...oder auch: Alb extrem auf die extreme Art
Es ist Sonntag, der 27.06.04 irgendwann mitten in der Nacht. Eindeutig eine schöne Nacht. Das merkt man daran, dass unter unserem Fenster ein paar Spätheimkommer wild rumgrölen. Irgend eine Dani ist wohl verschütt gegangen. Meine innere Uhr sagt: mitten in der Nacht. 5 Minuten später sagt mein Wecker: 3:45h, Zeit zu aufstehen. Aua!
Irgendwie sind diese Morgen ja immer gleich bescheuert. Man hat ja am Abend davor schon alles hingerichtet und 3 mal kontrolliert. Aber nachdem man sich sein Müsli reingeschaufelt und die Trinkbehältnisse gefüllt hat, geht mans halt noch mal durch. Seltsamerweise ist auch alles an Bord und pünktlich beim Aufpumpen der Reifen um 4:20h steht der Kollege Hubert vor der Tür und holt mich ab.
Er schüttelt noch mal den Kopf, als er meinen Straßen-Singlespeeder hinten aufs Auto schnallt. Singlespeed fährt er ja schon auch gern, aber den Alb extrem? Schau mer mal!
Wir schaffen es, früh genug anzukommen, um einen Parkplatz direkt bei der Anmeldung zu erwischen. Schnell die Startnummern abgeholt und dann versuchen, den Thorsten aka M(A)ui anrufen, der auch mit fährt. Danke E-Plus für dieses ausgedehnte Funkloch! Wir treffen ihn dann zufällig auf dem Weg zu Start im Ort. Eigentlich ist auch nicht zu übersehen, mit seinem alten Hobel mit Specialized Drop Bar und mit seinem Sturzring auf dem Kopf. Weil er keine Meldung hat, fährt er nicht durch den Startbereich, wir schon. Treff also im ersten Ort. Und der liegt ca. 200 hm höher. Erstaunlich, wie leicht man mit kalten Muskeln und einer Übersetzung von 42/18 so eine 15%-Steigung hoch kommt. Bin ich froh, dass Pulsmesser in unseren Kreisen verboten sind! Die ersten Kommentare fallen auch schon welche Übersetzung fährst Du denn?, wirklich nur ein Gang?. Noch reichts mir zu einem lockeren Grinsen.
Oben kurz auf den schaltungbewehrten Kollegen warten. Der hat schon einen Kumpel mit Schaltrad gefunden und Thorsten und ich fahren unser eigenes Tempo. Das ist erstaunlicherweise auch auf flachen Stücken recht hoch und man kann gut in der Masse mitschwimmen und auch mal Windschatten schnorren. Berg runter heißt es halt Zusammenfalten und mit jedem Kilo das ich mehr habe als Thorsten (es sind einige) Tempo machen. Die meisten Kommentare gehen an Thorsten, der einfach um einige Grad auffälliger aussieht und die Berge im Wiegetritt nimmt, während ich meistens sitzen bleibe. Auffällig auch, wie viele Leute in der Rennrad-Szene doch schon den Begriff Singlespeed kennen. Wir treffen auch einen MTB-Singlespeeder, der Straße aber mit Schaltung fährt und bei einen oder anderen Plausch vergehen die Kilometer recht zügig.
Bei der ersten Verpflegung (km 50) steht der Schnitt bei ca. 27. Und es lief bisher eigentlich ganz locker, vor allem am Berg.
Ich versorge mich und Thorsten schnell mit Bananen und Getränk, Thorsten zentriert kurz sein schickes güldenes Hinterrad (Schlauchreifen-Felgen!) nach und wir radeln weiter. Jetzt hab ich etwas schwere Beine, aber es geht noch recht gut. An einem langen Berg bei km 70 lässt mich Thorsten regelrecht stehen. Oben geht es eben weiter und ich sehe ihn 3 Gruppen vor mit im Windschatten hängen. Wir rollen so mit ca. 30 km/h und der Versuch zu ihm auf zuschließen wäre Selbstmord. Ist schon so recht stressig. Irgendwann gehts leicht bergab und das Tempo geht auf über 35 hoch. Thorsten platzt aus seiner Gruppe und ich kann ihn dank meines Mehrgewichtes wieder einholen. Am nächsten Berg das selbe Spiel, aber er wartet oben auf mich. Danke!
