Wo bitte geht's nach Hause?
Tag 4, 23.7.: Fichtelberg im Nebel und Wasser mit Blasen
Eingeschlafen war ich mit dem Wunsch nach einer Flasche Wasser mit Blasen, sprich, Kohlensäure! Wie leeecker! *lechz* Aufgewacht war ich mit dem Wunsch nach weniger Wasser: Es regnete Blasen, die Blitze zuckten am Firmament, der Donner grollte über mir und der Wind zerrte an den Bretter des ehemaligen Tores. Es regnete etwas rein, aber aufgrund der geringen Zahl weiterer Gäste konnte ich einen Lagerplatz weiterrücken, weg vom Eingang, und schlief auch bald wieder.
Der Morgen begann um viertel sieben LAUT. Von den Geräuschen her mähte jemand ohrenbetäubend in meiner unmittelbaren Umgebung das Gras. Bevor dieser Jemand um die Ecke lucken würde und eine Deutsche im Schlafsack wegmähen würde, rappelte ich mich auf, verstopfstaute drängelig meine Sachen und schlich davon.
Lagerplatz
Tatsächlich stand der Rasenmähende vorn an der Straße. Seine Maschine war einfach so laut, dass ich dachte, er stünde vor dem Tore.
Meine Joghurtverpackung steckte ich in die nächste Mülltonne, grüßte einen Dorfbewohner, der in offensichtlicher Freizeitalltagskleidung vorbeischlurfte mit einem frohen Ahoj, erntete ein Grummeln und verließ meinen Übernachtungsort Bonénov.
Ist ja fast wie im Grunewald hier?!
Auf dem Weg nach Tepla.
In Tépla, drei Orte weiter, musste ich nun wirklich meine Trinkflaschen auffüllen. Die Sonne schien nämlich wieder und 150/160 km würden es heute sicherlich auch noch einmal werden.
Wasser gibt es an der Tanke (sah nicht wirklich verheißungsvoll aus), manchmal bei nem Sportplatz, auf einem Campingplatz auf alle Fälle, genauso wie auf einem Friedhof. Oder von einem Brunnen! Ein groooßer Brunnen stand vor der Kirche! Juhu! Aber ich kam nicht an das sprudelnde Nass heran! Der Brunnen war zu groß oder ich zu klein. Und vom stehenden Wasser wollte ich nichts nehmen. Da wäre die Mückenlarvenfleischeinlage größer gewesen als der Flüssigkeitsanteil.
Das Gebäude dahinter sah wie ein Gemeindezentrum aus. Vielleicht würde ich dort ein WC finden. Ich stiefelte also hinein und begegneten einem, der sich gerade um die Fenster kümmerte. Ich hielt ihm meine leere Flasche hin und meinte in meinem besten Marathon-Tschechisch "wodu?". Ich glaub, er fand das etwas amüsant. Er erwiderte etwas, was ich natürlich beim besten Willen nicht verstand. Zur besseren Kommunikation ahmte ich einen Wasserhahn nach. Das funktionierte! Er sagte dem Schreibtischtäter in dem Raum, aus welchem er gekommen war, Bescheid. Dieser rappelte sich auf, murmelte mir einen Gruß entgegen, verschwand im nächsten Büro, kam mit einem Schlüssel wieder und schloss mir den Weg zu den Katakomben auf! Vielleicht war es auch nur der muffige Keller, aber es sah aus wie bei meiner Oma damals... Haus erbaut 1900 und eine schmale und enge Treppe führte hinunter in den dunklen Keller.
Der Beamte (?) testete den Wasserhahn, der sich dort befand. Schnell füllte ich meine Flaschen auf, bedankte mich in drei verschiedenen Sprachen, erhielt nur so etwas wie ein "Jaja" zurück und schwang mich wieder auf mein Bike.
Komische Gegend.
v.l.n.r.: Brunnen, Gemeinde mit Wasserkeller, Kirche
Klassischerweise bin ich kurz darauf natürlich an einem Friedhof vorbei gekommen...
Nun wusste ich nicht recht, welche Straße ich hinaus wählen sollte. Ich wollte nach Mnichov und nicht nach Touzim. Drei Mal dürft ihr raten, welchen Ort ich zuerst sah.
Mit diesem kleinen Umweg war ich nun aber wieder auf einer neuen Straße gelandet. Aalglatter Asphalt aber eben auch dementsprechend LKWs. Circa 20 km vor Karlovy Vary (Karlsbad) ging es dann nur noch abwärts (aber sachte). Kurz vor der Stadt wollte ich mir noch etwas mehr Luft gönnen (ich hatte seit der Salzkammerguttrophy einen schleichenden Platten). An einer Tanke machte ich den ersten Versuch und hatte danach fast weniger Druck drauf als vorher. Nach einer kleinen und unnötigen Irrfahrt durch Karlovy Vary wagte ich einen zweiten Versuch: aber irgendwie scheinen die Kompressoren nicht wirklich Druck herzugeben. Na dann halt nicht!
Weiter ging es auf der Autobahn:
Bin ich hier wirklich richtig?
Ihr findet doch auch, dass die Straße wie eine Autobahn aussieht?! Als die Polizei an mir vorbeifuhr, wusste ich, dass ich doch nicht falsch bin: sie sagte nämlich nix und ich nahm die nächste Ausfahrt nach Deutschland, wo mir erklärt wurde, dass ich schon fast da bin:
Juhu, Chemnitz steht schon drauf!!
Vorher musste ich aber noch den Fichtelberg erklimmen. In Jachymov ging es los: iiiiimmmer schon bergauf. Links und rechts konnte ich den Häusern und Menschen (ich hab noch nie eine Person so ekelhaft rotzen hören) beim Verfall zusehen. Schrecklich.
Dann begann es auch noch zu regnen und ich legte eine kleine Pause ein. Blick den Anstieg in Jachymov runter:
Hier kann es bestimmt auch schön sein, keine Frage!
Es müssen wohl so elf oder zwölf Kilometer bergauf sein. Am Grenzübergang angelangt, zwang ich mich, doch mal noch die Kamera rauszuholen:
Fichtelberg im Nebel. Aussicht: mangelhaft.
Der Rest ist schnell erzählt: pitschpatschnass durch Oberwiesenthal gebraust, rauf und runter und wieder abgetrocknet und rauf und runter und wieder nass geworden und rauf und runter und schon wieder fast trocken. Durch Annaberg-Buchholz strebte ich Chemnitz entgegen, sah Sonnenschein und Regenguss gleichzeitig und landete frohen Mutes in der Stadt mit dem Kopf beziehungsweise etwas außerhalb davon in einem trockenen Heim mit Waschmaschine, Dusche, warmen Essen, Wasser mit Blasen und einem normalen Lagerplatz, Bett genannt. Vielen Dank noch einmal dafür!!!
Für den nächsten Tag war wieder Regen angesagt: "Da kannst Du aber nicht weiterfahren." Okay!
Aber was mach ich dann?... Den Kopf anschauen!
Übersicht Tag 4: