Das Team von Lean Cycles hat bei den Craft Bike Days 2024 ein absolutes Highlight präsentiert. Der hauseigene Enduro-Prototyp zeigt, was fertigungstechnisch alles möglich ist – und wenig überraschend wurde das Schmuckstück aus der Schweiz auch völlig verdient zum Bike of the Show gewählt.
Die schlechte Nachricht vorneweg: Nein, die Kreation aus dem Hause Lean Cycles kann man leider nicht kaufen. Das ist wirklich schade, denn der Enduro-Prototyp ist ein echter Hingucker und dürfte keinen seriösen Mountainbiker kaltlassen. Aktuell ist das Rad ausschließlich als Konzept-Bike gedacht, um zu zeigen, was mit modernen Fertigungsmethoden machbar ist. Erst in der Woche vor den Craft Bike Days 2024 ist der Prototyp überhaupt fertiggestellt worden – und der technische Leckerbissen wurde von den teilnehmenden Firmen der Craft Bike Days 2024 direkt zum „Bike of the Show” gewählt.
Video: Alle Infos zu Lean Cycles und zum Bike of the Show
Vom Feierabendbier-Projekt zu Lean Cycles
Hinter Lean Cycles stehen Luca, Robert und Kilian aus der Schweiz. Kennengelernt haben die drei sich im Studium: Ganz klassisch hat das Trio Maschinenbau studiert. Und wie Luca im Gewinner-Video erklärt, bestand zunächst gar nicht die Absicht, eine Firma zu gründen – stattdessen hat es sich in den Anfangstagen um ein Feierabendbier-Projekt. „Wir hatten wilde Ideen und wollten einfach genau das machen, was wir cool fanden, ohne irgendwie marktgetrieben zu sein oder über Finanzielles oder die Industrialisierbarkeit nachzudenken.“ Zwei Jahre ist das ungefähr her. „Und jetzt sind wir hier!“
An den grundsätzlichen Zielen hat sich aber nichts geändert. Mit dem Konzept-Bike möchte Lean Cycles zeigen, was mit verschiedenen Fertigungstechniken, verschiedenen Fügetechniken und verschiedenen Materialien so möglich ist. Das gesammelte Know-How möchten Luca, Robert und Kilian auch nutzen, um Ingenieurs-Dienstleistungen anzubieten und den Rahmenbau insgesamt auf ein neues Level zu heben.
Dass es Lean Cycles überhaupt gibt, ist auch ein Stück weit der Bürokratie der Fachhochschule Nordschweiz zu verdanken. Luca Bühlmann wollte seine Abschlussarbeit schließlich über die Entwicklung eines Enduro-Rahmens mit unterschiedlichen Materialien und Fertigungsmethoden schreiben. Dies konnte aber nicht in Eigenregie gemacht werden, sondern musste durch ein Unternehmen angeleitet werden. Die clevere wie naheliegende Lösung: Das eigene Unternehmen – Lean Cycles – muss her. Wer sich in das Thema weiter reinfuchsen möchte, kann sich gerne im Paper von Luca vertiefen:
LeanCycles_PaperdraftV1_MailversionBike of the Show: Lean Cycles Enduro-Prototyp
Doch zurück zum Enduro-Prototyp von Lean Cycles, der bei den Craft Bike Days 2024 für Furore gesorgt hat. Bei dem Schmuckstück handelt es sich wie bereits erwähnt um eine Machbarkeits-Studie, die bisher noch keinen Trail-Meter gesehen hat. Entsprechend gibt es keine konkreten Angaben zum Federweg oder zur Geometrie. Es handelt es sich aber um ein auf Coil-Dämpfer ausgelegtes Enduro-Bike mit Mullet-Konfiguration und Pinion-Getriebe. Das Getriebe mit Riemen zeichnet sich durch geringe Wartungsintensität und eine hohe Langlebigkeit aus – perfekt für den harten Enduro-Einsatz.
Ein weiterer Vorteil des Systems: Die ungefederte Masse wird reduziert – das soll in Kombination mit dem High-Pivot-System mit Link zu einem sehr sensiblen Ansprechverhalten und einer hohen Progression führen. Dämpfer und Getriebe sind sehr tief und zentral im Rahmen platziert. Bei den ersten Versionen des Konzepts war das Material übrigens noch ein gänzlich anderes, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Die optimale Progression und Kinematik wurde zunächst nämlich auch aus Lego zusammengebastelt.
