Internet Community Bike Schritt #3 – Das Fahrwerk

Eine der Fragen, die bei der Entwicklung eines Bikes ziemlich früh geklärt werden müssen, damit man überhaupt mit dem Entwurf beginnen kann, ist die des Fahrwerks. Erst wenn man sich für einen Hinterbautyp entschieden hat, kann man einen solchen nach den entsprechenden Wünschen auslegen.

#Rahmenkonzepte Übersicht

Neben den bekannten und aktuell bewährten Konzepten wollen wir auch eure Ideen sehen: Wie würdet ihr eine Hinterradfederung realisieren? Zeichnet eure Ideen auf Papier, am PC, oder, falls euch so etwas reizt, konstruiert sie in im Detail.

Als Einstieg in die Diskussion haben wir hier die verbreitetsten Systeme aufgelistet, inklusive einiger Vor- und Nachteile:

Eingelenker

#Eingelenker

+ Das einfachste Konzept: Ein Drehpunkt, um den die Hinterachse rotiert.
+ Wenige Lager, wenig Wartungsaufwand.
+ Je nach Ausführung durchaus steif und nicht zu schwer realisierbar.
– Lage des Dämpfers (Schwerpunkt) schwer beeinflussbar
– Kennlinie nicht leicht zu beeinflussen

Populäre Vertreter: Orange Mountainbikes, Santa Cruz Bullit,…

Eingelenker mit mehrgelenkiger Abstützung

#Eingelenker mit mehrgelenkier Abstützung

+ Genau wie beim Eingelenker dreht sich das Hinterrad um einen fixierten Punkt.
+ Der Dämpfer wird aber nicht direkt, sondern über eine Abstützung betätigt, wodurch die Kennlinie nach Belieben beeinflusst werden kann.
+ Positionierung des Dämpfers quasi beliebig, dadurch niedriger Schwerpunkt möglich.
+ Steife, leichte Konstruktion möglich
– Das Ausfallende (und damit die Bremse) ist allerdings fest an der Kettenstrebe montiert, wodurch auch hier Bremsstempeln auftritt.
– Viele Lager, also höherer Wartungsaufwand

Populäre Vertreter: Commencal Meta AM, Kona, Scott

Viergelenker (Horst-Link)

#Viergelenker

+ Anders als beim Eingelenker dreht sich das Hinterrad nicht um einen fixierten Punkt.
+ Der Dämpfer wird nicht direkt, sondern über eine Abstützung betätigt, wodurch die Kennlinie nach Belieben beeinflusst werden kann.
+ Positionierung des Dämpfers quasi beliebig, dadurch niedriger Schwerpunkt möglich.
+ Steife, leichte Konstruktion möglich
+ viele verschiedene Bauformen möglich
+ Das Ausfallende (und damit die Bremse) ist über einen Drehpunkt mit der Kettenstrebe verbunden, wodurch hier Bremsstempeln reduziert werden kann.
– Viele Lager, also höherer Wartungsaufwand
– Patentrechte klar geregelt, nur in Amerika patentiert, läuft bald aus

Populäre Vertreter: Liteville 601, Specialized Bikes, Nicolai Bikes, Alutech, …

Specialized Demo Link

+ Dämpferanlenkung wie beim Eingelenker
+ Sehr steif
+ Kaum Bremsstempeln, da Bremse gegenüber Kettenstrebe rotiert (Montage auf der Sitzstrebe)
– Recht schwer
– Sonstige Eigenschaften ähnlich zum klassischen Viergelenker

Bei allen folgenden Konzepten ist die Patent/Rechtslage schwierig. Es müsste – so von euch gut argumentiert gewünscht – geklärt werden, ob Carver das Prinzip verwenden darf. Stefan Stark hat Erfahrungen mit den oberhalb stehenden Konzepten, und das in vielen verschiedenen Formen, sprich schwimmend gelagerten Dämpfern, zahlreichen Positionen, …

Active Braking Pivot / Split Pivot

+ Anders als beim Eingelenker dreht sich das Hinterrad nicht um einen fixierten Punkt.
+ Der Dämpfer wird nicht direkt, sondern über eine Abstützung betätigt, wodurch die Kennlinie nach Belieben beeinflusst werden kann.
+ Positionierung des Dämpfers quasi beliebig, dadurch niedriger Schwerpunkt möglich.
+ Steife, leichte Konstruktion möglich
+ Der Drehpunkt liegt auf der Achse, die Bremse sitzt auf der Sitzstrebe und rotiert um die Hinterachse, wodurch hier Bremsstempeln wegfällt.
– Viele Lager, also höherer Wartungsaufwand
– Verschiedene Patente, daher Gebühren fällig

Populäre Vertreter: Trek Bikes, Morewood (zum Teil), Bergamont (teilweise)

