibt es noch andere parameter, die aber in der populärwissenschaft weniger bekannt sind und nicht so einfach zu messen (stresshormone, ammoniak, kreatinkinase...)
es gibt ergometrische, kardiopulmonale, metabolische, hormonelle und psychologische parameter (und noch ein paar mehr...) und laktat ist einer unter vielen (vielleicht auch der wichtigste steuerparameter).

"Die Frage ist, ob dass es das Recht hat die Trainingspläne von Tausenden zu bestimmen" - in ermangelung etwas besseres: im moment notgedrungen ja.
 


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