Dann irgendwann die nächste Verpflegung. Der Schnitt steht immer noch bei 27 km/h. Wenn das mal gut geht. Ich stopf mich wieder voll und beeile mich ein bisschen, weil der werte Herr ohne Armband leider draußen bleiben muss. Komm ich raus, dank nix böses und wer steht da mit seinem hübschen Bontrager-Renner incl. Leistungs-Mess-Nabe? Genau, der Degers Chris! Thorsten ist aber offensichtlich und verständlicherweise mehr mit dem hübschen Mädel beschäftigt, die er kennt, weil er ja schließlich Alb extrem geborener ist. Ein Alboriginie!
Trotzdem radeln wir zügig weiter, den schaltenden Chris mit an Bord. Eine der skurilsten Situationen des Tages: Thorsten und ich radeln schwatzend nebeneinander an einer kaum merkbaren Steigung (oder wars eben?) und hinter uns hängen ca. 10 Schaltungsfahrer und lassen sich im Windschatten mitziehen. Schande über sie und ihre Nachkommen! Meine Beine sind immer noch schwer, aber es wird auch nicht schlimmer. Dafür nimmt mein Kopfweh zu. Das dauernde Fahren in Unterlenkerposition mit dem Kopf im Nacken ist einfach Gift für Sensibelchen wie mich.
Wie in jedem Jahr ist der Blitzer an der nächsten Ortseinfahrt nicht aktiviert. Da warte ich seit meinem ersten Alb extrem drauf, da mal bei 70 ein Bildchen zu machen. Oder der Film ist schon voll, wer weiß. Langsam merke ich, dass es anstrengt und die Strecke zieht sich zunehmend im leicht hügeligen Gelände. Ich bin heilfroh, als wir die 120er Verpflegung erreichen. Allein wegen der lohnt sich die Veranstaltung. Eine Wiese hinter einem Bauernhof, in die man sich legen kann, nein eigentlich muss. Sie saugt einen förmlich an. Und lecker Schoko-Kuchen, von dem Chris erzählt, der hätte ihn schon mal gerettet. Hier mache zum ersten mal für Heute richtig Pause. Thorsten darf mal wieder nicht rein und fährt weiter, weil er keine halbe Stunde warten will. Ich treffe auch den Hubert wieder, der nur den Kopf schüttelt, als ich ihm erzähle, dass unser Schnitt immer noch auf 27 km/h hängt. Nach 3 Schokokuchen und einigen anderen Leckereien fülle ich meinen Camelbak noch schnell mit Apfelschorle und wir rollen weiter.
Wo der Deger recht hat, hat er recht: Meine Beine sind wie frisch renoviert von dem Schokokuchen. Und sage mir keiner, das liegt daran, dass hier einfach alle immer länger Pause machen. Das war eindeutig der Kuchen! Leider hilft er nicht gegen Kopfweh. Das wir immer mehr zum Problem und nach dem ersten Berg muss ich langsamer machen, weil es mir langsam fast schwindelig wird. Vielleicht mehr trinken? Shit, warum hab ich Depp nur klebriges Saftschorle eingefüllt? Ich kriege das Zeug kaum runter. Zu meinem persönlichen Glück nimmt der Chris auch das Gas raus, weil er zu seinem persönlichen Unglück etwas Magenprobleme hat.
Irgendwann fange ich bildhaft an, jeden Kilometer zu zählen. Es wir immer widerlicher: Die Beine laufen ohne Probleme und der Kopf wird immer übler. Wir machen eine kurze Pause am Straßenrand und Chris gibt mir seine Trinkflasche mit klaren Wasser. Die ist nur leider verdammt schnell leer. Am Abzweig zu den langen Runden müssen wir nicht lange überlegen, was wir heute noch so alles machen. Ab auf die kurze Runde und dabei noch schnell einen Freund von Chris eingesammelt, der er auch nicht mehr so richtig frisch wirkt. Ich habe nur noch ein Ziel: die nächste Verpflegung bei km 165.
