Auch wenn der Thread schon älter und etwas eingeschlafen ist; wie es scheint poste ich schliesslich als einziger 2x im Jahr hier was

, möchte ich gerne wieder einmal Erfahrungen und Anregungen teilen, daher mal wieder ein langer Ergänzungs-Post.
Weiter oben habe ich ja schon mehrfach gepostet rund um das Thema Gravelbike und Hardtail und welche Anpassungen ich am Hardtail ausprobiert hab und so weiter...wer es bis hierhin geschafft hat, hat es vermutlich gelesen...
Über die vergangenen Jahre habe ich nunmehr über doch so einige Touren, lang, kurz, mit Zelt, mit wenig Gepäck, warm, kalt, Regen und trocken, flache Touren und ebenso auch bergig mit Campingplatz und ohne und so weiter gemacht...übrigens auch immer wieder mal mit meinem Gravelbike, find aber das HT weiterhin für Touren besser...

, dabei habe ich verschiedene Setups am Hardtail ausprobiert, insbesondere mit verschiedenen Gabeln, worüber ich gerne heute schreiben möchte.
Vorneweg, wie oben schon mal gesagt, wenn es darum geht EIN Rad zu haben, mit dem man Touren fährt, was dafür gut geeignet ist und möglichst breit einsetzbar, sowohl flach, wie bergig und auf allen Untergründen und ggf. auch für mehr als nur einen Weekender, dann halte ich persönlich ein Hardtail nach wie vor immer noch für eine hervorragende Ausgangsbasis, wahrscheinlich sogar die beste, weil am vielseitigsten. Zudem ist ein Flatbar meiner Erfahrung nach mit Gepäck und im Gelände auf Touren ohnehin einem Dropbar in vielen Aspekten überlegen, da er vielseitiger ist und offroad mehr Kontrolle bietet, mehr Gepäck ermöglicht und bis auf einen Unterlenker alle nötigen Griffpositionen erlaubt, noch mehr sogar, wenn man Innerbarends montiert. Dann hat man sogar einen Gravelbike-ähnlichen Griffmodus zur Verfügung, der ähnlich wie auf einem Gravellenker auf den Hörnchen ist. (und ja, ein Hardtail ist trotzdem immer noch langsamer als ein Gravelbike)
1. Zum HT Rahmen
Ein eher stabiler (Alu-) Rahmen, nicht zu filigran, nicht zu race-mässig und nicht zu sehr auf Leichtbau getrimmt, eignet sich hervorragend als Basis. Ideal sind auch Aufnahmen für Gepäckträger (für bestimmte Touren machen Gepäcktaschen und ein Gepäckträger durchaus sehr viel Sinn, gerade auch bei einem Einsteiger, der gerne mal etwas mehr mitnimmt oder für Leute, die es gemütlich angehen wollen und kein allzu schweres Gelände fahren sondern eher den Feld- und Waldweg), die aber bei den meisten sportlichen Hardtails kaum mehr vorkommen. Der Sitzwinkel sollte im Bereich der inzwischen üblichen 74 Grad sein, Lenkwinkel würde ich nicht zu flach wählen, idealerweise nicht deutlich flacher als 68 Grad oder sowas (lieber näher an 70 Grad als unter 68), weil sonst die Lenkung dazu neigt beim Einschlagen ab einem gewissen Punkt "abzukippen", was sich nach meiner Erfahrung mit schwerem Gepäck an der Front noch etwas verstärken kann und in aller Regel fährt man ja mit Gepäck auch nicht so superschweres Gelände, wo ein sehr flacher Lenkwinkel eigentlich erst so richtig seine Vorteile ausspielt...dazu habe ich in einem der früheren Posts in diesem Thread weiter oben schon mal was geschrieben.
