Metric Wheel Sizing: Nach der Einführung der metrischen Dämpfermaße vor fast genau einem Jahr legt die Fahrradindustrie nun nach: Die branchenführenden Hersteller setzen ab dem Modelljahr 2018 auf neue metrische Laufradgröße. Federführend sind dabei vier Firmen: die Reifenhersteller Schwalbe und Continental, außerdem sind DT Swiss und SR Suntour als Laufrad- und Federgabelexperten von Anfang an mit dabei.
Neben besserer Übersicht über die einzelnen Größen sind laut den Herstellern Anpassungen und Verbesserungen der Fahrperformance die Hauptvorteile von Metric Wheel Sizing. Besitzer von Bikes mit bisherigem Standard brauchen sich allerdings nicht ärgern – neue Niederquerschnittsreifen namens „Zero Plus“ von Schwalbe sollen für ältere und aktuelle Modelle Kompatibilität bieten.
Metric Wheel Sizing – Kurz & Knapp
Die führenden Unternehmen der Fahrradindustrie, insbesondere die bereits genannten Reifen-, Felgen- und Gabelhersteller, haben sich, nach aufwändigen Tests und konstruktiven Diskussionen, auf einen neuen Standard für Laufradgrößen geeinigt. Der Schritt ist unter anderem in der zunehmenden Verwirrung der Endverbraucher aufgrund der Einführung von 29″, trotz des bestehenden 28″ Standards, sowie krummer Größen wie 27,5″ begründet. Zudem beschwerten sich am anderen Ende des Leistungsspektrums immer mehr Top-Athleten über die ungleichmäßige Verteilung der bisherigen ETRTO-Größen:
“Bei der Entwicklung neuer Schlauchreifen Felgen für Nino Schurters Rennsaison 2012 gab es auf dem MTB Markt nur 26″ und 29″ Felgen und Reifen. Bei den damaligen Tests stellt sich schon klar heraus, dass die größeren 29″-Laufräder deutlich besser rollen. Allerdings war das Fahrgefühl und die Steifigkeit ebenso deutlich schlechter als mit 26″-Laufrädern. Es musste also ein Kompromiss her, das Maß dazwischen: 27,5 Zoll.” – Friso Lorscheider, DT Swiss
Bei näherer Betrachtung bietet 27,5″ jedoch gar nicht die Mitte zwischen den beiden existierenden Größen (was bei unseren Lesern schon oft angemerkt wurde), weshalb schon damals die Suche nach einer neuen Größe startete. Treibende Kräfte dabei waren vor allem Schwalbe und DT Swiss, die es sich zur Aufgabe machten, die Industrie von der Notwendigkeit eines neuen Standards zu überzeugen.
Metric Wheel Sizing – Was ändert sich?
- Gleichmäßige 40 mm Schritte zwischen den Größen:
- 26″ (= 559 mm) wird zu 560 mm
- 27,5″ (= 584 mm) wird zu 600 mm
- 29″ (= 622 mm) wird zu 640 mm
- bessere Übersicht im Vergleich zum ETRTO-Standard
- verbesserte Rolleigenschaften aufgrund größerer Durchmesser
- Metric-Laufräder dank Niederquerschnittsreifen kompatibel zu aktuellen und älteren Radmodellen
- Einführung “Metric Wheel Sizing” ab Modelljahr 2018
Als ideale, mittlere Größe stellte sich für DT Swiss schnell 600 mm raus. Dank der Einführung des Boost-Standards im Jahr 2015 war es jedoch nun möglich, auch größere Räder ausreichend steif zu konstruieren – was die Hersteller ermutigte, in diese Richtung weiter zu entwickeln.
Somit beschränken sich die Vorteile des neuen Standards also nicht nur auf die bessere Übersicht, sondern sollen auch auf dem Trail spürbar sein. Dass größere Räder besser durch grobes Gelände rollen, ist spätestens seit der Einführung von 29″-Bikes kein Geheimnis mehr. Der neue Standard greift diesen Ansatz auf und baut ihn für alle Größen aus, wie die oben stehende Grafik von DT Swiss zeigt. Selbst die Nischengröße 26″ konnte in die Neuerungen eingebunden werden und erfährt einen moderaten Zuwachs von 1 mm – von einem Mix mit bestehenden Komponenten raten die Hersteller jedoch ab.
Die Laufradgrößen 27,5″ und 29″ konnten um 2,7 % und 2,9 % respektive vergrößert werden. Umfangreiche Feld- und Labortests sollen dabei genutzt worden sein, um diese finalen Werte zu ermitteln. Das neue 600 mm Maß richtet sich vor allem an aggressive Fahrer aus dem All Mountain-, Enduro- oder DH-Spektrum. Die größte Verbesserung konnte beim 640 mm Standard erreicht werden, der sich mit seinen optimalen Überrolleigenschaften vor allem bei Fahrern, für die jede Sekunde zählt, laut den Herstellern definitiv durchsetzen wird.
Während im Mountainbike-Bereich bereits eine Einigung erzielt werden konnte, stehen die Verhandlungen im Trekking- und Roadbereich noch am Anfang – ihr könnt also gespannt auf die weitere Entwicklung in diesen Bereichen sein.
