MG
Michi Grätz Team-NEWMEN
- Registriert
- 6. September 2004
- Reaktionspunkte
- 2.288
@Brausa:
Danke für Deinen ausführlichen Bericht. Das Problem des Ganzen ist folgendes:
1; Sehr viele Leute, die sich ein Bike kaufen wollen sind sich nicht auf Anhieb sicher welche Rahmengröße für sie denn wohl die richtige ist. Und das oftmals trotz Probefahrt auf verschiedenen Rahmengrößen. Was aber sagt mehr aus als eine vergleichende Probefahrt? Reach und Stack? Das hilft diesen Leuten mit Sicherheit nicht weiter. Im Gegenteil. Sie werden eher noch mehr verunsichert. Das ist nicht was wir wollen und deshalb halte ich nichts von dieser zusätzlichen Maßangaben, speziell hier im Forum.
2; Mit Deinem Beispiel hast Du Recht. In diesem sehr einfachem Beispiel kann das sogar der ein oder andere nachvollziehen. In unserem Fall ist es aber eine ganze Ecke komplizierter. Zum einen im Vergleich mit den "alten" 301 Mk´s und zum anderen dadurch, dass unsere Rahmen mit sehr unterschiedlichen Gabeleinbaulängen gefahren werden können, was das ganze nochmals unübersichtlicher macht.
3; Kommen wir auf das Mk8. Hier geht es, zumindest uns, in erster Linie darum unsere Kunden in der Wahl der für sie richtigen Rahmengröße zu beraten.
Warum wurde das Oberrohr der Mk8 um 5mm länger? Weil der Trend zu wesentlich kürzeren Vorbauten geht und wir mit den 5mm mehr an Oberrohrlänge das ein klein wenig ausgleichen wollen. Sicherlich sagt jeder der einen wesentlich kürzeren Vorbau auf seinem 301 fährt als früher: ... das passt so super, ... aber wir sagen: Der Mensch ist und bleibt ein Gewohnheitstier.
Denk(t) mal Beispielsweise über folgendes nach:
Nicht wenige haben in der Vergangenheit die Vorbaulänge an ihrem Bike von z.B. 105mm auf 75mm verkürzt. Angeblich fühlt sich das super an. Das sind 40mm weniger Abstand zwischen Sattel und Lenker!
Gleichzeitig wird die nun um 5mm längere Oberrohrlänge moniert!?
Die Werte in den Tabellen sehen zwar extrem unterschiedlich aus, das kommt aber daher, dass in den alten Geometrietabellen immer von einer wesentlich kürzeren Gabeleinbaulänge ausgegangen wurde.
Die Geometrieänderungen die wir am Mk8 gemacht haben kommen wirklich jedem Fahrer zu gute. Macht Euch nicht so viele Gedanken.
Ich kann es hier nur noch einmal sagen: Wenn euch euer "altes" 301 gepasst hat, bleibt bei der gleichen Rahmengröße. Und allen die Reach und Stack und was sonst noch alles benötigen um ihre Perfekte Geometrie zu finden die möchte ich um folgendes bitten: Macht Euch Eure Gedanken über Stack und Reach und was sonst noch dazu gehört doch bitte zu Hause und nicht hier im Forum, denn ihr macht nichts anderes als 99% der Leute noch mehr zu verunsichern.
Bezüglich Sattelposition habe ich auch noch etwas zu sagen, bzw. habe ich auch schon vor langer, langer Zeit hier etwas geschrieben.
Hier also noch einmal. Das Knielot ist unserer Meinung nach nicht mehr Zeitgemäß. Warum? Es darf einfach nicht davon ausgegangen werden, dass der Fahrer seine Kraft immer im Bezug auf die Waagerechte Pedalstellung aufs Pedal bringt.
Stellen wir uns einfach einmal folgendes vor:
Der Fahrer hat eine (wenn es sie denn gibt), perfekte Sitzposition auf seinem Bike.
