Mit dem Yeti SB-66 bringt die Firma Yeti aus Golden, Colorado, einmal öfter ein interessantes Hinterbau-Konzept auf den Markt. Nach Modellen mit einer Schiene, zwei Schienen, 3-Gelenkern und anderen interessanten Konstruktionen kommt jetzt ein „Switch Technology“ genanntes Patent auf den Markt. Dabei handelt es sich um einen Virtuellen Drehpunkt, bei dem der untere Drehpunkt in einem beim Einfedern rotierenden Exzenter gelagert ist. So etwas hatte ich bislang nur kurz bei Zonenschein im Programm gesehen, damals allerdings nicht in Kombination mit einem virtuellen Drehpunkt.
Der etwas sperrige Name SB-66 steht dabei für: „Superbike mit 26″ und 6″ Federweg“ – ein 152mm Alleskönner also. Bevor wir uns näher mit dem Hinterbau auseinander setzen, schauen wir uns ersteinmal die Gesamtübersicht der Details an:
– Alurahmen mit Custom butted hydro-formed 6000er AL Rohrsatz
– Überdimesionierte Lager: 17mm Steckachse am oberen Drehpunkt, 15mm Steckachse am Hauptlager
– Vollkommen gedichtetes Exzenter-System
– Interne Zugführung, Elastomer Kettenstreben-Schutz
– Für Stahlfeder- oder Luftdämpfer konfigurierbar
– Zuganschläge für verstellbare Sattelstützen
Was ihr über den Hinterbau hören werdet, klingt vermutlich einmal öfter nach einer ganzen Menge Marketing-Übertreibung, aber anders als alle anderen aktuell verfügbaren Hinterbau-Kinematiken ist man bei diesem Konzept in der Lage, die Raderhebungskurve, die Kettenstrebenlängung und das Übersetzungsverhältnis während der gesamten 150mm des Federwegs zu kontrollieren – was ziemlich bemerkenswert wäre.
Neben dem hauseigenen Schienensystem aus dem 303 gibt es keine Möglichkeit (so Yeti), dies zu erreichen. Das Problem: Die Schienen sind für All-Mountain und allgemein leichtere Bikes unmöglich schwer, der 303 Rahmen ist doch ein ziemlicher Brocken.
Der erste Vorteil des Entwurfs ist die Bewegung der Schwinge nach hinten im ersten Teil des Federwegs. Dadurch wird den Kräften der Kette entgegen gewirkt und es soll sich eine hohe Treteffizienz ohne großes Schaukeln ergeben (Anti Squat). Währenddessen rotiert der Exzenter von der Drive-Side aus betrachtet gegen den Uhrzeigersinn, wodurch sich der untere Drehpunkt nach hinten oben bewegt, was für die Längung der Kettenstrebe sorgt. Das in Kombination mit der nach hinten zeigenden Radhebungskurve und dem Kettenzug soll für eine Art Plattform sorgen – ohne die Sensibilität für kleine Schläge zu beeinträchtigen.
Hat man den mittleren Bereich des Federwegs erst einmal überschritten (nach ca. 100mm), ändert sich die Bewegungsrichtung des Drehpunktes, da der obere Link ihn nun im Uhrzeigersinn zieht. Dadurch bewegt sich der Drehpunkt nach vorne / unten, das Einfedern wird durch die Kette nicht beeinflusst. Das Resultat soll null Pedalrückschlag und ein sanfter Übergang in Richtung Durchschlag sein.
Das ganze kombiniert mit der langen Zusammenarbeit mit Fox Racing Shox soll eine wahre eierlegende Wollmilchsau ergeben – wir sind gespannt auf die Probefahrt.
Wer es gerne etwas technischer hat: Hier noch drei Diagramme, auf denen die Kettenstrebenlängung, das Übersetzungsverhältnis und die Radhebungskurve des Yeti SB-66 mit den anderen bekannten Hinterbaukonzepten verglichen wird: DW-Link, VPP, Viergelenker.
Kettenstrebenlängungsrate (Rate of Chainstay-Lengthening):
Achtung, aufgetragen ist nicht die absolute Längung! Steigt die Kurve im grünen Bereich, so zieht der Hinterbau gegen die Kette an – es ergibt sich eine Plattform gegen Wippen. Ein Fallen der Kurve im weiteren Verlauf (2. Hälfte Blau, rot) sorgt dafür, dass Pedalrückschlag verhindert wird, weil nicht weiterhin an der Kette gezogen wird. Die Kurven der Konkurrenz sind in den Bildern beschriftet.
Radhebungskurve (Wheel Path):
Von Downhillrädern bekannt ist, dass ein Ausweichen des Hinterrades bei mittleren Schlägen – also auf den ersten 2/3 des Federwegs – dafür sorgt, dass man deutlich mehr Geschwindigkeit mitnehmen kann, Steine bremsen nicht mehr so aus. Auf dem letzten Drittel ist das Federn nach hinten nicht mehr so wichtig, da dieses nur bei Drops, also Schlägen mit einer großen Vertikal-Komponente, genutzt wird.
