Ein Carbon-Laufrad für Mountainbikes zu einem Preis um 1.000 €? Während viele Aluminium-Legierungen für Felgen bei den modernen Mountainbikes im Anforderungprofil zwischen Haltbarkeit und geringem Gewicht an ihre Grenzen kommen, haben sich Carbon-Laufräder nicht nur bei Gewichtsfetischisten, sondern quer durch alle Einsatzbereiche bis hin zum Downhill-Fahren stark verbreitet. Das Problem ist nur: Wer die Kohlefaser-Laufräder nicht etwa in einem Serienbike erwirbt sondern einzeln kauft, der zahlt aberwitzige Preise.
Dass es zunehmend auch anders geht, zeigt nun die deutsche Firma Number3, die leichte Carbon-Felgen mit Straightpull-Speichen und leichten Naben kombiniert und das komplette Laufrad für 1.089€ anbietet. Immer noch eine ganze Stange Geld aber deutlich weniger als die meisten anderen Carbon-Laufradsätze namhafter Hersteller. Wir haben den numbr3 ar30 Carbon Laufradsatz mit einem Gewicht von 1.590 g in 27,5″ Laufradgröße getestet. Ein Fahrbericht.
Test: Number3 ar30 Carbon Laufradsatz
Technische Daten
Technische Daten | numbr3 ar30 Carbon |
---|---|
Modelljahr | 2014 |
Kategorie | Laufradsatz |
Einsatzbereich | All-Mountain, Enduro |
Laufradgröße | 26″, 27,5″, 29″ |
Gewicht (vorne/hinten) | 1.590 g (739/851) |
Farbe | Carbon / schwarz |
Modell | ar30 Carbon |
Adapter auf andere Einbaubreiten / Achsdurchmesser | VR: 15 mm, 20 mm Steckachse | HR: 10x135 mm, 12x142 mm |
Preis | 1089€ UVP |
Felgenbreite (außen/innen) | 30/23 |
Speichen | 28 |
Material Felge | UD Carbon, 3K Felgenbett |
Material Naben/Freilaufkörper | Aluminium |
Rasterung Freilaufkörper | 3 Sperrklinken, 54 Zähne (6,67° Einrastwinkel) |
XD-Freilaufkörper verfügbar | ja |
Tubeless Ready | ja |
Ventilloch | 6,5 mm Presta / SV |
Speichen | Sapim CY Ray |
Einspeichung | straight pull, 3-fach gekreuzt |
Nippel | |
Hersteller | DT Swiss Pro Lock Alu |
Farben | orange, schwarz, grün, rot, silber, gold, blau |
In der Hand
Aufbau / Details
Vor diesem Test ist uns die Marke Number3 nicht bekannt gewesen, doch hinter ihr stehen mit Indra Sarkar und Ingo Brantl zwei alte Bekannte der Mountainbike-Industrie. Im Jahr 2005 gründeten die beiden die Firma 2Soulscycles, von der wir erst vor Kurzem das 41.5 EVO Enduro-Hardtail gefahren sind. Zwischen 2009 und 2012 haben die beiden außerdem die European Handmade Bicycle Exhibition ins Leben gerufen und durchgeführt. Wir haben es also unter neuem Namen mit alten Bekannten zu tun – die nun nicht mehr feine Reynolds-Rohre zu Kleinserienrahmen schweißen, sondern Carbon-Laufräder vertreiben. Wie es dazu gekommen ist: Der Laufradsatz ist von elementarer Bedeutung für das Gesamtfahrverhalten eines Bikes – ein Punkt, dem die beiden gerne mit einer eigenen Serie Rechnung tragen würden. Aktuell bietet die Marke Number3 ausschließlich den hier getesteten Laufradsatz an, doch in Zukunft könnten weitere Teile folgen.
Nun aber zum ar30 Carbon. Der Laufradsatz landete im Herbst 2013 bei uns in der Redaktion und musste seither vor allem in meinem Test-ICB seine Runden drehen. Ob im deutschen Winter, den Alpen oder zuletzt einem umfangreichen Trailcenter-Check in Rabenberg – in den letzten 12 Monaten hat der Laufradsatz sich mit vielen anderen Testteilen drehen dürfen und wir haben einen guten Eindruck von seinen Qualitäten gewinnen können. Dabei ist die schlichte schwarze Optik mit durchscheinenden unidirektionalem Carbon bestechend gewesen – auch wenn sie mittlerweile einige Kratzer trägt…
Das eigentliche Highlight eines Carbon-Laufradsatzes sollte in der Regel das niedrige Gewicht sein und in der Tat überzeugt der ar30 in dieser Hinsicht. Vom Hersteller werden 1.551 g für das Set angegeben und unsere Wage bleibt bei schlanken 1.590 g stehen. Damit ist der Laufradsatz nochmals leichter als der vor Kurzem getestete Sun Ringlé Charger Pro SL (1.720 g) oder der DT Swiss EX 1501 Spline (1.711 g) in jeweils identischen Laufradgrößen-, Adapter- und Nabenkombinationen. Das niedrige Gewicht resultiert dabei aus der leichten Felge, denn die Naben sind von der Bauart her relativ gewöhnlich und verfügen über keine großen Besonderheiten, die den Gewichtsvorteil erklären würden.