Der Fahrer hat in dieser Sitzposition die perfekte Winkelstellung zwischen Oberkörper und Oberschenkel, zwischen Oberschenkel und Unterschenkel und was alles dazu gehört. In dieser Position bringt er (zufälliger weise und dass wir uns das besser vorstellen können) die maximale Kraft dann auf das Pedal, wenn dieses exakt Waagerecht zum Boden steht. Das Knielot geht übrigens auch zufälliger weise perfekt durch die Pedalachse. Nach den aktuellen Erkenntnissen alles perfekt also.
Jetzt schieben wir den Sattel um 10mm nach vorne. Was sieht der Laie als erstes? Richtig, das verschobene Knielot. Das ist meiner Meinung ein Maß das gar nicht interessiert. Das was mich interessiert ist vielmehr die Winkelstellung zwischen Oberkörper und Oberschenkel und zwischen Oberschenkel und Unterschenkel. Und diese Maße hängen ganz stark von der Länge dieser Extremitäten ab. In erster Linie von der Oberschenkellänge, der Fußlänge bzw. der Schuhgröße, und wenn wir den Winkel des Oberkörpers beachte die Oberkörperlänge in Kombination mit der Armlänge. Die Unterschenkelläge hat keinen so gravierenden Einfluss. Eher noch ob der Fahrer mit "waagerechtem" Fuß, mit "hängendem" Fuß oder mit "stehendem bzw. auf Zehenspitzen stehendem" Fuß pedaliert). Und jetzt mal alle ganz gut aufpassen: Egal wie groß oder klein jemand ist. Diese Maße unterscheiden sich zwischen den einzelnen Personen ganz immens. Und das interessanteste dabei: Selbst bei zwei gleich großen Personen können diese Maße ganz extrem unterschiedlich sein. Wir haben die kompletten Körpermaße von mehreren hundert Menschen woraus wir das ersehen können.
Es ist ganz klar, dass die Winkel zwischen den einzelnen Extremitäten und dem Oberkörper der Schlüssel zur perfekten Sitzposition ist. Denn das Knielot ist ja nichts anderes als der einfache Versuch mit einem einfachen Mittel einen Teil dieser Sitzposition zu perfektionieren. ABER ...
... diese Rechnung geht nicht auf!
Ein ganz einfaches Beispiel: Nehmen wir zwei Fahrer die absolut gleiche Körpermaße haben. Für unseren Versuch fahren beide natürlich auf ein und demselben Bike. Und selbstverständlich haben beide das ein und das selbe Knielot.
Jetzt habe ich leider vergessen zu erwähnen, dass sich die beiden Fahrer doch unterscheiden. Der eine hat nämlich Schuhgröße 39 und der andere Schuhgröße 46. Das ist zwar eher selten aber solche Extreme gibt es. Z.B. bei (männlichen) Personen mit einer Körpergröße von 179cm (kenne ich beide persönlich). Vielleicht kommt noch hinzu, dass der auf großem Fuß lebende bevorzugt seine Cleats sehr weit vorne montiert und der mit dem kleineren Fuß das Cleat, rein aus dem angenehmeren Gefühl für sich, sehr weit hinten montiert bevorzugt.
Das ändert nichts am Knielot der beiden. ABER: Der Winkel zwischen Oberschenkel und Unterschenkel ändert sich. Das ganze Spiel lässt sich unendlich fortführen und zeigt, dass diese Winkel je nach Körpermaße, teilweise extrem unterschiedlich sind. Das Knielot wird, zumindest noch momentan, von allen als Schlüssel zum Erfolg gesehen, wenn es um die perfekte Sitzposition geht und wenn man dauerhaft ohne Knieprobleme Radfahren will.
Ich behaupte: Die perfekte Sitzposition und somit die perfekte Position zur Vermeidung von Knieproblemen gibt es nicht.
Das Gute dabei ist aber: Es ist gar keine perfekte Sitzposition erforderlich. Denn es gibt meines Erachtens nicht nur jeweils einen perfekten Winkel der bereits genannten Körperteile. Sondern lassen diese Körperteile vielmehr einen Winkel von plus minus X zu, ohne dass man sich spürbare Konsequenzen, wie etwa Leistungseinbußen und / oder Knieprobleme oder anderweitige Probleme einhandelt.
Das kann nicht anders sein, denn ansonsten hätten 99% der Biker Knieprobleme.
