Ein denkwürdiges Erlebnis zum Thema, was man im Verkauf alles falsch machen kann, wenn denn sonst alles stimmt, oder "Wie werde ich Interessenten los in zehn Minuten". Hat mich irgendwie noch eine Weile beschäftigt, und weil es dann doch letztlich unterhaltsam ist, poste ich das mal hierhin :
Bühne: Shop eines Versenders in Bonn. Tolles zweigeschossiges Haus, sehr umfangreiches und hochwertiges Angebot, insgesamt hervorragender Ersteindruck.
Dann aber: Auftritt Verkäufer. Schweigt, mustert den Kunden aus der Entfernung, bewegt sich nicht. Kunde nähert sich zögernd, könnte ja sein, dass das wirklich ein Berater ist... Oder doch nur Aufpasser? Türsteher?
Kunde: "Ich hätte gerne ein MTB, weiß nicht ob Fully oder HT, im Bereich 1000 - 1200 Euro"
Verkäufer zitiert aus der ungeschriebenen Branchenbibel: "Dann eindeutig Hardtail. Lieber ein gut ausgestattetes HT als ein schlechtes Fully" (ok, damit hat er ja wahrscheinlich Recht, aber hinter ihm - das erkenne ich aber erst später - stehen eine ganze Reihe Fully-Vorjahresmodelle, von ca. 1600 auf ca. 1250 heruntergesetzt. Die scheinen für ihn in diesem Moment nicht zu existieren. Außerdem fragt man sich bei solchen Aussagen: Warum verkaufen die Fullys u.a. für 1100 Euro, wenn sie das für totalen Stuss halten? Vielleicht reicht es ja für mein Einsatzgebiet?)
Kunde: "Ich weiß nicht, vielleicht ist das Fully aber auf langen Strecken dennoch komfortabler?"
Verkäufer rollt mit den Augen: "Nö. Das macht keinen Unterschied" (ich armer unwissender Laie, wie kann ich es wagen, solche Thesen überhaupt aufzustellen... Andererseits: Ich wohne in der Kölner Innenstadt, und das ist manchmal schlimmer als Cross Country ;-) Gleise, Schaglöcher, Kopfsteinpflaster, hohe Bordsteine, usw. Ich fahre ein 'Billig'-Fully für <1000 DM (ja, DM, inzwischen 10 Jahre alt!) und weiß, wie viel die Heck-Federung arbeiten muss. Auch das scheint ihn aber nicht zu interessieren, sonst würde er ja fragen?!? Er weiß nichts über mich, und beschließt, es dabei zu belassen)
Kunde: "Ich finde schon, dass das einen Unterschied macht, selbst in der Stadt, ich meine..."
Verkäufer unterbricht in sarkastischem Ton: "Dann wollen Sie also gar kein Hardtail, sondern haben sich schon auf ein Fully festgelegt" (touché, da hat er's mir aber gezeigt - welch messerscharfe Diagnose meiner aktuellen Befindlichkeit. Ich frage mich allerdings, wann denn nun seine Beratungsinstinkte erwachen, aber nach der erhellenden Diagnose kommt nichts mehr. Ich glaube, der Preisrahmen hat mich in seinen Augen zu einem 'Zeitstehlfaktor' (man könnte auch sagen: Kassenpatient) schrumpfen lassen. Da ist nichts zu holen! Soweit käme es noch, dass er wegen mir einen RICHTIGEN Kunden verpasst).
Kunde: zunächst sprachlos, dann: "Na ja, ich müsste es vielleicht mal im Vergleich testen - es hat sich ja bestimmt einiges getan in den letzten Jahren"
Verkäufer, desinteressiert: "Das bringt nix. Straße rauf, Straße runter, 10 Minuten, da merkt man keinen Unterschied, Und für länger leihen wir nicht aus" (das mit der eingeschränkten Mietdauer kann ich ja noch nachvollziehen, aber was kommt nun? Irgendein Angebot, Hinweis auf reduzierte Modelle, Fragen zum Einsatzbereich, irgendwas? Fehlanzeige. Der Verkäufer schaltet wieder auf Überwachungsmodus, langweilt sich)
Kunde ratlos: hmmm
Verkäufer, gnädig: Na ja, vielleicht kommt Ihnen ja noch eine Erleuchtung
Kunde: wer weiß... (schlendert weiter, immer noch ratlos, 'Was mach ich hier eigentlich?')
