Bayern Haftung der Wegehalter (Straßeneigentümer)

Registriert
29. September 2004
Reaktionspunkte
9
Hallo aus Österreich,

bei uns startet wieder einmal ein Versuch (gibts schon einen thread, hab ich gesehen), unseren Gesetzgeber dazu zu bewegen, die Forststraßen für Radler frei zu geben. Demnächst findet hierzu auch eine Podiumsdiskussion statt, bei der ich meinen juristischen Senf beisteuern soll/darf.

Ich surf daher zur Vorbereitung quer durchs Netz und hab das sehr interessante Bayernmodell gefunden und die entspr. interessante Bestimmung des NatSchG in Bayern ("geeignete Wege).

Bei uns kommt immer das Killerargument der Gegner: "Jo, oba die Haftung der Wegehalter". Weil da gabs einmal einen Fall, wo´s irgend einen patscherten Radlfahrer auf einer Forstraße, auf der er nicht hätte fahren dürfen, aufghaut hat, weil halt irgend ein Loch, oder Hügel oder was weiß ich im Weg war, und der hatte nichts besseres zu tun, als den Wegehalter zu klagen und unsere schlauen Gerichte haben ihm auch noch recht gegeben....:rolleyes:

Da ich´s einfach nicht mehr schaff, rechtzeitig die Gesetzeslage der BRD zu durchforsten, bitte ich um Eure Hilfe:

Wie ist die Rechtslage in D hinsichtlich Wegehalterhaftung?
War Wegehalterhaftung bei der Erarbeitung des Bayrischen Modellls ein Thema, wenn ja wie wurde das gelöst?
Kennt jemand Entscheidungen zu Fällen, die ähnlich dem oben geschilderten sind?


Das folgende ist nicht bös gemeint: Bitte, nur um Antworten von Profis oder links, die darauf bezug haben, weil ich nicht mehr allzuviel Zeit habe, die Infos zu verifizieren.

Wer sich hier nicht als Profi outen will, kann mir auch gerne Infos per Mail zukommen lassen: [email protected]

Vielen herzlichen Dank im Voraus einmal. Vielleicht werdet ihr (und wir) ja dafür mit offenen Forststr. belohnt.

Matsch Gatsch

Michael


P.S. Wenn ich im Gegenzug bei Fragen mit Bezug zum Ö Recht helfen kann, gerne. Bitte zur Sicherheit auch per Mail melden, weil ich nicht so oft im IBC bin
 
Eine kurze Juris-Recherche zu Deiner Frage (Suchwörter "Radfahren", "Wald", "Unfall", "Haftung") ergibt gerade einmal ein (!) einschlägiges Urteil eines deutschen Gerichts mit folgendem Leitsatz:

"Mit Rücksicht auf die Lage und geringe Bedeutung eines Wald- und Wiesenweges in einem Naturpark sind an die Verkehrssicherungspflichten des Trägers der Wegebaulast geringe Anforderungen zu stellen. Die Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmer (hier: Radfahrer) steht auf einem unbefestigten Wirtschaftsweg im Vordergrund."

Quelle: OLG Naumburg (Sachsen-Anhalt), Urteil vom 14.07.2007, 10 U 24/06

Das Killerargument zieht also in Deutschland nicht. Die Rechtslage in Österreich ist da aber nach meiner Kenntnis deutlich strenger.
 
Eine kurze Juris-Recherche zu Deiner Frage (Suchwörter "Radfahren", "Wald", "Unfall", "Haftung") ergibt gerade einmal ein (!) einschlägiges Urteil eines deutschen Gerichts mit folgendem Leitsatz:

"Mit Rücksicht auf die Lage und geringe Bedeutung eines Wald- und Wiesenweges in einem Naturpark sind an die Verkehrssicherungspflichten des Trägers der Wegebaulast geringe Anforderungen zu stellen. Die Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmer (hier: Radfahrer) steht auf einem unbefestigten Wirtschaftsweg im Vordergrund."