Dass das Knielot als Maßgröße nicht mehr zeitgemäß ist sollte somit jeder verstanden haben.
Es geht noch viel weiter und wird noch wesentlich komplizierter wenn man erst einmal verstanden hat, dass die Fußlänge sogar einen direkten Einfluss auf die Sitzhöhe hat!
Und das jetzt vielleicht erstaunlichste: Zwischen diesen beiden Fahrern ändert sich allein aufgrund der Schuhgröße (wenn beide die selbe Sitzhöhe fahren) der Winkel zwischen Oberkörper und Oberschenkel und auch der Winkel zwischen Oberschenkel und Unterschenkel jeweils um über 2°. Im Gegensatz dazu ändern sich diese Winkel bei einem um 1° steilerem Sitzwinkel um gerade mal 0.4 - 0.6°.
Allein dieses Beispiel der Winkeländerung bei der unterschiedlichen Fußlänge (Schuhgröße), die wohl jedem vernachlässigbar erscheint, und auf die vermutlich noch kaum jemand geachtet hat, zeigt uns, dass es auf ganz andere Dinge zu Achten gilt wenn es um die Sitzposition geht.
Das Kniemaß jedenfalls ist in meinen Augen komplett vernachlässigbar.
Wer es immer noch nicht ganz kapiert hat macht sich folgendes Bild.
Ein Biker hat sein 160mm Fully mit 36er Talas wohl ideal auf sich eingestellt. Selbst das Knielot passt bei 160mm und die ganze Sitzposition ist bei 160mm eingestellt worden, denn mit 160mm fährt er dieses Bike auch den allergrößten Teil.
Jetzt fährt der Fahrer das Bike auch öfters auf langen Teer Etappen um von zu Hause an seinen Hausberg zu gelangen. Er hat nun festgestellt, dass er mit auf 100mm abgesenkter Gabel Aerodynamisch günstiger unterwegs ist als mit 160mm Gabel.
Sitzt er jetzt anders auf seinem Bike als vorher, oder nicht?
Das Knielot jedenfalls stimmt nicht mehr.
Einige werden nun sagen ja, andere wiederum nein.
Wenn wir nun davon ausgehen, dass der Fahrer gleich auf seinem Bike sitz wie vorher, was er ja auch tut, denn seine Sitzposition ist ja nur um 3° nach vorne Rotiert. Das wiederum heißt, erbringt nun seine maximale Kraft auf das Pedal, wenn dieses 3° nach vorne zur waagrechten gesehen zum Boden steht. Somit bleibt alles beim "alten", abgesehen davon, dass der Oberkörper mehr haltearbeit leisten muss.
Wenn wir das Ganze nun auf eine nach vorn oder hinten verschobene Sattelposition übertragen heißt das wiederum: Wird der Lenker um das selbe Maß mit genommen, ändert sich nichts.
Die nächste Frage die dann wiederum auftaucht ist folgende: Um wie viel kann sich, oder darf sich eine andere Lenker und somit Arm- Oberkörper Positionierung ändern, ohne sich wiederum negativ auf das "Gesamtpaket" auszuwirken? Dadurch dass Oberarm und Unterarm sehr stark abgewinkelt sind beim sitzend fahren ist auch hier eine sehr große Toleranz möglich. Auch hier ein Beispiel aus der Praxis: Wir haben eine Rennfahrerin als Kundin welche bei 173cm Körpergröße einen L Rahmen fährt. Sie mag das so weil sie sich beim Wechsel von Rennrad auf´s MTB nicht umstellen muss. Das geht zwar auch nur deshalb, weil die Oberrohr Position (Schrittfreiheit) bei allen Liteville Rahmen gleich ist und bestätigt somit unsere Rahmeneinteilung in Längen, tut aber sonst nicht zur Sache. Gleichzeitig haben wir Fahrer die bei dieser Körpergröße mit der Rahmengröße S unterwegs sind.
Das gesamte Thema ist sehr komplex und wesentlich komplizierter als vermutet wird. Und ein passend eingestelltes Knielot allein wird meiner Meinung nach keinen Glücklich machen und auch nicht viel zur Findung der perfekten Sitzposition beitragen. Im Gegenteil. Wer zu sehr auf das Knielot achtet beschneidet seine persönlichen Möglichkeiten und Grenzen und die seines Bikes.