Übersetzungsverhältnis (Leverage Ratio Curve):
Zunächst einmal: Eine horizontale Gerade wäre das Optimum für die Dämpfereinstellbarkeit – Luft- und Stahlfederdämpfer wären leicht angepasst. Eine am Ende fallende Kurve, wie etwa beim DW-Link, sorgt dafür, dass sich das Fahrwerk eher Straff anfühlt, am Ende aber sehr viel Bottom-Out-Druckstufe am Dämpfer braucht um Durchschläge zu verhindern; eine zunächst steigende Kurve sorgt für viel Sensibilität am Anfang des Federwegs. Ein steigendes Übersetzungsverhältnis im letzten Drittel des Federwegs sorgt dafür, dass das Hinterrad mehr Bewegung / Hub macht und einen größeren Hebelarm bekommt. Konsequenz: Mehr Kraft auf den Dämpfer, wodurch dieser eher durchschlagen kann. Das Problem ist zum einen mittels Dämpfung lösbar (siehe Hinterbauten mit DW-Link). Warum man sich dafür entschieden hat, weiß ich nicht, ich vermute aber einen Zusammenhang mit der Radhebungskurve: Weil sich das Hinterrad „gegen die Fahrtrichtung“ bewegen muss, braucht es ohnehin mehr Kraft und wird eher nicht durchschlagen, sodass sich diese zwei Effekte konträr auswirken und am Ende – hoffentlich – zusammen mit dem Dämpfer eine vernünftige Endprogression ergeben!
Diese Fotos im Fotoalbum anschauen
Außerdem wichtig bei einem Alleskönner: Die Geometrie.
Der Lenkwinkel liegt mit einer 150er Gabel bei moderaten 67°, mit einer 160er bei abfahrtsorientierten 65,9°. Das Innenlager liegt ziemlich genau auf Höhe der Hinterachse (im ausgefederten Zustand), 34cm mit der kürzeren Gabel. Relativ lang fallen die Kettenstreben aus: 43,4cm. Ausgewogen Steil scheint mir der Sitzwinkel mit 72° zu sein, als Rahmenhöhen sind 16,5″, 18″, 19,5″ und 21″ erhältlich, die Steuerrohrlänge ist bei den zwei großen Rahmen auf 13,9cm (Mit integriertem Steuersatz) erhöht.
Davon abgesehen ist der Rahmen Yeti-typisch formschön aus Aluminium gestaltet: Man beachte, wie der Exzenter, der obere Drehpunkt und das Innenlager in einem einzigen, geschmiedeten Teil liegen, wie die rechte Kettenstrebe bis ins Yoke hinein gebogen ist, das gefaltete Unterrohr oder das Steuerohr. Dazu noch nette Details wie der Colorado-Aufkleber auf dem Sitzrohr und das Firmenemblem am Steuerrohr…
Die Rahmenspezifizierungen:
– Federweg: 152mm
– Gewicht: 2,9kg ohne Dämpfer, 3,15kg mit Custom Fox RP23
– Dämpfermaß: 222X63,5mm
– Tapered Steuerrohr
– Postmount Bremsaufnahme
– Austauschbare ISCG 03/05 Aufnahme
– Austauschbare Ausfallenden für 9X135mm oder 12X142mm
– Direct Mount Umwerfer-Standard
Und weil Yeti Bikes einen ziemlich kompetenten Haus- und Hoffilmer angestellt hat (Die Rede ist von John Reynolds alias Clay Porter 2.0), gibt es für euch jetzt noch drei schicke Videoclips – der erste zeigt die Entwicklung und Erprobung des Bikes (Immerhin 2 Jahre Prototypen-Fahrten) und ist sicherlich der sehenswerteste, die anderen zwei konzentrieren sich auf Uphill beziehungsweise Downhill und erläutern noch einmal, wie die Federung für den entsprechenden Einsatz optimiert sein soll.
R&D-Clip mit beeindruckenden Slow-Motions:
Yeti SB66 2012 ride and development von nuts auf MTB-News.de
Der Abfahrtsclip:
Yeti SB66 im Downhill von nuts auf MTB-News.de
Der Bergaufclip:
Yeti SB-66 2012 Uphill von nuts auf MTB-News.de
In Europa wird das SB66 vermutlich ab der Eurobike erhältlich sein. Als Farben stehen Black, Lime, Turqouise (Fotos) und White zur Verfügung, in den USA geht der Rahmen mit Custom-Kashima-Dämpfer für 2200$ über die Ladentheke, natürlich handmade in Golden, Colorado.
Jetzt seit Ihr dran – wie gefällt euch das Bike, was haltet Ihr von diesem Hinterbauprinzip?
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