In den folgenden ca. 10 Minuten werde ich vom Verkäufer zwar beobachtet (Wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen), aber zugleich übersehen, was eine Kunst ist, denn wir sind nur zwei Kunden auf der Etage (der andere wird konsequenterweise auch ignoriert, das hätte mir sonst zu Denken gegeben ;-)).
Später entdecke ich die besagten Bikes knapp außerhalb meines Preisrahmens, von 1500/1600 auf 1250 herabgesetzt (also eine verhandelbare Größe), eines als Einzelstück mit überwiegend XT-Ausstattung, Fox Reba, etc. sogar auf 999 Euro. Wirklich unbrauchbar...?
Eigentlich toll. Ich hätte eines davon auch gekauft.
Aber auf einmal hatte ich gar keine Lust mehr.
Ich bin dann einfach gegangen.
Als Fazit und Essenz der Begegnung kann ich nun als Leitfaden für Verkäufer zusammenfassen:
- Kunden kommen lassen, nicht zur Kontaktaufnahme ermutigen. Kann ja sein, dass er freiwillig Leine zieht, so dass man seine Stimme schonen kann
- Solange der Kunde nicht ganz genau weiß was er will, besser nicht weiter drauf eingehen. Ist reine Zeitverschwendung, die meisten kaufen ja eh nichts.
- Besser nicht nachfragen, wofür das Bike eigentlich benötigt wird. Auch nicht nach Vorerfahrungen, Präferenzen, gesundheitlichen Problemen. Nicht dass der auf die Idee kommt, einem die ganze Lebensgeschichte einschließlich Verletzungen und Krankheiten aufzuschwatzen.
- Jede Form von Freundlichkeit ist zu vermeiden. Das würde Kunden unnötig ermutigen, einen Preisnachlass zu verhandeln. Nur Schroffheit garantiert Preis-Stabilität.
- Der Kunde muss sich meine Sympathie verdienen. Wenn ich nur noch Bestandskunden ab einer gewissen Einkommensgruppe zuvorkommend behandle, fühlen sie sich erhöht und sind stolz, dass sie zu dem Kreis dazugehören. Das ist wahre Kundenbindung.
- Lasse den Kunden jederzeit Dein 'Mehrwissen' spüren. Gebe zugleich so wenig wie möglich von Deinem Wissen Preis. Damit er dich auch weiterhin braucht. Das Schlimmste sind die 'halbwissenden' Einsteiger: Demonstriere ihnen ihr Unwissen, verunsichere sie, dann schauen sie zu Dir auf!
Was ich damit sagen will: Ich bin selbst überrascht, wie stark sich die Persönlichkeit des Beraters/Verkäufers noch auswirkt, unabhängig vom Angebot im Laden. Im Grunde habe ich ja nur Pech gehabt und den Falschen erwischt (und er vielleicht den falschen Tag). Aber ich bin so nachhaltig enttäuscht, dass ich gar nicht weiß, ob ich mich dieses Jahr überhaupt noch einmal einem 'Beratungsgespräch' aussetzen soll.
Das ist völlig irrational, das weiß ich auch. Aber das sind Mountainbikes auch ;-)
Ich finde, die Zeit vor dem Kauf ist ja mit das Schönste daran. Das Informieren, das Stöbern im Forum, Broschüren, Nachdenken, Reden, Testen, usw. Wenn das alles nur die Hölle wäre, könnte ich mir Neukäufe sparen bis zum Tag, an dem etwas irreparabel kaputt geht.
Mein altes Fahrrad fährt (und federt) aber noch. Und ich überlege nun ernsthaft, mir einfach nur die Bremsen erneuern zu lassen. Aber nur, wenn das Gespräch mit der Werkstatt einigermaßen erfreulich laufen sollte...
PS: Was Gespräche mit Fahrradhändlern angeht, sind die Erfahrungen sicher so unterschiedlich wie die Menschen, die dort aufeinandertreffen. Dennoch finde ich, dass eine gewisse Arroganz sehr oft zur Grundausstattung der Verkäufer gehört, zumindest bei Fachhändlern, die auch den High-End Bereich abdecken, und zumindest bei Interessenten, die bei Preisen oberhalb 1500 Euro zusammenzucken. Ein paar von den Punkten auf der Liste (s.o.) habe ich bislang bei fast jedem Gespräch bemerkt.