Da fehlen noch zwei Berge. Einer davon hat einen fiesen Stich mit ca. 15%. Nur komisch: der Kopf schreit laut NEIN! und die Beine drücken das Ding weg. Dann unten in Geißlingen die Entscheidung: fahr ich die letzte Steige noch hoch, oder fahr ich im Tal ins Ziel? Was solls! Ich fahre hoch. Mein Tempo gleicht dem der anderen Radler, von denen einige hier anhalten und/oder abbrechen. Aber mein Kopf! Das letzt Mal, das ich mich so gefühlt habe, stand ein Anästhesist neben mir und erzählte mir etwas von einer Mischung aus Betäubungs- und Schmerzmitteln, die er mit gerade injizieren würde. Wenn ich jetzt die Augen schließe, bin ich weg und falle vom Rad. Ganz sicher! Irgendwann ist der Berg zu Ende und es geht nur noch eben zum Ort. Von wegen! So anstrengend war noch keine ebene Strecke in meinem Leben.
Ich erreiche die Verpflegung und murmle zu Chris etwas von aufgeben. Es gestaltet sich sehr schwierig, zu Fuß durch die Massen zu gehen, ohne über Leute oder Fahrräder zu stolpern, so schwindelig wie mir ist. Ich trinke eine Kleinigkeit und mir wird schlecht. Nach einer geringfügigen Übergebungsaktion funktioniert wenigsten mein Magen wieder und ich kann etwas trinken. Mein Kopf summt immer noch. Ich rufe den Hubert an, er soll mich hier abholen. Den steilen Berg direkt nach der Verpflegung würde ich im Notfall auch schiebend noch schaffen. Aber dann zieht es sich noch mal bis ins Ziel mit leichten Hügeln und Gegenwind. Das war schon immer ekelhaft und wird dieses Jahr auch nicht anders sein. Und ich habe keine Böcke, wegen Schindelanfällen von Rad zu kippen oder mich auf der letzten Abfahrt lang zu machen. Schade drum, ich hatte 167 km und ca. 2500 hm geschafft und dann reichts doch nicht ganz. Fürs Protokoll: mein Schnitt war mittlerweile auf 25,5 km/h zusammengebrochen.
Während ich auf meinen Fahrer warte, schüttet kurzzeitig es wie aus Kübeln und nach dem dritten Cola und was weiß ich was sonst noch anderem, gehts mir eigentlich wieder ganz gut. War trotzdem die richtige Entscheidung.
Schmerzhaft war dann in den nächsten Tagen: gar nix in den Beinen zu spüren. Kein Muskelkater, keine schweren Beine, nix! So blöd aber auch! Da hätte man die Power in den Beinen für so eine Aktion und dann vergeig ichs weil ich dehydriere. Mit einer Erfahrung von mindestens 10 RFTs. Kann es sein , dass Singlespeeden blind macht gegenüber den alltäglichen Feinden des Sportlers?
Obwohl ich mir in meinem Halb-Koma am Berg geschworen habe, so was nie wieder zu machen, hab ich schon am Montag wieder diesen seltsamen Drang. Diese innere Stimme, die etwas vom nächsten Jahr und Scharte auswetzen flüstert. Weil die Beine hättens ja gepackt und ich war schon ganz weit und der Thorsten ist durchgekommen (erzähl doch auch mal was dazu!) und wenn ich ein bisschen mehr Straße trainieren würde und......
Ach ja interessante Sache am Rande: Ich hatte seit ca. 5 Wochen Probleme mit dem Knie. 1 Tag mit falsch eingestellten Cleats und einer mit zu niedrigem Sattel am ausgeliehenen Tandem hatten ihre Spuren hinterlassen. Habe mich deshalb kaum aufs Rad getraut. Beim Alb extrem mit Knielingen gefahren und seither Null Probleme mehr. Ich glaube nicht , das man das erklären kann, ist aber so.