Zum Schluss nochmals eine Sache bez. des Mk8: Der Sinn des steileren Sitzwinkels beim Mk8 besteht nicht darin, dass der Fahrer den Sattel weiter nach hinten schiebt um dieselbe Sitzposition wie beim Mk7 zu erreichen. Dann hätten wir uns alle Prototypen und alle Testfahrten sparen können und den Sitzwinkel lassen können wie er war. Denk mal darüber nach.
Und ganz zum Schluss: Der Reach ist deshalb für den Tourenfahrer nicht interessant, weil er zum einen den größten Teil, bzw. die längere Zeit im Sitzen fährt und zum anderen gar keinen Einfluss auf den Reach nehmen kann (selbst wenn er wollte). Denn nur um einen kürzeren Reach zu erhalten einen kleineren Rahmen zu fahren, der ein kürzeres Oberrohr hat wäre Schwachsinn.
Nehmt Euch mein Wort zu Herzen und macht Euch nicht verrückt. Geht lieber mehr fahren, probiert lieber mal aus was denn wirklich passiert wenn man den Sattel weiter nach hinten oder vorne verschiebt, was passiert wenn der Vorbau kürzer, länger, höher oder tiefer wird, was passiert wenn der Lenker breiter oder schmäler wird. Da ist sicherlich das ein oder andere Aha-Erlebnis dabei. Und wenn man sieht wie sich solche Kleinigkeiten die in einer Geometrietabelle noch nicht einmal erscheinen und berücksichtigt sind, auf das Fahrverhalten eines Bikes auswirken, dann sollte man verstehen dass das theoretische Vergleichen von Geometrietabellen zwar eine mittelmäßig genaue Einschätzung der hoffentlich passenden Rahmengröße zu lässt, aber so wie es hier teilweise praktiziert wird reine Zeitverschwendung ist.
Vielleicht sollte es sich jemand zum Ziel machen die Sitzposition mit all ihren Fassetten zu erforschen und ein Buch darüber zu schreiben. Aber bitte nicht vom jetzigen Knielot-Sandpunkt aus sondern von Grund auf neu. Ich würde es garantiert lesen.
Viele Grüße,
Michi Grätz
Danke für Deinen ausführlichen Bericht. Das Problem des Ganzen ist folgendes:
1; Sehr viele Leute, die sich ein Bike kaufen wollen sind sich nicht auf Anhieb sicher welche Rahmengröße für sie denn wohl die richtige ist. Und das oftmals trotz Probefahrt auf verschiedenen Rahmengrößen. Was aber sagt mehr aus als eine vergleichende Probefahrt? Reach und Stack? Das hilft diesen Leuten mit Sicherheit nicht weiter. Im Gegenteil. Sie werden eher noch mehr verunsichert. Das ist nicht was wir wollen und deshalb halte ich nichts von dieser zusätzlichen Maßangaben, speziell hier im Forum.
2; Mit Deinem Beispiel hast Du Recht. In diesem sehr einfachem Beispiel kann das sogar der ein oder andere nachvollziehen. In unserem Fall ist es aber eine ganze Ecke komplizierter. Zum einen im Vergleich mit den "alten" 301 Mk´s und zum anderen dadurch, dass unsere Rahmen mit sehr unterschiedlichen Gabeleinbaulängen gefahren werden können, was das ganze nochmals unübersichtlicher macht.
3; Kommen wir auf das Mk8. Hier geht es, zumindest uns, in erster Linie darum unsere Kunden in der Wahl der für sie richtigen Rahmengröße zu beraten.
Warum wurde das Oberrohr der Mk8 um 5mm länger? Weil der Trend zu wesentlich kürzeren Vorbauten geht und wir mit den 5mm mehr an Oberrohrlänge das ein klein wenig ausgleichen wollen. Sicherlich sagt jeder der einen wesentlich kürzeren Vorbau auf seinem 301 fährt als früher: ... das passt so super, ... aber wir sagen: Der Mensch ist und bleibt ein Gewohnheitstier.
