Der vierte Tag der Trans Provence sollte mit angegebenen 60 km und 1900 hm der längste und härteste des Rennens werden. Auch wenn das Höhenprofil eigentlich ganz machbar aussah und sich keiner vorstellen konnte, wo die Daten herkamen, war die Erwartung am morgen natürlich groß. Außerdem verfolgte mich natürlich weiter das Defekt-Pech …
Da unser Lager für die Nacht diesmal recht weit oben lag und wir nicht allzu früh dort eingetroffen waren, war unser vom vortägigen Regenguss durchnässtes Equipment natürlich morgens immer noch genauso nass wie am Abend. Wegen des langen Tages hieß es diesmal für wirklich alle: um 6 Uhr aus den Federn, Porridge und Eggy Bread reindrücken und ab aufs Rad. Zum Glück brannte die Sonne direkt ganz gut, sodass ich zwar in meine nassen Schuhe schlüpfen musste, den ebenfalls tropfnassen Helm und die Goggle auf dem entspannten Transfer hoch zur ersten Stage jedoch am Lenker in der Sonne baumeln lassen konnte, was sehr half.
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Stage 13
Stage 13 startete nach einem gut pedalierbaren Warm-Up-Transfer auf einer grasigen, alpinen Anhöhe. Der Anfang war noch sehr schmal, etwas flach und erforderte viel Pedalier- und Pump-Arbeit, um auf Geschwindigkeit zu bleiben. Nach und nach wurde es jedoch immer schneller und gerölliger – die Organisatoren beschrieben es als mediterran. Ich war wieder einmal noch nicht ganz bei der Sache und stand in dem ungewohnten losen Gestein tendenziell eher etwas auf der Bremse. Zwischendurch gab es noch einige Wegkreuzungen und sogar einen kurzen Abstecher auf eine Asphaltstraße, von der es wieder Vollgas, aber blind in die Stage ging. Unten taten mir trotz der nur zirka 2,75 km Streckenlänge ganz ordentlich die Hände weh, was aber neben dem ruppigen Gelände auch an dem frühen Start liegen konnte.
Stage 14
„Sagt eine Mure zur andern: Alter, wie gehst du denn ab?“ – Max Schumann
Der folgende Transfer ging im Prinzip mehr oder weniger am Hang entlang, da jedoch eine, wie wir später feststellten, ganz ordentliche Mure ins Tal gegangen war und den Weg weggerissen hatte, gab es dann doch einen kurzen Abstecher nach oben – ist ja nicht so, dass der Tag lang wäre. Nach einem extrem technischen kurzen Downhill, der uns zurück auf unseren Höhenweg brachte, konnten wir die mächtige Mure dann auch selbst bestaunen, was Max Schumann auf den nebenstehenden genialen Flachwitz brachte.
Die Stage startete extrem schnell und vielversprechend in einen schönen Wald mit perfekten Boden. Nach einigen schnellen Kehren wandelte sich der Charakter jedoch um 180° – stattdessen waren nun lange, schmale und schnelle Graden gefolgt von extrem engen Switchbacks angesagt. Enge Kurven sind so gar nicht meins – ewig lange geradeaus schießen und auf den passenden Bremspunkt zu warten, nur um ihn zu verpassen und unsicher im Dreipunkt-Stand um die Kurve zu humpeln, noch viel viel weniger. Dass überall krasse Abhänge waren, die mindestens mal zu schweren Verletzungen führen würden, ließ die Laune dann auf den Gefrierpunkt sinken. Scheinbar kann man derartige Fahrerei jedoch auch genießen, jedenfalls kam meine Kritik im Ziel nicht überall gut an und einige Fahrer schienen erstaunlicherweise tatsächlich Spaß gehabt zu haben.
Stage 15
Ein kurzer Transfer brachte uns zur Foodstation und zum folgenden Uplift. Es ging wieder einmal auf einer extrem schmalen Straße weit hoch auf einen Pass. Die lange Fahrt hatte bei einigen Fahrern nach dem Mittagessen zu gewaltigem Rumoren im Magen geführt, sodass erstmal ein kleiner Erleichterungs-Abstecher in das nahe gelegene von Rallye Monte Carlo-Memorabilia überschwemmte Café angesagt war. Auf der folgenden Asphalt-Abfahrt fuhren uns erstmal Adrien Dailly und Nico Vouilloz auf einer Rennrad-Ausfahrt über den Weg. Einen kurzen Schotter-Uphill und einen Trail-Transfer mit Aussicht bis aufs nicht mehr ferne Meer später standen wir am Stage-Start.
