Wenn es also aus derzeitiger Rechtsansicht (sogenannte herrschende Lehre/Ansicht) nichts zu ändern ist, stellt sich eben die Frage, wie man dazu kommt, dies mit einer Weisung, Arbeitsanleitung, Erklärung etc ändern zu wollen?
Dann werden wir der Sache mal auf den Grund gehen ...
In der aktuellen Bike ist ein etwas ausführlicheres Interview mit dem DAV (Mair) drin. Da ist die Rede von einem Pilotprojekt aus dem Jahr 2018, bei dem ein "Leitfaden Haftung und Recht" erstellt wurde. Weiß da jemand genaueres, warum der DAV das leidige Thema Haftung bei diesem Projekt mit aufgenommen hat, wenn es doch in Bayern so eh gesetzlich ausreichend verankert ist?
Habe diesen "Leitfaden" jetzt mal grob durchgesehen.
Kann es sein, dass solche Sachverhalte wie Eignung und Beschaffenheit eines Weges schon 2018 dort niedergeschrieben wurden? Obwohl man dies wegen dem Titel des Leitfadens nicht unbedingt erwarten würde?
Sieht für mich gerade so aus, als würde das dort geschriebene in "ausformulierter" Weise jetzt in der Verwaltungsvorschrift auftauchen. Insbesondere da hier, wie im Endeffekt in der Verwaltungsvorschrift auch, nur eine Nutzergruppe betrachtet wird und man es versäumt die getroffenen Kriterien auch bei den anderen Nutzergruppen zu prüfen.
Was die Waldbesitzer
2016, die Jäger und die Alpwirtschaft
2017, sowie später auch der BUND Naturschutz in Bayern
2019 alleine nicht vollbringen konnten, ist letztlich dem
Deutschen Alpenverein gelungen. Dabei konnte man offensichtlich das Ministerium mit einer Strategie überzeugen, wie sich das von der Bayerischen Verfassung geschützte, und per se naturverträgliche Mountainbiken doch noch einschränken ließe und dies gar mit Zustimmung der Betroffenen, am besten noch mit deren
Mitwirkung.
Im Zuge der 2018 begonnenen Pilotprojekte hatte der DAV dann im September 2020 den oben erwähnten "
Leitfaden Haftung & Recht Mountainbike aus dem Projekt
Bergsport Mountainbike – nachhaltig in die Zukunft" herausgebracht. Direkt nachdem der Bayerische Radsportverband und die DIMB ihre
gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf der geänderten Bekanntmachung abgegeben hatten, veröffentlichte der Deutsche Alpenverein diesen Leitfaden, dessen Ausführungen zu vermeintlichen gesetzlichen Radfahrverboten und Verbotsgründen ein Vierteljahr später
in "ausformulierter" Weise jetzt in der Verwaltungsvorschrift auftauchen.
Der Deutsche Alpenverein war aber nicht der einzige Verein, der sich im Zeitraum des Projekts des Mountainbikens angenommen hatte. Zwar sollten die Diskussionen an den Runden Tischen in den Regionen auch Fakten basiert geführt und hierfür auch die
Einflüsse des MTB-Sports auf Flora und Fauna erfasst werden. Vom DAV selbst kam hierzu jedoch bisher noch nichts. Dafür veröffentlichte das Mountainbike-Tourismusforum im September 2019 ein Grundlagenpapier zu den Umweltauswirkungen des Moutainbikens:
Wie Boden, Flora und Fauna auf Mountainbiker reagieren – ein Überblick zum Stand der Forschung
Das Mountainbike Tourismusforum hat zu den Wegschäden ein
Paper erstellt, Zitat:
Der schwerwiegendste Eingriff von wegegebundenen Aktivitäten ist im Freizeitbereich zunächst die Anlage des Weges. Mountainbiken sorgt
in der Kernzone eines Weges für einen Rückgang der Flora und Fauna von 80 Prozent, Wandern für 81 (Flora) bzw. 71 Prozent (Fauna). Diese Werte ergeben sich bei der Einrichtung des Weges und der anfänglichen Nutzung (vgl. Thurston & Reader 2001). ...