Bühne: Shop eines Versenders in Bonn. Tolles zweigeschossiges Haus, sehr umfangreiches und hochwertiges Angebot, insgesamt hervorragender Ersteindruck.
Dann aber: Auftritt Verkäufer. Schweigt, mustert den Kunden aus der Entfernung, bewegt sich nicht. Kunde nähert sich zögernd, könnte ja sein, dass das wirklich ein Berater ist... Oder doch nur Aufpasser? Türsteher?
Kunde: "Ich hätte gerne ein MTB, weiß nicht ob Fully oder HT, im Bereich 1000 - 1200 Euro"
Verkäufer zitiert aus der ungeschriebenen Branchenbibel: "Dann eindeutig Hardtail. Lieber ein gut ausgestattetes HT als ein schlechtes Fully" (ok, damit hat er ja wahrscheinlich Recht, aber hinter ihm - das erkenne ich aber erst später - stehen eine ganze Reihe Fully-Vorjahresmodelle, von ca. 1600 auf ca. 1250 heruntergesetzt. Die scheinen für ihn in diesem Moment nicht zu existieren. Außerdem fragt man sich bei solchen Aussagen: Warum verkaufen die Fullys u.a. für 1100 Euro, wenn sie das für totalen Stuss halten? Vielleicht reicht es ja für mein Einsatzgebiet?)
Kunde: "Ich weiß nicht, vielleicht ist das Fully aber auf langen Strecken dennoch komfortabler?"
Verkäufer rollt mit den Augen: "Nö. Das macht keinen Unterschied" (ich armer unwissender Laie, wie kann ich es wagen, solche Thesen überhaupt aufzustellen... Andererseits: Ich wohne in der Kölner Innenstadt, und das ist manchmal schlimmer als Cross Country ;-) Gleise, Schaglöcher, Kopfsteinpflaster, hohe Bordsteine, usw. Ich fahre ein 'Billig'-Fully für <1000 DM (ja, DM, inzwischen 10 Jahre alt!) und weiß, wie viel die Heck-Federung arbeiten muss. Auch das scheint ihn aber nicht zu interessieren, sonst würde er ja fragen?!? Er weiß nichts über mich, und beschließt, es dabei zu belassen)
Kunde: "Ich finde schon, dass das einen Unterschied macht, selbst in der Stadt, ich meine..."
Verkäufer unterbricht in sarkastischem Ton: "Dann wollen Sie also gar kein Hardtail, sondern haben sich schon auf ein Fully festgelegt" (touché, da hat er's mir aber gezeigt - welch messerscharfe Diagnose meiner aktuellen Befindlichkeit. Ich frage mich allerdings, wann denn nun seine Beratungsinstinkte erwachen, aber nach der erhellenden Diagnose kommt nichts mehr. Ich glaube, der Preisrahmen hat mich in seinen Augen zu einem 'Zeitstehlfaktor' (man könnte auch sagen: Kassenpatient) schrumpfen lassen. Da ist nichts zu holen! Soweit käme es noch, dass er wegen mir einen RICHTIGEN Kunden verpasst).
Kunde: zunächst sprachlos, dann: "Na ja, ich müsste es vielleicht mal im Vergleich testen - es hat sich ja bestimmt einiges getan in den letzten Jahren"
Verkäufer, desinteressiert: "Das bringt nix. Straße rauf, Straße runter, 10 Minuten, da merkt man keinen Unterschied, Und für länger leihen wir nicht aus" (das mit der eingeschränkten Mietdauer kann ich ja noch nachvollziehen, aber was kommt nun? Irgendein Angebot, Hinweis auf reduzierte Modelle, Fragen zum Einsatzbereich, irgendwas? Fehlanzeige. Der Verkäufer schaltet wieder auf Überwachungsmodus, langweilt sich)
Kunde ratlos: hmmm
Verkäufer, gnädig: Na ja, vielleicht kommt Ihnen ja noch eine Erleuchtung
Kunde: wer weiß... (schlendert weiter, immer noch ratlos, 'Was mach ich hier eigentlich?')