VPP

#VPP Suspension

+ Dämpfer im Hauptrahmen, niedriger Schwerpunkt möglich
+ Umlenkhebel rotieren in entgegengesetzte Richtung (Unterschied zu DW-Link)
+ Verschiedene Radhebungskurven und Dämpferanlenkungen möglich
– Viele Lager, höherer Wartungsaufwand
– Patente bei Santa Cruz
+ Recht steife, auch eher leichte Konstruktion möglich

Populäre Vertreter: Santa Cruz Bikes, Intense

DW-Link, Delta-Link

#DW-Link

+ Dämpfer im Hauptrahmen, niedriger Schwerpunkt möglich
+ Umlenkhebel rotieren beim DW-Link in die selbe Richtung (Unterschied zu VPP-Link)
+ / –  Radhebungskurve tendenziell stark nach hinten gerichtet
+ Verschiedene Kennlinien möglich
+ Delta-Link: Abgestützter Eingelenker, der Dämpfer wird über eine Zugstange und eine Knuckle-Box betätigt. Abgestützter Eingelenker
– Viele Lager, höherer Wartungsaufwand
– Patente bei Dave Weagle, Gebühren / Nutzungsrechte fraglich

Populäre Vertreter: Ironhorse, Ibis, Turner. Delta-Link: Evil Bikes (ausschließlich)

iDrive, Pendbox

+ Systeme von GT, Mongoose oder Lapierre, bei denen das Tretlager beweglich gegenüber dem Hauptrahmen aufgehängt ist
+ Kettenzug, Kennlinie, Radhebungskurve nach Geschmack des Ingenieurs
– Patentierte Systeme, Nutzungsrechte / Gebühren fraglich
– Viele Lager, höherer Wartungsaufwand
– Schwerer, weniger steif

Populäre Vertreter: GT Force, Lapierre DH-220 und zukünftige Enduro-Modelle

Jetzt stellt sich natürlich folgende Frage, will man sich für eines der Prinzipien entscheiden:

Wie wichtig ist welcher Punkt? 

Als Orientierung hier mal Stefan Starks Prioritätenliste:

1. Kennlinie (Übersetzungsverhältnis)
2. Drehpunkt
3. Kettenlängung

Die Anmerkungen zum Thema Gewicht sind natürlich für jeden Mountainbiker unterschiedlich wichtig, es sollte aber generell noch gesagt sein: Jedes Konzept lässt sich leichter und weniger leicht auslegen, beispielsweise wird ein Viergelenker, bei dem der Dämpfer unter dem Oberrohr parallel angebracht ist tendenziell leichter sein als ein Viergelenker, bei dem der Dämpfer parallel zum Sitzrohr untergebracht ist. Das liegt in diesem Fall an der günstigeren Krafteinleitung, die es erlaubt Wippe und Wippenlager kleiner und leichter zu gestalten.

Mit Stift und Papier Beiträge einreichen – in der Fotoalbum-Gruppe „Internet Community Bike“

Dämpferaufhängung

Auch in der Art und Weise, wie der Dämpfer betätigt wird, können sich ähnliche Systeme stark unterscheiden. Wird er von nur einer Seite betätigt, oder sitzt er schwimmend zwischen den Wippen? Das betrifft vor allem die Kennlinie. Das Floatlink (Siehe Fusion, Votec) zum Beispiel entspricht weitestgehend einem normalen Viergelenker, erlaubt aber deutlich kleinere Wippen und eine umfangreichere Beeinflussung der Kennlinie (durch geschickte Positionierung der beiden gegenläufigen „Wippen“.)

Deine Ideen

Auch hier gibt es wieder ein T-Shirt für den unterhaltsamsten, produktivsten Beitrag! Gerüchten zufolge erhöht sich eure Chance, wenn ihr eigene Ideen per Zeichnung einbringt. Zeichnet eure Ideen auf Papier, am PC, oder, falls euch so etwas reizt, konstruiert sie im Detail. Dazu braucht es keine teure Software, 3D CAD Systeme gibt es auch gratis: Google Sketchup ist leicht zu bedienen und wenig anspruchsvoll an eure Hardware. Wenn euch die Kinematik mehr interessiert als das Design, dann ist Linkage zu empfehlen, auch davon gibt es eine kostenlose Version, in der man zwar nicht speichern kann, aber Screenshots sind auch eine Möglichkeit. Die Pro-Version für ca. 300€ wird auch von Profis benutzt um die Radhebungskurve, die Kettenlängung und das Übersetzungsverhältnis zu berechnen. Ladet sie bitte in der ICB-Gruppe im Fotoalbum hoch, dazu einfach dort beitreten und hochladen.

Erst kürzlich zeigte Scott mit einer überraschenden Dämpferanlenkung am Gambler 2.0 im Weltcup, dass noch lange nicht alle Fahrwerkskonzepte bekannt sind. Zeigt uns eure Vision vom idealen Enduro / AM Fahrwerk!