Offenbar ist die
Mitte eines Weges ein Habitat, dem bisher viel zu wenig Aufmerksamtkeit geschenkt wurde.
Ich finde zwar nur Abstracts oder Bezüge zu der Studie. Aber es scheint sich um eine Studie zu handeln, welche die Entstehung von Trampelpfaden untersucht.
Da man aus naturschutzfachlicher Sicht "
bei der Einrichtung des Weges und der anfänglichen anschließenden Nutzung" ganz einfach von 100 % Rückgang auf dem Weg ausgeht, bringt die zitierte Studie keinen Mehrwert.
Auf einen Umstand sei noch hingewiesen. In der Arbeit des Mountainbike Tourismusforums heißt es zu Beginn:
In diesem Beitrag werden die vorhandenen Studien zu den Auswirkungen von Mountainbiken auf Boden, Flora und Fauna knapp vorgestellt, ausgewertet und mit Erkenntnissen zu anderen Naturaktivitäten verglichen.
Eine aktuelle Veröffentlichung aus Bayern finden sich hier:
Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung
Wissenschaftszentrum Weihenstephan
Technische Universität München
Stadtwald 2050
Endbericht
Gefördert durch die Bayerische Forstverwaltungmit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Weitere Links hierzu:
https://www.lwf.bayern.de/waldbesitz-forstpolitik/waldbesitz/147043/index.php
Aus der oben verlinkten Arbeit der LMU München (2017):
4.1.2 Stand des Wissens
Einen Überblick über generelle Konflikte und Auswirkungen von Mountainbiking geben deutschsprachige Arbeiten von Wöhrstein (1998), Schemel & Erbguth (2000) und Mann (2006). Dabei gibt es zwei Konfliktebenen: einerseits geht es um Schäden am Naturraum Wald, andererseits um Probleme mit anderen Erholungsuchenden.
Weder Wöhrstein noch Schemel/Erbguth werden vom Mountainbike Tourismusforum erwähnt, obwohl sie geläufig und bei den Behörden anerkannt sind ... und dazu auch noch hinsichtich des Mountainbikens positiv ausfallen.
Wie auch bei den Ausführungen des DAV fallen neben positiven Aspekten auch einige Ungereimtheiten auf (hier am Beispiel der Nr. 3 des Forschungspapiers):
In Mitteleuropa passt sich Rehwild dem Freizeitdruck an. Das macht sich in einer verstärkten Verlage-
rung der Aktivitäten in die Nacht bemerkbar, aber auch in kleineren Streifgebieten in hochfrequentier-
ten Naherholungsgebieten.
Die
Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft kommt zu einem eindeutig anderen Ergebnis:
"Unser Schalenwild würde am liebsten die lichtverwöhnten, schmackhafteren Gräser und Kräuter auf den Flächen in der freien Landschaft äsen. Dennoch führt es eine Art "Partisanendasein" im Wald – immer anwesend, aber nie sichtbar. Warum?
Unser Wild hat gelernt: Wenn du dich tagsüber sehen lässt, endest du ganz schnell in der Bratröhre."
Es ist nicht der Freizeitdruck, sondern der Jagddruck dem sich das Rehwild angepasst hat. Darüber hinaus ist das Reh für den Naturschutz so ziemlich das uninteressanteste Tier; weder selten noch besonders störanfällig, geschützt oder durch Radfahrende als Individium oder im Bestand gefährdet.
Entsprechend auch eine Aussage in
Natursportarten und Ökologie (Uni Köln 2002):
Das Wild wird laut Förster Mense durch Mountainbiker und Wanderer (bei Benutzung der Wege) nicht gestört:
Das Wild hat sich daran angepasst. Die kennen das und wissen, aha, das ist nur ein Fahrrad. Und da ist
der Weg, wo die immer herfahren und dann bleiben die manchmal auch 3 - 4 Meter daneben stehen.