Davon abgesehen hat das Lean Cycles Enduro-Bike aber nur wenig mit den eckigen Kunststoff-Bausteinen aus Dänemark zu tun. Stattdessen kommt ein ziemlich einzigartiger Material-Mix, der auf unterschiedlichste Arten und Weisen gefertigt ist, zum Einsatz. Die markante Hinterbau-Monoschwinge ist Topologie-optimiert und CNC-gefräst. Lean Cycles greift hier auf eine 2099-Legierung mit Kupfer als Hauptlegierungs-Element zurück. Umgangssprachlich wird diese als Aluminium-Lithium-Legierung bezeichnet. Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Alu-Legierungen liegen auf der Hand: 10 % steifer und 7 % leichter als eine konventionelle 7075er Alu-Schwinge ist das Bauteil.
Das eigentliche Highlight am Lean Cycles-Prototyp ist laut Luca aber der Bereich rund um die gefräste Dämpfer-Anlenkung. Zwischen Umlenkwippe und Pinion-Getriebe befindet sich ein 3D-gedrucktes Bauteil, das im SLM-Verfahren hergestellt worden ist. SLM steht für Selective Laser Melting, zu Deutsch selektives Laser-Schmelzen. Das Bauteil wirkt gleichermaßen filigran wie organisch. Laut dem Team von Lean Cycles ist das einer der Vorteile des 3D-Drucks: Die Komplexität des Bauteils sei gratis, wodurch man sehr viele konstruktive Möglichkeiten habe. In Kombination mit Topologie-Optimierungen entstehen dann solch bionische Strukturen, die ziemlich einzigartig sind.
Verbunden sind die bionisch optimierten SLM-Bauteile am Hauptrahmen mit rostfreien Stahl-Rohren. Diese Kombination aus futuristischen 3D-Druck-Bauteilen und filigranen Stahl-Rohren verleiht dem Lean Cycles Enduro-Prototyp eine ganz spezielle Optik. Hier sind verschiedene Löt- und Schweiß-Verfahren angewendet worden, um die Teile miteinander zu verbinden.
Was bringt die Zukunft für Lean Cycles?
Wie geht es nun weiter für das Team von Lean Cycles? Fest steht: Der Enduro-Prototyp wird in der aktuellen Form nicht käuflich zu erwerben sein – finanziell wäre das Rad schlicht und ergreifend nicht attraktiv. Insbesondere die 3D-gedruckten Teile würden den Preis exorbitant in die Höhe schnellen lassen. Für die Serienfertigung ist das Bike also nicht gedacht.
Gleichzeitig steht spätestens seit den Craft Bike Days 2024 fest: Es wird definitiv nicht das letzte Bike sein, das Lean Cycles der Öffentlichkeit zeigt. Nach der überaus positiven Resonanz wurde bereits die Heimfahrt von Bielefeld in die Schweiz genutzt, um über den weiteren Verlauf der Firma und zukünftige Projekte zu brainstormen. „Wir sind drei Freunde, die Freude an der ganzen Technik und dem Biken haben. Wir haben gesagt, wir kommen mal hierher und schauen, wie die Resonanz so ist. Wir haben überhaupt nicht mit dem gerechnet, aber sind super happy, dass es so rausgekommen ist. Jetzt gehen wir nach Hause und schmieden unsere Pläne – und trinken vielleicht auch ein Bier!“
DT Swiss Laufradsatz-Gewinnspiel: And the winner is …
Im Vorfeld der Craft Bike Days hatten wir euch außerdem zu eurer Meinung und zu eurem Wissen über die an den Craft Bike Days 2024 teilnehmenden Firmen gefragt – alle User, die an der Umfrage teilgenommen haben, hatten die Chance auf einen DT Swiss-Laufradsatz aus der 1501 SPLINE ONE-Familie (MTB) oder der 1400er-Familie (Rennrad / Gravel). Der Gewinner des Laufradsatzes ist Felix F., den wir bereits per E-Mail kontaktiert haben – wir gratulieren herzlich und bedanken uns für die rege Teilnahme an der Umfrage!
Welchen Aspekt am Lean Cycles-Prototyp findest du besonders interessant?
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