So, genug geschwallt, ich stemple jetzt an, arbeite was und übergebe das Wort an den M(A)ui!
reiner
Es ist Sonntag, der 27.06.04 irgendwann mitten in der Nacht. Eindeutig eine schöne Nacht. Das merkt man daran, dass unter unserem Fenster ein paar Spätheimkommer wild rumgrölen. Irgend eine Dani ist wohl verschütt gegangen. Meine innere Uhr sagt: mitten in der Nacht. 5 Minuten später sagt mein Wecker: 3:45h, Zeit zu aufstehen. Aua!
Irgendwie sind diese Morgen ja immer gleich bescheuert. Man hat ja am Abend davor schon alles hingerichtet und 3 mal kontrolliert. Aber nachdem man sich sein Müsli reingeschaufelt und die Trinkbehältnisse gefüllt hat, geht mans halt noch mal durch. Seltsamerweise ist auch alles an Bord und pünktlich beim Aufpumpen der Reifen um 4:20h steht der Kollege Hubert vor der Tür und holt mich ab.
Er schüttelt noch mal den Kopf, als er meinen Straßen-Singlespeeder hinten aufs Auto schnallt. Singlespeed fährt er ja schon auch gern, aber den Alb extrem? Schau mer mal!
Wir schaffen es, früh genug anzukommen, um einen Parkplatz direkt bei der Anmeldung zu erwischen. Schnell die Startnummern abgeholt und dann versuchen, den Thorsten aka M(A)ui anrufen, der auch mit fährt. Danke E-Plus für dieses ausgedehnte Funkloch! Wir treffen ihn dann zufällig auf dem Weg zu Start im Ort. Eigentlich ist auch nicht zu übersehen, mit seinem alten Hobel mit Specialized Drop Bar und mit seinem Sturzring auf dem Kopf. Weil er keine Meldung hat, fährt er nicht durch den Startbereich, wir schon. Treff also im ersten Ort. Und der liegt ca. 200 hm höher. Erstaunlich, wie leicht man mit kalten Muskeln und einer Übersetzung von 42/18 so eine 15%-Steigung hoch kommt. Bin ich froh, dass Pulsmesser in unseren Kreisen verboten sind! Die ersten Kommentare fallen auch schon welche Übersetzung fährst Du denn?, wirklich nur ein Gang?. Noch reichts mir zu einem lockeren Grinsen.
Oben kurz auf den schaltungbewehrten Kollegen warten. Der hat schon einen Kumpel mit Schaltrad gefunden und Thorsten und ich fahren unser eigenes Tempo. Das ist erstaunlicherweise auch auf flachen Stücken recht hoch und man kann gut in der Masse mitschwimmen und auch mal Windschatten schnorren. Berg runter heißt es halt Zusammenfalten und mit jedem Kilo das ich mehr habe als Thorsten (es sind einige) Tempo machen. Die meisten Kommentare gehen an Thorsten, der einfach um einige Grad auffälliger aussieht und die Berge im Wiegetritt nimmt, während ich meistens sitzen bleibe. Auffällig auch, wie viele Leute in der Rennrad-Szene doch schon den Begriff Singlespeed kennen. Wir treffen auch einen MTB-Singlespeeder, der Straße aber mit Schaltung fährt und bei einen oder anderen Plausch vergehen die Kilometer recht zügig.
Bei der ersten Verpflegung (km 50) steht der Schnitt bei ca. 27. Und es lief bisher eigentlich ganz locker, vor allem am Berg.
Ich versorge mich und Thorsten schnell mit Bananen und Getränk, Thorsten zentriert kurz sein schickes güldenes Hinterrad (Schlauchreifen-Felgen!) nach und wir radeln weiter. Jetzt hab ich etwas schwere Beine, aber es geht noch recht gut. An einem langen Berg bei km 70 lässt mich Thorsten regelrecht stehen. Oben geht es eben weiter und ich sehe ihn 3 Gruppen vor mit im Windschatten hängen. Wir rollen so mit ca. 30 km/h und der Versuch zu ihm auf zuschließen wäre Selbstmord. Ist schon so recht stressig. Irgendwann gehts leicht bergab und das Tempo geht auf über 35 hoch. Thorsten platzt aus seiner Gruppe und ich kann ihn dank meines Mehrgewichtes wieder einholen. Am nächsten Berg das selbe Spiel, aber er wartet oben auf mich. Danke!