Die passen sich sehr gut an. Von daher ist die Wildproblematik nicht so groß. ...
Interessant ist auch diese "Auswertung" der zitierten Arbeit:
"Auch Vögel reagieren auf Störreize durch Freizeitnutzung. So sank der Bruterfolg in einer ausgewiese-
nen Bike-Region auf 35 Prozent im Vergleich zu einem 70 %-igen Bruterfolg in einer Region ohne Bike-
Nutzung. Gleichzeitig stiegen die Nestaufgaben von durchschnittlich fünf auf 15 Prozent an (vgl.
Davis et al. 2010)."
In der Studie ging es um den
Goldwangen-Waldsänger, ein Vogel der ausschließlich in Zentral Texas (USA) brütet und dessen Hauptfressfeind die
Texas-Rattenschlange ist. Zum Mountainbiken kommt die Studie letztlich zu dem Ergebnis, dass der direkte Einfluss des Mountainbikens auf den Goldwangen-Waldsänger minimal sei, aber neue Wege den Lebensraum der Texas-Rattenschlange verbesserten, mit entsprechenden Folgen für den Bruterfolg des Vogels durch Nestraub. Insoweit dürfte diese Studie für hiesige Verhältnisse komplett ungeeignet sein. Da hilft es auch wenig, wenn man dann weiterargumentiert:
"In einer Analyse von Studien zum Einfluss verschiedener Naturaktivitäten auf Vögel stellten
Steven et al. (2011) in 28 von untersuchten 33 Artikeln einen negativen Einfluss auf den Bruterfolg so-
wohl durch Wanderer als auch Mountainbiker fest. Auch neuere Studien belegen diese Erkenntnisse
für einen zentraleuropäischen Kontext, so z. B.
Thiel et al. 2011 und
Rösner et al. 2014."
Steven wertete 69 Arbeiten aus den Jahren 1978 bis 2010 zu naturnahen Freizeitaktivitäten, wie das Beobachten von Wildtieren, Wandern, Laufen, Radfahren, Kanufahren, Reiten und Spazierengehen mit Hunden aus und fand dabei in 28 von 33 Artikeln negativen Einfluss auf den Bruterfolg durch die genannten Aktivitäten. Zum Reiten und Mountainbiken gibt er an, dass es nur wenige Forschungsergebnisse gäbe; insoweit wird die getroffene Aussage einfach nicht stimmen können.
Thiel beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Auerhuhnpopulationen in den Alpen im Winter und Rösner im Böhmerwald. Bei Thiel ist es ganz sicher kein Mountainbike-Thema, bei Rösner eines der allgemeinen Erholungsnutzung.
Obwohl die genannten Studien mit dem hiesigen Mountainbiken nichts zu tun haben, werden sie z. B. von der
NABU-Gruppe Fischbachtal angeführt:
"Wissenschaftliche Studien über den negativen Einfluss von Enduro- / Downhillstrecken etc. gibt es im Übrigen zu Hauf, beispielhaft seien folgende hier aufgeführt:
• Rösner, S. et al. (2014): Recreation shapes a “landscape of fear” for a threatened forest bird species in Central Europe. In: Landscape Ecology, 29/1, S. 55–66
• Thiel, D. et al. (2011): Winter tourism increases stress hormone levels in the Capercaillie Tetrao urogallus. In: International Journal of Aviation Science, 153, S. 122–133 [Capercaillie Tetrao urogallus : Auerhuhn]
• ...