2. Gabelvarianten
Dass eine Federgabel Komfort bringt, braucht wohl nicht gesagt zu werden...ABER: meine Erfahrung ist, dass Federgabeln bei deutlichem Gepäck an der Front auch gewisse Eigenheiten mit sich bringen und zwar folgende:
• bei 32er Gabeln kann man typischerweise recht gut den Luftdruck soweit erhöhen, dass sie das Mehrgewicht des Gepäcks gut absorbieren...dadurch wird die Gabel natürlich insgesamt härter und ändert etwas ihr Verhalten; ich finde 32er Gabeln mit vollbeladenem Bike im Gelände jedoch nicht ausreichend dimensioniert, das mag aber jeder für sich bewerten. Wenn man mit (sehr) leichtem Gepäck und als leichter Fahrer unterwegs ist machen sie sicher Sinn, haben aber Grenzen zb bei 203er Bremsscheiben und Verwindung bei Beladung und starkem
Bremsen * im Gelände weil sie einfach dauerhaft dafür eher nicht ausgelegt sind.
• 34er / 35er Gabeln sind deutlich (also sehr deutlich) steifer und fühlen sich damit wesentlich weniger schwammig mit Gepäck an, ausserdem machen ihnen 203er Bremsscheiben nix aus, weil sie dafür meist locker freigegeben sind (oft sind 180er Scheiben sogar die Minimalgrösse). ABER: sie sind merklich schwerer, und speziell FOX Gabeln vertragen technisch weniger Maximaldruck als zb
Rockshox * Gabeln aus den 35er Serien (zb
Pike *). Da der benötigte Luftdruck vom Systemgewicht abhängt und man das maximale Gewicht für das die Gabel druckmässig ausgelegt ist, (zb 110Kg) mit Gepäck bei den FOX Gabeln mit 120 psi Maximaldruck durchaus erreichen kann, kann das zu Problemen führen. Vor allem bei grösseren oder schwereren Fahrern oder Beladung mit viel Gepäck insbesondere an der Front, kann dieses Phänomen bei FOX 34 Gabeln auftreten. Das kann im Extremfall in der Ebene dann zu einer virtuell veränderten Geometrie führen, weil der Sag permanent zu viel ist und die Front damit absinkt. Im Gelände wird die Gabel dann wiederum zu weich, was in bestimmten Situationen zu einem unerwartet tiefen Eintauchen bergab und allgemein zu unschönen Situationen führen kann.
Rockshox * Gabeln, zb wie die
Pike * haben ein weitaus höheres Drucklimit (163 psi) was dieses Problem deutlich abschwächt, weil man genügend viel Druck auch bei mehr Gepäck nutzen kann. Zusätzlich kann man sehr einfach auch noch mit Volumenspacern den Stand der Gabel im Federweg und die Progression anpassen. Inwieweit man erfolgreich bei den 34er FOX Gabeln mit Volumenspacern arbeiten kann und damit das Druckproblem in den Griff bekommt, kann ich nicht sagen, weil ich das nie ausprobiert habe...Sonst aber sind 34er oder 35er Gabeln gegenüber 32er Gabeln nach meiner Erfahrung ein erheblicher Gewinn beim Bikepacking, gerade wenn man eine Tour mit entsprechendem Gelände fährt absolut berechtigt und sinnvoll, da sie spürbar Ermüdung im Oberkörper verringern, gewisses Terrain mit Gepäck deutlich besser fahrbar machen, was mit Starrgabel grenzwertig wäre und ein zusätzliches Mass an Sicherheitsreserve bieten. Beim Packen ist man aber gut beraten, wenn man nicht zuviel (gefedertes) Gewicht an die Front / den Lenker anhängt und zurrt...eine sinnvolles Limit war in meinen Versuchen so um 4 Kg (inklusive Getränke am Lenker), darüber war es einfach zuviel, hängt aber auch vom Körpergewicht ab. Leichtere Fahrer können da ggf. auch höher gehen.
Umbau auf eine Starrgabel
--> ACHTUNG: Einbaulänge beachten, 100mm Gabeln sind meist so um die 505mm, 120mm Gabeln so um die 535 oder 540mm Einbaulänge zu finden, die Starrgabel sollte das ungefähr auch haben, allerdings um den Sag bereiningt, also zb bei einem Rahmen, der für 120mm ausglegt ist ist eine Gabel um die 510mm Einbaulänge recht passend...
• man spart bei Umbau unmittelbar im Bereich von >1Kg Gewicht am Bike (Carbon Gabel mit Alu-Schaft und Alu Ausfallenden). Das ist spürbar.