Stage 15 konkurrierte als einzige in Länge, Tiefenmetern, Anstrengung und technischem Anspruch mit der ultraharten Stage 12 des Vortages. 5 km, 733 hm und einige technische Abschnitte und Uphill verhießen eine ordentliche Mission. Der Start war jedoch genau nach meinem Geschmack: Loser Waldboden mit tiefen Ruts und viel Anbremsen und Rutschen mit blockiertem Hinterrad. Nach und nach wurde es jedoch immer enger und steiniger, bis sogar ein paar Hinterrad-Versetzer gefragt waren. Der Höhepunkt waren dann einige alte Ruinen im Wald, wo bereits die Fotografen-Bande auf der Lauer lag. Hier galt es seine Linie genau zu wählen, viele herausstehende Steine gierten quasi nach Pedalen, Schaltwerken und Bremsscheiben oder stoppten das Vorderrad im Vorwärtsschwung extrem hart und ruppig. Da der Speed jedoch recht konstant langsam war, hatte ich viel weniger Probleme mich auf das Gelände einzustellen als auf der Vorstage und kam gefühlt sehr sauber durch. Es folgten wieder einmal einige enge Spitzkehren, die zum Glück jedoch bald einer längeren, ruppigen, nicht sehr steilen Vollgas-Sektion nahe dem Talboden wichen.
Lenker gut festhalten, auf die Linie konzentrieren und auf einige plötzlich auftauchende technische Passagen vorbereiten, war das Motto. Ich kam gut durch, ging aber vielleicht nach meinen Stürzen in den letzten Tagen auch nicht ganz ans Limit. Anderen Fahrern erging es weniger gut, so brach sich einer der schnellen Amerikaner das Handgelenk und Steve Peat hatte einen furchtbaren Highspeed-Crash, der ihm mehrere offene Schürf- und Platzwunden bescherte.
Stage 16
Vor der letzten Stage folgte der längste Transfer des Tages, der im Höhenprofil allerdings auch recht machbar aussah: Viel auf und ab, eigentlich aber immer relativ eben. Nach einem kurzen Schotteranstieg trafen wir recht bald auf einen sehr mediterranen Trail. Hier passierte, was natürlich am Anfang von jedem super langen Transfer mitten im Nirgendwo, weitab der Zivilisation passieren muss: An einer Kante drückte ich mich etwas zu motiviert in die folgende Senke und erwischte mit dem Hinterrad einen fies herausstehenden Felsen, den diese mit lautem „knack, pfffffffffft“ quittierte. Die Carbon-Felge war beinahe komplett durchgebrochen. Jammern half nix, also mit tatkräftiger Hilfe von Max Schumann und Balz Weber schnell ein Schlauch rein, etwas Plastik zwischen die Carbon-Splitter und den Schlauch und Kabelbinder drumherum, um das Konstrukt zu stärken. Der Trail war natürlich tierisch ausgesetzt und steinig, was trotz vorsichtiger Fahrweise mehrere Pitstops zum Nachzentrieren erforderte. Es war für mich mal wieder ein echter Leidensweg, zwischendurch hieß es recht lange Bike-Bergsteigen (hoch und runter), das Ding wollte und wollte nicht aufhören, vor mir stürzte ein Mitfahrer fast ab und wurde nur am Knöchel noch von Joe Connell festgehalten (kein Witz) und in den letzten super technischen Serpentinen vor Sospel blieb ich in meinem Frust beim vorsichtig Runterrollen noch doof hängen und flog schon wieder auf meine Arme.
Irgendwie hielt das Ding bis zur nächsten Verpflegungs und Service-Station, wo mir dank des bereiten Einsatzes mehrere Mitstreiter eine neue Felge eingebaut werden konnte, bevor uns ein Shuttle ein finales Mal als so ziemlich letzte Gruppe auf den Berg fuhr. 250 smoothe Höhenmeter später und gegen 18 Uhr dann endlich der lang ersehnte Start der finalen Stage. Diese war nicht ganz unbekannt und führte auf schotterigem Boden, der absolut keinen Grip bot immer am Hang lang nach unten. Das Ganze fühlte sich weniger nach Rennenfahren, sondern mehr nach aufrecht bleiben und Sturz vermeiden an. Ich kam jedoch recht erfolgreich durch, ohne komplett zu stehen und trat, wo zu treten war … war ok!
Fazit
Der Tag war wirklich ganz schön lang! Die Odyssee am Ende hätte ich mir gerne gespart, aber es hat ja alles geklappt und war im Nachhinein echt lustig. Schon cool, was man alles noch fixen kann, wenn man sich etwas Mühe gibt und viel Hilfe von anderen bekommt. Zum Glück haben wir wieder einen kalten Fluss nahe unserem Lager, den wir erstmal ordentlich ausgetestet haben. Hoffentlich hat das genug Laktat aus dem Körper gespült, um morgen wieder richtig Gas geben zu können!
Die Ergebnisse nach Tag 4
Link zum Overall Standing nach Tag 4
Hier findet ihr alle Artikel zur Trans Provence 2019:
- Gregor in Gefahr bei der Trans Provence 2019: Warum tut man sich das eigentlich an?
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 6: Vamos a la Playa
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence – Tag 5: Haarnadelkurven im Heuhaufen
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence – Tag 4: Alter, wie gehst du denn ab?
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 3: Pffffft, Bummm, Autschi
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 2: Flucht vorm Gewitter
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 1: Heiß und schnell!
- Gregor in Gefahr bei der Trans Provence: Live-Berichte aus Frankreich
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