Quelle: OLG Naumburg (Sachsen-Anhalt), Urteil vom 14.07.2007, 10 U 24/06

Das Killerargument zieht also in Deutschland nicht. Die Rechtslage in Österreich ist da aber nach meiner Kenntnis deutlich strenger.

Herzlichen Dank,

das hilft schon einmal weiter!

Herrliche Frühsommertage Euch allen (in Ostösterreich beginnt der Tag schon wie ein kühler Sommermorgen) und das im April....
 
Aus bay. Sicht kann ich soviel schreiben ohne Details zu nennen ...

1. Es besteht allgemein bzw. grundstätzlich eine Verkehrssicherungspflicht bzw. Unterhaltungspflicht des Grundstückseigentümers oder Pächters auch für Wald- und Forstwege (abgeleitet aus §§ 823/836 BGB)

2. Das Betretungsrecht für die freie Natur - auch mit dem Rad - ist im BayNatSchG geregelt. Hier steht auch explizit der Hinweis zur Radnutzung (nur auf geeignete Wege). Wer auf ungeeigneten Wegen fährt (Querfeldeinfahren, abseits der Wege, Rückegassen, Lehrpfade) benötigt hierzu die ausdrückliche Zustimmung des Grundstückseigentümers.

3. In Art. 21 /3 BayNatSchG steht, dass die Betretung grundsätzlich auf eigene Gefahr (auch im Bundeswaldgesetz und BayWaldG) erfolgt und dass vorbehaltlich anderer Rechtsvorschriften (siehe § 823 BGB) keine zusätzlichen oder besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten der betroffenen Grundeigentümer oder sonstiger Berechtigter begründet werden. Insofern wird der Ball hier "flach" gehalten.

5. Wie eingangs schon erwähnt, ist die Verkehrssicherungspflicht nicht gesetzlich definiert, sondern leitet sich ab, und hierbei spielt das "Richterrecht" oder wie man so schön sagt die "Einzelfallbetrachtung" eine gewichtige Rolle. Allgemein gültig kann man aber als definiert ansehen, dass der Gesetzgeber zwischen typischen und atypischen Gefahrenquellen im Wald unterscheidet. Letztlich muß ein "normaler" Wanderer oder Biker vor atypischen Gefahren durch den GS-Eigentümer gewarnt werden. Was typische Gefahren sind setzte ich als bekannt voraus. Atypisch sind alle nicht naturbedingte Dinge auf den Wegen, insbesondere die, die vom Grundstückseigentümer selbst geschaffen wurden z.b. Gruben, Löcher, Wegsperrungen, Brücken die vor dem Zusammenbruch stehen, etc.

6. Wird der Rad- oder Wanderweg in einer Karte eingezeichnet oder ausgeschildert, hat dies im Sinne der Haftung keine Auswirkungen. Durch die erhöhte Frequentierung können sich erhöhte Haftungsrisiken ergeben. Übernimmt die Kommune die Baulast für einen Rad- Wanderweg, dann geht auch die Haftung auf die Gemeinde über und der Privatmann bleibt außen vor.

7. Wie immer bei Versicherungen, sollte sich der Waldbesitzer zumindest mit dem Fall der Fälle auseinandergesetzt haben und seine Versicherung dahingehend befragen. Auf bay. Seite gab es im Zuge der Bayernwege für Radler auch Anfragen in die Versicherungswirtschaft für Sammelversicherungen. Klagen gibt es wenig, ist ja nicht verboten, aber die wenigen Klagen reichen, um Biker bei den Waldbesitzern nicht beliebter zu machen.
 
Bin kein "Profi", aber vielleicht bekommst Du ne Idee von den Regelungen zum Befahrungsrecht in D:


Der grundsätzliche Unterschied zu Österreich ist das im deutschen Bundeswaldgesetz festgeschriebene Befahrungsrecht von Wegen:

Bundeswaldgesetz § 14 Betreten des Waldes

(1) Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr.