• Stevens et al. (2011): A review of the impacts of nature based recreation on birds. In:
Journal of
Environmental Management, 92 (10), S. 2287- 2294 [hier wurden 69 Publikationen von 1978-2010 untersucht]"
Man fragt sich welchen Zweck das Mountainbike-Tourismusforum damit verfolgt; eigentlich fragt man sich, was man überhaupt mit
dieser Arbeit erreichen will. Das aber offenbart dann schon der nächste Absatz:
"Gerade für Bruträume und den Vogelschutz gibt es gute Erfahrungen aus den
Konzepten verschiedener
Kletter
- und Wanderregionen, wie der Fränkischen Schweiz. Hier konnten Tierschutz und Freizeitausübung über einen intensiven Prozess einen tragfähigen Ausgleich finden. Schutzbedürftige Brutregionen dürfen während der Brutzeit nicht begangen und beklettert werden."
In der Tat gibt es hierfür zumindest in Bayern zum Klettern naturschutzfachlich notwendige und gut umgesetzte Konzepte, die den Schutz geschützter und störungsempflindlicher Arten sicherstellen. Dass an einem Felsen, an dem gerade Uhus oder Wanderfalken brüten oder an dem sich empfindliche Pflanzen, Moose oder Flechten befinden nicht geklettert werden soll, leuchtet ein.
Weiter heißt es:
"Diese Beispiele belegen die Erfolgsaussichten effektiven und nachhaltigen Freizeitmanagements."
Zum einen war es nur ein Beispiel und zum anderen lässt sich das erfolgreiche Kletterkonzept gerade nicht auf andere, insbesondere weggebundene Erholungsformen übertragen. Vor allem nicht, wenn es nur eine Nutzergruppe betreffen soll.
Zum Beispiel braucht es zum Schutz des Birkhuhns im folgenden Video kein Konzept, sondern lediglich eine vernünftige Kommunikation; evtl. auch eine Informationskampagne:
"In Deutschland, der Schweiz und Österreich wurden bereits zahlreiche Initiativen zur Sensibilisierung der Naturnutzer ins Leben gerufen."
Hier einige Beispiele aus Bayern, die sich u. a. mit dem Mountainbiken beschäftigen:
Aktuell der Bayerische Jagdverband:
https://www.jagd-bayern.de/wp-content/uploads/2021/08/BLS_Bestellformular-HerbstWinter.pdf
https://www.michaela-kaniber.de/lok...und-Grundstuecksbesitzer-zusammenbringen.htmlRespektiere Deine Grenzen (inoffizielle Schilder)
Dein Freiraum Mein Lebensraum
Hier besteht noch deutliches Verbesserungspotential. Dazu kommt noch, dass Erholungsuchende sehr wohl erkennen, ob ihnen verkappte Betretungsverbote unter dem Deckmantel der Besuchersensibilisierung begegnen und reagieren entsprechend, so dass der gute Gedanke dann auch an den naturschutzfachlich wirklich wichtigen Stellen verpufft.
Noch eine Anmerkung hierzu:
"Forschungsbedarf besteht weiterhin hinsichtlich der Zusammenhänge von natur- und freizeitsportli-
cher Nutzung und dem Jagderfolg. Hier liegen derzeit keine gesicherten Erkenntnisse vor und in der
Folge kommt es häufig zu Pauschaldebatten."
Dazu braucht man keine Studie:
Der Jagderfolg ist Sache der Jägerschaft und nicht der Erholungsuchenden.
Bei Bedarf und mit gutem Willen ließen sich die Umstände aber oftmals auch einfach für alle Beteiligten verbessern.
Wir erinnern uns an die Formulierung aus dem DAV-Leitfaden (bzw. der Bekanntmachung):
Eignung in Bezug auf die Beschaffenheit des Weges
"Frequentierung durch andere Naturnutzer: Ungeeignet sind Wege mit einem starken Erholungsverkehr ..."
Da schadet es dann nicht, wenn man über die Frequentierung und den Erholungsverkehr Bescheid weiß:
https://www.mountainbike-tourismusf...esuchermonitoring-naturraeume-aktivtourismus/