Ein schönes Detail ist, dass Number3 den ar30 Carbon auch noch in 26“ Laufradgröße anbietet. Zusammen mit dem hier getesteten 27,5“-Modell und dem entsprechenden 29er ist somit für alle gesorgt.
Einspeichung
28 straightpull-Speichen müssen reichen, um die Kraftübertragung zwischen Nabe und Felge zu bewerkstelligen. Dafür verlässt sich Number3 auf die bewährten Sapim CX ray Speichen, die schlicht schwarz verchromt sind und 3-fach gekreuzt und sauber abgedrückt wurden. So zeigt sich beim Auspacken eine konstante Speichenspannung am Laufrad und auch nach den ersten Wochen auf dem Trail nervt der Laufradsatz nicht mit Knacken oder Knarzen.
Kompatibilität
Wer so viel Geld in einen Laufradsatz investiert würde sich wünschen, dass dieser mit möglichst allen zukünftigen Bikes kompatibel ist. Nehmen wir vorerst an, dass der Außendurchmesser von 27,5“ vorerst Standard in diesem Segment bleiben wird, dann hat man mit dem Number3 ar30 Carbon gute Chancen. Für das Vorderrad bietet der Hersteller die Wahl zwischen 15 und 20 mm Steckachsadaptern, die von Hand austauschbar sind und durch O-Ringe gesichert werden. Am Hinterrad besteht die Wahl zwischen einer 10 x 135mm und einer 12 x 142 mm Steckachse. Ebenfalls als Option wird ein Sram XD-kompatibler Freilaufkörper angeboten, der den schönen, rot eloxierten Aluminiumfreilaufkörper für konventionelle Kassetten ersetzt und ebenfalls schnell montiert ist. Der Umbau ist relativ einfach, erfordert jedoch Werkzeuge (die jeder Biker hat).
Somit zeigt sich der ar30 gut gerüstet für zukünftige Umbauten, solange man in den gewohnten Maßen bleibt. Doch wer braucht schon 148 mm Einbaubreite am Hinterbau…
Reifenmontage / Tubeless-Eignung
Eine ebenfalls immer wichtiger werdende Frage ist, ob der Laufradsatz tubeless-kompatibel ist. Die einfache Antwort: Ja! Von Haus aus ist bereits ein robustes Felgenband montiert, dass wir jedoch für den Test gegen ein entsprechendes Tubeless-Felgenband ausgetauscht haben. Number3 bietet auf der Homepage ein Tubeless-Kit bestehend aus Ventilen, Dichtmilch und Felgenband zum Preis von 23,90 € an. So gerüstet haben wir unsere Maxxis Minion DHR II TR und High Roller II TR Reifen aufgezogen und ohne Probleme Luft in die Reifen bekommen, die dort auch geblieben ist. Insgesamt ist die Reifenmontage problemlos gewesen – die Felgen verfügen über ein entsprechend vertieftes Felgenbett, das bei der Montage den notwendigen Spielraum bereit stellt.
Auf dem Trail
Soviel zum Laufradsatz an sich – schnell werden die Steckachsen angezogen, die Scheibenbremsen über die IS-Aufnahme verschraubt und ab geht es in den Testbetrieb. Der erste Eindruck: Das geht ja richtig gut vorwärts! Im Gegensatz zum zuvor montierten DT Swiss EX 1501 Spline ONE Laufrad spart der ar30 über 120 g Gewicht ein und macht auf den ersten Metern einen sehr guten Eindruck.
Beschleunigung
Dabei bleibt die Frage: Sind 120 g so deutlich zu spüren? Die Antwort lautet, dass das immer relativ ist. 120 g beträgt die Differenz beim Gesamtgewicht, doch die 30 mm breiten Carbon-Felgen scheinen im direkten Vergleich überdurchschnittlich viel leichter zu sein und so reduziert sich die Trägheit stärker, als es der reine Gewichtsunterschied suggerieren würde.