• Die Lenkerhöhe ist fortan logischerweise in jeder Fahrsituation immer gleich, unabhängig vom Beladungszustand, egal ob bergauf oder bergab
• man hat (je nach montierter Starrgabel) direct mounting points für zusätzliche Gepäckhalter an der Gabel (wobei, das m.E. ein untergeordnetes Kriterium ist, da man das an jeder Federgabel problemlos, wie weiter oben im thread zu sehen, lösen kann)
• man kann deutlich mehr Volumen (und auch eingeschränkt etwas mehr Gewicht) am Lenker befestigen, da der Einfederweg wegfällt und das Gepäck daher näher am
Reifen * sein kann
• Das Fahrverhalten wird bei Beladung direkter und auch härter (ist ja auch logisch) und es fällt die "Reserve" im Gelände weg, die durch die sonst vorhandene Federung da ist.
• Bei Montage eines breiteren Reifens (etwa 65mm oder so, also 2.6 oder mehr, 2.35 reicht aber üblicherweise in unseren Breiten, wo man selten lange Sandpassagen fährt, völlig) kann man etwas am Komfort an der Front arbeiten und erhöht zusätzlich noch den Grip an der Front, ohne wirklich viele Nachteile (das Mehrgewicht des breiteren Reifens ist eher zu vernachlässigen, allerdings ist eine hinreichend breite Felge zu empfehlen, mindestens 30mm Innenbreite)
• bei Einbau einer (neuen) Starrgabel hat man (Einbaulänge beachten) die einmalige Chance, die Gabelschaftlänge anzupassen und den Vorbau und damit die gesamte Lenkereinheit nach Belieben nochmal bis zu ein paar cm anzuheben...für lange Touren und je nach Geometrie des vorhandenen Rahmens durchaus ein Vorteil
• Man erhält mit der Starrgabel ein unanfälliges Bauteil, im Vergleich zur Federgabel. Sie braucht keine besondere Wartung, keine spezielle
Pumpe * für den Luftdruck, keine Pflege, nicht einmal eine regelmässige Reinigung. Daher ist eine Starrgabel besonders interessant, wenn man lange Touren in entlegene Gegenden macht, wo von der Verlässlichkeit des Materials ggf. sehr viel abhängen kann, das erkauft man sich freilich mit den oben erwähnten Nachteilen.
• Es ist einfacher einen Nabendynamo zu montieren, da man die Kabelage nicht an einen sich bewegenden Gabelkopf anpassen muss.
• (untergeordneter Punkt: Schutzbleche sind in der Regel auch einfacher zu montieren)
• eine zusätzliche Luftpumpe für eine Federgabel wird auf Touren nicht mehr benötigt (ich hab eine von
Topeak *, die ist zwar kaum grösser als ein langer Kugelschreiber, aber dennoch hab ich sie gerne ausgeräumt)
• Fairerweise muss man aber sagen, dass eine Federgabel in der Realität aber nun mal komfortabler ist und man im Oberkörper gerade im Gelände und bei langen Tagen im
Sattel * nicht so sehr belastet wird und dadurch auch nicht so schnell ermüdet, dafür "fühlt" sich eine Starrgabel schneller an
Ist nun eine Federgabel besser oder eine Starrgabel?
Ich glaube das muss letztlich jeder selber entscheiden...ich wechsele bei Bedarf (zurück) auf eine Federgabel, wenn ich Touren mit entsprechendem Gelände vorhabe. Gabeltausch ist ja recht fix gemacht...aber ehrlicherweise hab ich mich aus den oben genannten Gründen mittlerweile sehr für eine Starrgabel erwärmen können. Irgendwie ist es mit einer starren Gabel unkomplizierter...und man kann mit einem breiten Vorderreifen trotzdem erstaunlich viel Gelände fahren...Was mich aber vor allem begeistert ist, dass ich im Grunde nur ein Rad habe, es aber mit wenigen Handgriffen sehr gut an die geplante Tour anpassen kann und ein zweites draus machen kann, und das ist echt cool...gerade, wenn man weiss, dass es mal mehr um flache aber dafür viele Km geht, statt viel schweres Gelände...Spart einem glatt ein Rad (nicht, dass das irgendwer wollte...)
Soweit mal zu Hardtail, Bikepacking und Gabeln...in diesem Sinne allen happy Schraubing und viele schöne Touren in 2022.