Schwalbe Zero Plus
Schwalbe hat uns bereits einen exklusiven Einblick in ihren Entwicklungsprozess sowie die neue Produktpalette fürs Modelljahr 2018 gewährt. Durch Metric Wheel Sizing werden die neuen Produkte nicht mehr mit alten Felgen kompatibel sein. Jedoch führt Schwalbe zugleich den neuen 0+ (Zero Plus) Standard ein – eine Art Niederquerschnittskonstruktion, welche es dank fortschrittlicher Fertigungstechnologien ermöglicht, die neuen metrischen Reifen in bestehenden Gabeln und Rahmen zu verwenden.
Dabei galt es einige Probleme zu überwinden, wie der Schwalbe-Verantwortliche Michael Kull erklärt:
„Die höhere Belastung im Laufflächenbereich war für die Niederquerschnittskonstruktion anfangs ein Problem, denn dadurch wird der Druck auf die Lauffläche erhöht und der Reifen fühlt sich nicht nur härter an, sondern springt auch schneller von der Felge. Um den Qualitätsansprüchen und unseren firmeninternen Teststandards gerecht zu werden, haben wir durch den Einsatz eines vorgeformtes Apex-Durchschlagschutz und einen angepassten Faltkern mit Aramid-Verstärkung die Struktur deutlich verstärken können. Auch das Gewicht sinkt durch diese Bauweise um ca. 12 % im Vergleich zu einem herkömmlichen Reifen.“
Das bereits bestehende Reifensortiment wird noch bis 2020 erhältlich sein, Neuentwicklungen werden jedoch nur noch als 0+ Variante (erkennbar am farbigen Label) dem Sortiment hinzugefügt.
Bereits ab Juni 2017 lieferbar sind folgende Reifen:
60-560 Magic Mary metric 0+ (SnakeSkin, Super Gravity, Downhill)
60-600 Magic Mary metric 0+ (SnakeSkin, Super Gravity, Downhill)
65-600 Magic Mary metric 0+ (SnakeSkin, Super Gravity, Downhill)
60-640 Magic Mary metric 0+ (SnakeSkin, Super Gravity, Downhill)
60-560 Nobby Nic metric 0+ (SnakeSkin)
60-600 Nobby Nic metric 0+ (SnakeSkin)
65-600 Nobby Nic metric 0+ (SnakeSkin)
60-640 Nobby Nic metric 0+ (SnakeSkin)
57-560 Racing Ralph metric 0+ (SnakeSkin)
57-600 Racing Ralph metric 0+ (SnakeSkin)
57-640 Racing Ralph metric 0+ (SnakeSkin)
Was sagt die Industrie zu Metric Wheel Sizing?
Metric Wheel Sizing ist kein Alleingang einzelner Unternehmen, sondern ein branchenweit akzeptierter Standard. Hier sind die offiziellen Statements der ersten Hersteller.
Continental
“Für uns als Reifenhersteller mit Produktion in Deutschland, im Herzen von Europa, war bereits die Benennung 29″ für MTB-Reifen ein Fehler, da ein großes Durcheinander in Bezug auf die vorhandenen 28″-Reifen bestand. Über die Jahre ist die Verwirrung beim Verbraucher mit 650B bzw. 27,5″ und später B+ noch größer geworden.
Die Metric Wheel Size-Initiative vereinfacht den Reifenmarkt und schafft klare Zuordnungen. Im gleichen Zuge werden wir unsere Druckempfehlungen zukünftig SI-konform auf Pascal umstellen, um die Harmonisierung auf allen Ebenen durchzuziehen. Natürlich bedeutet die Umstellung auf neue Durchmesser einen enormen Aufwand. Am Ende ist es aber wie bei der Euro-Einführung 2002 – ein Aufwand, der sich lohnen wird. Wer kann sich heute noch vorstellen, vor dem Wochenendausflug nach Leogang Deutsche Mark in Schilling zu wechseln?
Um diesen sinnvollen Schritt möglichst schnell zu vollziehen, überprüfen wir gerade erfolgreich den Einsatz von Adapterringen, um die Montage metrischer Reifen auf älteren Zollfelgen zu ermöglichen.” – Sebastian Moos, Product Management Bicycle Tires, Continental
SR Suntour
“Für mich ist der neue Metric Standard die Weiterentwicklung, die seit langem gefehlt hat. Wenn man mit der neuen Reifengröße ans Limit geht, merkt man einen deutlichen Unterschied, den man im Stand oder mit dem bloßen Auge leider nicht erkennen kann. Ein Düngemittel für Kritiker, die sich darüber beschweren, dass ständig neue Standards erfunden werden. Doch gibt man dem System eine Chance, werden die Rennfahrer unter uns schnell verstehen, welche Vorteile diese Größen mit sich bringen. Die verloren gegangene Wendigkeit erhält wieder Einzug und die wahre Dynamic entfaltet sich in der Flugphase.
Ich hoffe stark, dass sich metrische Reifengrößen schnell durchsetzen, und freue mich schon, im Rennen damit anzugreifen.” – Jasper Jauch, SR Suntour Marketing & Aftermarket
Meinung @MTB-news.de
Mit der Einführung von Metric Wheel Sizing zeigt die Fahrradindustrie, dass sie auch in den kommenden Jahren nicht an Stillstand denkt – ein Umstand, den wir prinzipiell sehr begrüßen. Ob dieser neue Standard jedoch der Weisheit letzter Schuss ist, kann bezweifelt werden – wahrscheinlicher erscheint uns, dass zusätzliche Größen nur für mehr Verwirrung und Ärger sorgen.
Weitere Informationen
Schwalbe – alles über Metric Wheelsizing
DT-Swiss – Ridemetric
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