Denk(t) mal Beispielsweise über folgendes nach:
Nicht wenige haben in der Vergangenheit die Vorbaulänge an ihrem Bike von z.B. 105mm auf 75mm verkürzt. Angeblich fühlt sich das super an. Das sind 40mm weniger Abstand zwischen Sattel und Lenker!
Gleichzeitig wird die nun um 5mm längere Oberrohrlänge moniert!?
Die Werte in den Tabellen sehen zwar extrem unterschiedlich aus, das kommt aber daher, dass in den alten Geometrietabellen immer von einer wesentlich kürzeren Gabeleinbaulänge ausgegangen wurde.
Die Geometrieänderungen die wir am Mk8 gemacht haben kommen wirklich jedem Fahrer zu gute. Macht Euch nicht so viele Gedanken.
Ich kann es hier nur noch einmal sagen: Wenn euch euer "altes" 301 gepasst hat, bleibt bei der gleichen Rahmengröße. Und allen die Reach und Stack und was sonst noch alles benötigen um ihre Perfekte Geometrie zu finden die möchte ich um folgendes bitten: Macht Euch Eure Gedanken über Stack und Reach und was sonst noch dazu gehört doch bitte zu Hause und nicht hier im Forum, denn ihr macht nichts anderes als 99% der Leute noch mehr zu verunsichern.
Bezüglich Sattelposition habe ich auch noch etwas zu sagen, bzw. habe ich auch schon vor langer, langer Zeit hier etwas geschrieben.
Hier also noch einmal. Das Knielot ist unserer Meinung nach nicht mehr Zeitgemäß. Warum? Es darf einfach nicht davon ausgegangen werden, dass der Fahrer seine Kraft immer im Bezug auf die Waagerechte Pedalstellung aufs Pedal bringt.
Stellen wir uns einfach einmal folgendes vor:
Der Fahrer hat eine (wenn es sie denn gibt), perfekte Sitzposition auf seinem Bike.
Der Fahrer hat in dieser Sitzposition die perfekte Winkelstellung zwischen Oberkörper und Oberschenkel, zwischen Oberschenkel und Unterschenkel und was alles dazu gehört. In dieser Position bringt er (zufälliger weise und dass wir uns das besser vorstellen können) die maximale Kraft dann auf das Pedal, wenn dieses exakt Waagerecht zum Boden steht. Das Knielot geht übrigens auch zufälliger weise perfekt durch die Pedalachse. Nach den aktuellen Erkenntnissen alles perfekt also.
Jetzt schieben wir den Sattel um 10mm nach vorne. Was sieht der Laie als erstes? Richtig, das verschobene Knielot. Das ist meiner Meinung ein Maß das gar nicht interessiert. Das was mich interessiert ist vielmehr die Winkelstellung zwischen Oberkörper und Oberschenkel und zwischen Oberschenkel und Unterschenkel. Und diese Maße hängen ganz stark von der Länge dieser Extremitäten ab. In erster Linie von der Oberschenkellänge, der Fußlänge bzw. der Schuhgröße, und wenn wir den Winkel des Oberkörpers beachte die Oberkörperlänge in Kombination mit der Armlänge. Die Unterschenkelläge hat keinen so gravierenden Einfluss. Eher noch ob der Fahrer mit "waagerechtem" Fuß, mit "hängendem" Fuß oder mit "stehendem bzw. auf Zehenspitzen stehendem" Fuß pedaliert). Und jetzt mal alle ganz gut aufpassen: Egal wie groß oder klein jemand ist. Diese Maße unterscheiden sich zwischen den einzelnen Personen ganz immens. Und das interessanteste dabei: Selbst bei zwei gleich großen Personen können diese Maße ganz extrem unterschiedlich sein. Wir haben die kompletten Körpermaße von mehreren hundert Menschen woraus wir das ersehen können.
Es ist ganz klar, dass die Winkel zwischen den einzelnen Extremitäten und dem Oberkörper der Schlüssel zur perfekten Sitzposition ist. Denn das Knielot ist ja nichts anderes als der einfache Versuch mit einem einfachen Mittel einen Teil dieser Sitzposition zu perfektionieren. ABER ...