(2) Die Länder regeln die Einzelheiten. Sie können das Betreten des Waldes aus wichtigem Grund, insbesondere des Forstschutzes, der Wald- oder Wildbewirtschaftung, zum Schutz der Waldbesucher oder zur Vermeidung erheblicher Schäden oder zur Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Waldbesitzers, einschränken und andere Benutzungsarten ganz oder teilweise dem Betreten gleichstellen.


Ob dieses grundsätzliche Befahrungsrecht von Wegen nach den bevorstehenden Gesetzesnovellen noch Bestand hat ist fraglich: http://www.dimb.de/index.php?option=com_content&task=view&id=149&Itemid=2


Die "Einzelheiten" findest Du hier:
http://www.dimb.de/images/stories/pdf/rechtslage-2005-kurz.pdf
http://www.dimb.de/images/stories/pdf/rechtslage-deutschland041007.pdf

Ein paar Hintergründe speziell zum BayNatSchG über die Links auf
http://www.mtb-news.de/forum/showpost.php?p=3579318&postcount=8




Bei uns kommt immer das Killerargument der Gegner: "Jo, oba die Haftung der Wegehalter". Weil da gabs einmal einen Fall, wo´s irgend einen patscherten Radlfahrer auf einer Forstraße, auf der er nicht hätte fahren dürfen, aufghaut hat, weil halt irgend ein Loch, oder Hügel oder was weiß ich im Weg war, und der hatte nichts besseres zu tun, als den Wegehalter zu klagen und unsere schlauen Gerichte haben ihm auch noch recht gegeben....:rolleyes:
[...]
Wie ist die Rechtslage in D hinsichtlich Wegehalterhaftung?
War Wegehalterhaftung bei der Erarbeitung des Bayrischen Modellls ein Thema, wenn ja wie wurde das gelöst?
Kennt jemand Entscheidungen zu Fällen, die ähnlich dem oben geschilderten sind?
Hier kommen wir zur "Benutzung auf eigene Gefahr" und damit zur Rechtsprechung zu Verkehrssicherungspflichten der Wegehalter. Es wird zwischen typischen (Schlagloch, Geröll, Ast auf Weg, Sturmschaden kurz nach Sturm -> keine Haftung) und atypischen Gefahren (Kennzeichnung von Weidegattern und Schranken, Baustellen/Gräben auf Weg, Sicherungsmaßnahmen Totholz am Wegrand -> Haftung) unterschieden (gilt im Prinzip auch bei Wege- und Totholzunfällen mit Wanderern):
http://www.mtb-news.de/forum/showpost.php?p=1409093&postcount=32
http://www.mtb-news.de/forum/showpost.php?p=1164516&postcount=48
http://www.mtb-news.de/forum/showpost.php?p=1167724&postcount=8

Der aktuelle link des BfN-Skripts "Verkehrssicherungspflicht in Großschutzgebieten" lautet http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/skript84.pdf


Um den teilweise berechtigten Ängsten der Wegehalter also vorzugreifen, müssten diese Haftungsausschlüsse entsprechend differenziert bereits im Gesetzestext behandelt werden. Eine Orientierung könnte Dir auch Eure Rechtsprechung zu Wege- und Totholzunfällen mit Wanderern geben.
 
VIELEN DANK FÜR EURE MÜHE!

DAMIT KANN ICH WIRKLICH WAS ANFANGEN:daumen:

Haltet Euch nicht mehr auf, schwingt Euch auf die Bikes und radelts durch den Wald... ihr dürfts das ja....

Nochmals THX!
 
Ich poste einfach mal noch ein paar Leitsätze.

Zunächst das in den vorherigen Postings bzw. Links schon angesprochene Urteil des OLG Köln (Urteil vom 13.01.1998, 19 U 109/97)

1. Kommt ein Mountainbiker auf einem Waldweg in der Nähe eines Jugendheimes zu Fall, weil ein Weidedraht, den ein Landwirt während eines Viehtriebs gespannt hatte, noch in ca 1 m Höhe quer über den Weg gespannt war, haftet der Landwirt unter dem Aspekt der Verkehrssicherungspflichtverletzung für den materiellen und immateriellen Verletzungsschaden des Radfahrers.