Dann irgendwann die nächste Verpflegung. Der Schnitt steht immer noch bei 27 km/h. Wenn das mal gut geht. Ich stopf mich wieder voll und beeile mich ein bisschen, weil der werte Herr ohne Armband leider draußen bleiben muss. Komm ich raus, dank nix böses und wer steht da mit seinem hübschen Bontrager-Renner incl. Leistungs-Mess-Nabe? Genau, der Degers Chris! Thorsten ist aber offensichtlich und verständlicherweise mehr mit dem hübschen Mädel beschäftigt, die er kennt, weil er ja schließlich Alb extrem geborener ist. Ein Alboriginie!
Trotzdem radeln wir zügig weiter, den schaltenden Chris mit an Bord. Eine der skurilsten Situationen des Tages: Thorsten und ich radeln schwatzend nebeneinander an einer kaum merkbaren Steigung (oder wars eben?) und hinter uns hängen ca. 10 Schaltungsfahrer und lassen sich im Windschatten mitziehen. Schande über sie und ihre Nachkommen! Meine Beine sind immer noch schwer, aber es wird auch nicht schlimmer. Dafür nimmt mein Kopfweh zu. Das dauernde Fahren in Unterlenkerposition mit dem Kopf im Nacken ist einfach Gift für Sensibelchen wie mich.
Wie in jedem Jahr ist der Blitzer an der nächsten Ortseinfahrt nicht aktiviert. Da warte ich seit meinem ersten Alb extrem drauf, da mal bei 70 ein Bildchen zu machen. Oder der Film ist schon voll, wer weiß. Langsam merke ich, dass es anstrengt und die Strecke zieht sich zunehmend im leicht hügeligen Gelände. Ich bin heilfroh, als wir die 120er Verpflegung erreichen. Allein wegen der lohnt sich die Veranstaltung. Eine Wiese hinter einem Bauernhof, in die man sich legen kann, nein eigentlich muss. Sie saugt einen förmlich an. Und lecker Schoko-Kuchen, von dem Chris erzählt, der hätte ihn schon mal gerettet. Hier mache zum ersten mal für Heute richtig Pause. Thorsten darf mal wieder nicht rein und fährt weiter, weil er keine halbe Stunde warten will. Ich treffe auch den Hubert wieder, der nur den Kopf schüttelt, als ich ihm erzähle, dass unser Schnitt immer noch auf 27 km/h hängt. Nach 3 Schokokuchen und einigen anderen Leckereien fülle ich meinen Camelbak noch schnell mit Apfelschorle und wir rollen weiter.
Wo der Deger recht hat, hat er recht: Meine Beine sind wie frisch renoviert von dem Schokokuchen. Und sage mir keiner, das liegt daran, dass hier einfach alle immer länger Pause machen. Das war eindeutig der Kuchen! Leider hilft er nicht gegen Kopfweh. Das wir immer mehr zum Problem und nach dem ersten Berg muss ich langsamer machen, weil es mir langsam fast schwindelig wird. Vielleicht mehr trinken? Shit, warum hab ich Depp nur klebriges Saftschorle eingefüllt? Ich kriege das Zeug kaum runter. Zu meinem persönlichen Glück nimmt der Chris auch das Gas raus, weil er zu seinem persönlichen Unglück etwas Magenprobleme hat.
Irgendwann fange ich bildhaft an, jeden Kilometer zu zählen. Es wir immer widerlicher: Die Beine laufen ohne Probleme und der Kopf wird immer übler. Wir machen eine kurze Pause am Straßenrand und Chris gibt mir seine Trinkflasche mit klaren Wasser. Die ist nur leider verdammt schnell leer. Am Abzweig zu den langen Runden müssen wir nicht lange überlegen, was wir heute noch so alles machen. Ab auf die kurze Runde und dabei noch schnell einen Freund von Chris eingesammelt, der er auch nicht mehr so richtig frisch wirkt. Ich habe nur noch ein Ziel: die nächste Verpflegung bei km 165.