... diese Rechnung geht nicht auf!
Ein ganz einfaches Beispiel: Nehmen wir zwei Fahrer die absolut gleiche Körpermaße haben. Für unseren Versuch fahren beide natürlich auf ein und demselben Bike. Und selbstverständlich haben beide das ein und das selbe Knielot.
Jetzt habe ich leider vergessen zu erwähnen, dass sich die beiden Fahrer doch unterscheiden. Der eine hat nämlich Schuhgröße 39 und der andere Schuhgröße 46. Das ist zwar eher selten aber solche Extreme gibt es. Z.B. bei (männlichen) Personen mit einer Körpergröße von 179cm (kenne ich beide persönlich). Vielleicht kommt noch hinzu, dass der auf großem Fuß lebende bevorzugt seine Cleats sehr weit vorne montiert und der mit dem kleineren Fuß das Cleat, rein aus dem angenehmeren Gefühl für sich, sehr weit hinten montiert bevorzugt.
Das ändert nichts am Knielot der beiden. ABER: Der Winkel zwischen Oberschenkel und Unterschenkel ändert sich. Das ganze Spiel lässt sich unendlich fortführen und zeigt, dass diese Winkel je nach Körpermaße, teilweise extrem unterschiedlich sind. Das Knielot wird, zumindest noch momentan, von allen als Schlüssel zum Erfolg gesehen, wenn es um die perfekte Sitzposition geht und wenn man dauerhaft ohne Knieprobleme Radfahren will.
Ich behaupte: Die perfekte Sitzposition und somit die perfekte Position zur Vermeidung von Knieproblemen gibt es nicht.
Das Gute dabei ist aber: Es ist gar keine perfekte Sitzposition erforderlich. Denn es gibt meines Erachtens nicht nur jeweils einen perfekten Winkel der bereits genannten Körperteile. Sondern lassen diese Körperteile vielmehr einen Winkel von plus minus X zu, ohne dass man sich spürbare Konsequenzen, wie etwa Leistungseinbußen und / oder Knieprobleme oder anderweitige Probleme einhandelt.
Das kann nicht anders sein, denn ansonsten hätten 99% der Biker Knieprobleme.
Dass das Knielot als Maßgröße nicht mehr zeitgemäß ist sollte somit jeder verstanden haben.
Es geht noch viel weiter und wird noch wesentlich komplizierter wenn man erst einmal verstanden hat, dass die Fußlänge sogar einen direkten Einfluss auf die Sitzhöhe hat!
Und das jetzt vielleicht erstaunlichste: Zwischen diesen beiden Fahrern ändert sich allein aufgrund der Schuhgröße (wenn beide die selbe Sitzhöhe fahren) der Winkel zwischen Oberkörper und Oberschenkel und auch der Winkel zwischen Oberschenkel und Unterschenkel jeweils um über 2°. Im Gegensatz dazu ändern sich diese Winkel bei einem um 1° steilerem Sitzwinkel um gerade mal 0.4 - 0.6°.
Allein dieses Beispiel der Winkeländerung bei der unterschiedlichen Fußlänge (Schuhgröße), die wohl jedem vernachlässigbar erscheint, und auf die vermutlich noch kaum jemand geachtet hat, zeigt uns, dass es auf ganz andere Dinge zu Achten gilt wenn es um die Sitzposition geht.
Das Kniemaß jedenfalls ist in meinen Augen komplett vernachlässigbar.
Wer es immer noch nicht ganz kapiert hat macht sich folgendes Bild.
Ein Biker hat sein 160mm Fully mit 36er Talas wohl ideal auf sich eingestellt. Selbst das Knielot passt bei 160mm und die ganze Sitzposition ist bei 160mm eingestellt worden, denn mit 160mm fährt er dieses Bike auch den allergrößten Teil.
Jetzt fährt der Fahrer das Bike auch öfters auf langen Teer Etappen um von zu Hause an seinen Hausberg zu gelangen. Er hat nun festgestellt, dass er mit auf 100mm abgesenkter Gabel Aerodynamisch günstiger unterwegs ist als mit 160mm Gabel.