2. Zu den Verkehrssicherungspflichten eines Landwirts, insbesondere im Einzugsgebiet einer Großstadt (hier: im Bergischen Land), gehört es auch, Veränderungen des Freizeitverhaltens der Bevölkerung zur Kenntnis zu nehmen und sich darauf einzustellen. Gerade Wald- und Wiesenwege gehören zu den bevorzugten Flächen für Freizeitsportler, wie Wanderer, Jogger und Radfahrer. Von daher kann eine ständige Übung, auf Waldwegen einfachen Weidedraht zur Absperrung während des Viehtriebs zu benutzen, nicht mehr anerkannt werden. Die Landwirte in der Umgebung von Freizeitsportlern genutzter Flächen sind vielmehr gehalten, besser erkennbare, einfach zu handhabende und leicht und billig zu beschaffende andere Absperrmittel, wie zB die überall erhältlichen rotweißen Plastikketten, zu verwenden. Es ist sogar zumutbar, solche Ketten oder vergleichbare Absperrmittel nicht draußen liegenzulassen, sondern beim Viehtrieb jeweils vom Hof mitzunehmen.

Aber man sollte zumindest nüchtern sein, wie das folgende Urteil des LG Gera (Urteil vom 12.12.2005, 4 O 2007/04) zeigt:

1. Die Benutzung des Waldes erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr. Ein Waldbesitzer muss vor den typischen Waldgefahren nur dann schützen, wenn er Anzeichen übersehen, verkannt oder missachtet hat, die auf eine besondere Gefahrenlage hindeuten. Darüber hinaus muss er die Waldbesucher auf Grund seiner "normalen" Verkehrssicherungspflicht soweit möglich vor atypischen Gefahren schützen. Atypisch sind alle nicht durch die Natur oder durch die Art der Bewirtschaftung mehr oder minder zwangsläufig vorgegebenen Zustände, insbesondere vom Waldbesitzer selbst geschaffene Gefahrenquellen.

2. Der Waldbesitzer haftet nicht aus Verkehrssicherungspflichtverletzung, wenn ein (alkoholisierter) Waldbesucher nachts bei Dunkelheit in einen neben einem Forstwirtschaftsweg befindlichen Schacht stürzt, der angelegt wurde, um in einer Geländesenke die Unterspülung des Weges zu verhindern.

Unf für die Winterbiker habe ich noch was zum Schmunzeln (OLG Saarbrücken, Urteil vom 25.01.2005, 4 U 212/04 - 43, 4 U 212/04):

Ein Volkswanderverein muss bei einer winterlichen Volkswanderung vereiste Wegeflächen, die entweder als solche ohne weiteres erkennbar sind oder die auch von den Verantwortlichen des Vereins bei einer Kontrollbegehung nicht erkannt werden können, weder vom Eis befreien noch auf diese durch besondere Schilder hinweisen.

Last but not least - auch die Reiter leben im Wald gefährlich, wie das OLG Karlsruhe (Urteil vom 21.94.1995, 14 U 276/94) feststellte:

Dem Eigentümer eines Reitpferdes, das auf einem Wanderweg mit dem rechten Hinterhuf in eine von einem Naturschutzbund angebrachte Krötenleitanlage gerät und sich hierbei verletzt, steht gegen die verkehrssicherungspflichtige Stadt kein Schadensersatzanspruch zu, da gemäß LWaldG § 37 Abs 1 S 2 (juris: WaldG BW), NaturschutzG § 38 Abs 2 S 1 (juris: NatSchG BW) das Reiten im Wald auf Wanderwegen nicht gestattet ist und gegenüber Personen, die sich unbefugt in einen Gefahrenbereich begeben, keine Verkehrssicherungspflicht besteht.

Schönes WE und viel Spaß beim Biken
 
Zurück