In den folgenden ca. 10 Minuten werde ich vom Verkäufer zwar beobachtet (Wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen), aber zugleich übersehen, was eine Kunst ist, denn wir sind nur zwei Kunden auf der Etage (der andere wird konsequenterweise auch ignoriert, das hätte mir sonst zu Denken gegeben ;-)).
Später entdecke ich die besagten Bikes knapp außerhalb meines Preisrahmens, von 1500/1600 auf 1250 herabgesetzt (also eine verhandelbare Größe), eines als Einzelstück mit überwiegend XT-Ausstattung, Fox Reba, etc. sogar auf 999 Euro. Wirklich unbrauchbar...?
Eigentlich toll. Ich hätte eines davon auch gekauft.
Aber auf einmal hatte ich gar keine Lust mehr.
Ich bin dann einfach gegangen.
Als Fazit und Essenz der Begegnung kann ich nun als Leitfaden für Verkäufer zusammenfassen:
- Kunden kommen lassen, nicht zur Kontaktaufnahme ermutigen. Kann ja sein, dass er freiwillig Leine zieht, so dass man seine Stimme schonen kann
- Solange der Kunde nicht ganz genau weiß was er will, besser nicht weiter drauf eingehen. Ist reine Zeitverschwendung, die meisten kaufen ja eh nichts.
- Besser nicht nachfragen, wofür das Bike eigentlich benötigt wird. Auch nicht nach Vorerfahrungen, Präferenzen, gesundheitlichen Problemen. Nicht dass der auf die Idee kommt, einem die ganze Lebensgeschichte einschließlich Verletzungen und Krankheiten aufzuschwatzen.
- Jede Form von Freundlichkeit ist zu vermeiden. Das würde Kunden unnötig ermutigen, einen Preisnachlass zu verhandeln. Nur Schroffheit garantiert Preis-Stabilität.
- Der Kunde muss sich meine Sympathie verdienen. Wenn ich nur noch Bestandskunden ab einer gewissen Einkommensgruppe zuvorkommend behandle, fühlen sie sich erhöht und sind stolz, dass sie zu dem Kreis dazugehören. Das ist wahre Kundenbindung.
- Lasse den Kunden jederzeit Dein 'Mehrwissen' spüren. Gebe zugleich so wenig wie möglich von Deinem Wissen Preis. Damit er dich auch weiterhin braucht. Das Schlimmste sind die 'halbwissenden' Einsteiger: Demonstriere ihnen ihr Unwissen, verunsichere sie, dann schauen sie zu Dir auf!
Was ich damit sagen will: Ich bin selbst überrascht, wie stark sich die Persönlichkeit des Beraters/Verkäufers noch auswirkt, unabhängig vom Angebot im Laden. Im Grunde habe ich ja nur Pech gehabt und den Falschen erwischt (und er vielleicht den falschen Tag). Aber ich bin so nachhaltig enttäuscht, dass ich gar nicht weiß, ob ich mich dieses Jahr überhaupt noch einmal einem 'Beratungsgespräch' aussetzen soll.
Das ist völlig irrational, das weiß ich auch. Aber das sind Mountainbikes auch ;-)
Ich finde, die Zeit vor dem Kauf ist ja mit das Schönste daran. Das Informieren, das Stöbern im Forum, Broschüren, Nachdenken, Reden, Testen, usw. Wenn das alles nur die Hölle wäre, könnte ich mir Neukäufe sparen bis zum Tag, an dem etwas irreparabel kaputt geht.
Mein altes Fahrrad fährt (und federt) aber noch. Und ich überlege nun ernsthaft, mir einfach nur die Bremsen erneuern zu lassen. Aber nur, wenn das Gespräch mit der Werkstatt einigermaßen erfreulich laufen sollte...
PS: Was Gespräche mit Fahrradhändlern angeht, sind die Erfahrungen sicher so unterschiedlich wie die Menschen, die dort aufeinandertreffen. Dennoch finde ich, dass eine gewisse Arroganz sehr oft zur Grundausstattung der Verkäufer gehört, zumindest bei Fachhändlern, die auch den High-End Bereich abdecken, und zumindest bei Interessenten, die bei Preisen oberhalb 1500 Euro zusammenzucken. Ein paar von den Punkten auf der Liste (s.o.) habe ich bislang bei fast jedem Gespräch bemerkt.