Da fehlen noch zwei Berge. Einer davon hat einen fiesen Stich mit ca. 15%. Nur komisch: der Kopf schreit laut NEIN! und die Beine drücken das Ding weg. Dann unten in Geißlingen die Entscheidung: fahr ich die letzte Steige noch hoch, oder fahr ich im Tal ins Ziel? Was solls! Ich fahre hoch. Mein Tempo gleicht dem der anderen Radler, von denen einige hier anhalten und/oder abbrechen. Aber mein Kopf! Das letzt Mal, das ich mich so gefühlt habe, stand ein Anästhesist neben mir und erzählte mir etwas von einer Mischung aus Betäubungs- und Schmerzmitteln, die er mit gerade injizieren würde. Wenn ich jetzt die Augen schließe, bin ich weg und falle vom Rad. Ganz sicher! Irgendwann ist der Berg zu Ende und es geht nur noch eben zum Ort. Von wegen! So anstrengend war noch keine ebene Strecke in meinem Leben.
Ich erreiche die Verpflegung und murmle zu Chris etwas von aufgeben. Es gestaltet sich sehr schwierig, zu Fuß durch die Massen zu gehen, ohne über Leute oder Fahrräder zu stolpern, so schwindelig wie mir ist. Ich trinke eine Kleinigkeit und mir wird schlecht. Nach einer geringfügigen Übergebungsaktion funktioniert wenigsten mein Magen wieder und ich kann etwas trinken. Mein Kopf summt immer noch. Ich rufe den Hubert an, er soll mich hier abholen. Den steilen Berg direkt nach der Verpflegung würde ich im Notfall auch schiebend noch schaffen. Aber dann zieht es sich noch mal bis ins Ziel mit leichten Hügeln und Gegenwind. Das war schon immer ekelhaft und wird dieses Jahr auch nicht anders sein. Und ich habe keine Böcke, wegen Schindelanfällen von Rad zu kippen oder mich auf der letzten Abfahrt lang zu machen. Schade drum, ich hatte 167 km und ca. 2500 hm geschafft und dann reichts doch nicht ganz. Fürs Protokoll: mein Schnitt war mittlerweile auf 25,5 km/h zusammengebrochen.
Während ich auf meinen Fahrer warte, schüttet kurzzeitig es wie aus Kübeln und nach dem dritten Cola und was weiß ich was sonst noch anderem, gehts mir eigentlich wieder ganz gut. War trotzdem die richtige Entscheidung.
Schmerzhaft war dann in den nächsten Tagen: gar nix in den Beinen zu spüren. Kein Muskelkater, keine schweren Beine, nix! So blöd aber auch! Da hätte man die Power in den Beinen für so eine Aktion und dann vergeig ichs weil ich dehydriere. Mit einer Erfahrung von mindestens 10 RFTs. Kann es sein , dass Singlespeeden blind macht gegenüber den alltäglichen Feinden des Sportlers?
Obwohl ich mir in meinem Halb-Koma am Berg geschworen habe, so was nie wieder zu machen, hab ich schon am Montag wieder diesen seltsamen Drang. Diese innere Stimme, die etwas vom nächsten Jahr und Scharte auswetzen flüstert. Weil die Beine hättens ja gepackt und ich war schon ganz weit und der Thorsten ist durchgekommen (erzähl doch auch mal was dazu!) und wenn ich ein bisschen mehr Straße trainieren würde und......
Ach ja interessante Sache am Rande: Ich hatte seit ca. 5 Wochen Probleme mit dem Knie. 1 Tag mit falsch eingestellten Cleats und einer mit zu niedrigem Sattel am ausgeliehenen Tandem hatten ihre Spuren hinterlassen. Habe mich deshalb kaum aufs Rad getraut. Beim Alb extrem mit Knielingen gefahren und seither Null Probleme mehr. Ich glaube nicht , das man das erklären kann, ist aber so.
So, genug geschwallt, ich stemple jetzt an, arbeite was und übergebe das Wort an den M(A)ui!
reiner