In der Praxis äußert sich das in einem sehr guten Beschleunigungsverhalten des Laufrades. Es nimmt schnell Fahrt auf und insbesondere in langen Anstiegen freue ich mich immer wieder darüber, dass diese Räder einfach weiter zu wollen scheinen. Beispiel Big Five Freeride Challenge in Saalbach Hinterglemm: Auch als es gegen Ende der Tour steil hinauf auf den Gipfel des Schattberges geht, lässt mich mein Bike trotz hinreichend schwerer Beine nicht im Stich. Der Laufradsatz ist eben doch einer der wichtigsten Spaßbringer und -killer am Bike. 200 g am Rahmen sind geschenkt, der selbe Betrag an den Laufrädern kann einen deutlichen Unterschied machen. Das wird im Falle des Number3 ar30 Carbon einmal mehr deutlich.
Steifigkeit
Wie schlägt sich der Laufradsatz im Bezug auf die Steifigkeit? Carbon-Felgen sind nicht gerade als nachgiebige Zeitgenossen bekannt und so wundert es nicht, dass der ar30 auch in ruppigen Stein- oder Wurzelfeldern unbeirrt seinen Weg geht und Lenkbefehle präzise umsetzt. Teilweise sogar etwas zu direkt, denn im direkten Vergleich mit dem DT Swiss EX 1501 Spline ONE fühlt sich das ansonsten identisch aufgebaute Bike etwas weniger komfortabel an und verliert in ausgesetzten Streckenabschnitten gefühlt Zeit. Das ist jedoch rein subjektiv und anhand von Sektorzeiten über Strava nicht zu verifizieren gewesen.
Insgesamt steht dennoch fest: Trotz unter 1.600 g für den Laufradsatz und nur 28 geraden Speichen (Sapim CX ray) bietet der Number3 ar30 genug Steifigkeit. Besonders viel Spaß macht das, wenn es verwinkelt bergauf geht und das Bike sich wie ein Skalpell zwischen den Steinen hindurchzirkeln lässt. Gelungen.
Haltbarkeit
Carbon-Felgen brechen oder bleiben gerade – dieses digitale Versagensverhalten wird in kohlenstoffreichen Bauteilen in der Regel nachgesagt. In unserem Test und bei meinem Gewicht (fahrfertig 70 kg + Gepäck) ist es im vergangenen Jahr immer auf der sicheren Seite geblieben. Der Laufradsatz zeigt so zwar nach vielen tausend Tiefenmetern einige Kratzer in der Felgenflanke, doch abgesehen von kleinen optischen Schäden ist keinerlei bleibender Schaden zu erkennen, der auf eine eingeschränkte Haltbarkeit hinweisen würde. Seiten- oder Höhenschläge sind von Anfang an nicht zu erkennen gewesen und so ist als einzige Aktivität ein Nachspannen der Speiche notwendig gewesen. Hier hatte die Spannung etwas abgenommen, was sich in leichtem Knarzen bemerkbar gemacht hatte und nach einer Runde Nachspannen und Setzen abgestellt gewesen ist.
Sollte es bei Speichen und Nippeln doch einmal zu Ausfällen kommen ist gut zu wissen, dass bei beiden Bauteilen Standardteile verwendet werden. Number3 bietet über den Webshop kleine Ersatzteilpakete bestehend aus Speichen und Nippeln an, so dass beim Alpencross immer das Weiterkommen gesichert sein sollte.
Überzeugen konnte bislang auch der Service in Deutschland. Als wir nach einem Testausflug nach Tignés die Räder wieder zusammenbauen wollen, fehlt ein Adapter der Vorderradnabe. Eine Email an Number3 wird direkt beantwortet und nur zwei Tage später findet sich der gewünschte Adapter im Briefkasten – die Reise kann weitergehen. So stellen wir uns das vor – hier zeigt sich der Vorteil des oben beschriebenen kleinen Teams hinter Number3.
Test-Fazit zum Number3 ar30 Carbon Laufradsatz
Der Number3 ar30 Carbon Laufradsatz ist eine echte Empfehlung: für den noch immer stolzen Preis von 1.089€ (UVP) gibt es nicht nur ein niedriges Gewicht von unter 1.600 g bei 30 mm Felgenbreite, sondern auch eine schöne Verarbeitung, problemlose Haltbarkeit und schnellen Vortrieb. Wer will, kann ohne großen Aufwand mit einem Tubeless-Aufbau starten, dank verschiedenen Adaptern und Freilaufkörpern sollten auch zukünftige Auf- und Umbauten problemlos möglich sein. Wer auf der Suche nach einem nicht zu teuren Carbon-Laufradsatz ist, sollte hier genauer hinschauen.
Stärken
- niedriges Gewicht bei hoher Steifigkeit
- verschiedene Adapter und Freilaufkörper verfügbar
- für Carbon gutes Preis-Leistungsverhältnis
Schwächen
- insgesamt hoher Preis
Weitere Informationen
Number3 Homepage
Redaktion: Tobias Stahl | MTB-News.de 2014
Fotos: Maxi Dickerhoff, Johannes Herden, Tobias Stahl
87 Kommentare