Sitzt er jetzt anders auf seinem Bike als vorher, oder nicht?
Das Knielot jedenfalls stimmt nicht mehr.
Einige werden nun sagen ja, andere wiederum nein.
Wenn wir nun davon ausgehen, dass der Fahrer gleich auf seinem Bike sitz wie vorher, was er ja auch tut, denn seine Sitzposition ist ja nur um 3° nach vorne Rotiert. Das wiederum heißt, erbringt nun seine maximale Kraft auf das Pedal, wenn dieses 3° nach vorne zur waagrechten gesehen zum Boden steht. Somit bleibt alles beim "alten", abgesehen davon, dass der Oberkörper mehr haltearbeit leisten muss.
Wenn wir das Ganze nun auf eine nach vorn oder hinten verschobene Sattelposition übertragen heißt das wiederum: Wird der Lenker um das selbe Maß mit genommen, ändert sich nichts.
Die nächste Frage die dann wiederum auftaucht ist folgende: Um wie viel kann sich, oder darf sich eine andere Lenker und somit Arm- Oberkörper Positionierung ändern, ohne sich wiederum negativ auf das "Gesamtpaket" auszuwirken? Dadurch dass Oberarm und Unterarm sehr stark abgewinkelt sind beim sitzend fahren ist auch hier eine sehr große Toleranz möglich. Auch hier ein Beispiel aus der Praxis: Wir haben eine Rennfahrerin als Kundin welche bei 173cm Körpergröße einen L Rahmen fährt. Sie mag das so weil sie sich beim Wechsel von Rennrad auf´s MTB nicht umstellen muss. Das geht zwar auch nur deshalb, weil die Oberrohr Position (Schrittfreiheit) bei allen Liteville Rahmen gleich ist und bestätigt somit unsere Rahmeneinteilung in Längen, tut aber sonst nicht zur Sache. Gleichzeitig haben wir Fahrer die bei dieser Körpergröße mit der Rahmengröße S unterwegs sind.
Das gesamte Thema ist sehr komplex und wesentlich komplizierter als vermutet wird. Und ein passend eingestelltes Knielot allein wird meiner Meinung nach keinen Glücklich machen und auch nicht viel zur Findung der perfekten Sitzposition beitragen. Im Gegenteil. Wer zu sehr auf das Knielot achtet beschneidet seine persönlichen Möglichkeiten und Grenzen und die seines Bikes.
Zum Schluss nochmals eine Sache bez. des Mk8: Der Sinn des steileren Sitzwinkels beim Mk8 besteht nicht darin, dass der Fahrer den Sattel weiter nach hinten schiebt um dieselbe Sitzposition wie beim Mk7 zu erreichen. Dann hätten wir uns alle Prototypen und alle Testfahrten sparen können und den Sitzwinkel lassen können wie er war. Denk mal darüber nach.
Und ganz zum Schluss: Der Reach ist deshalb für den Tourenfahrer nicht interessant, weil er zum einen den größten Teil, bzw. die längere Zeit im Sitzen fährt und zum anderen gar keinen Einfluss auf den Reach nehmen kann (selbst wenn er wollte). Denn nur um einen kürzeren Reach zu erhalten einen kleineren Rahmen zu fahren, der ein kürzeres Oberrohr hat wäre Schwachsinn.
Nehmt Euch mein Wort zu Herzen und macht Euch nicht verrückt. Geht lieber mehr fahren, probiert lieber mal aus was denn wirklich passiert wenn man den Sattel weiter nach hinten oder vorne verschiebt, was passiert wenn der Vorbau kürzer, länger, höher oder tiefer wird, was passiert wenn der Lenker breiter oder schmäler wird. Da ist sicherlich das ein oder andere Aha-Erlebnis dabei. Und wenn man sieht wie sich solche Kleinigkeiten die in einer Geometrietabelle noch nicht einmal erscheinen und berücksichtigt sind, auf das Fahrverhalten eines Bikes auswirken, dann sollte man verstehen dass das theoretische Vergleichen von Geometrietabellen zwar eine mittelmäßig genaue Einschätzung der hoffentlich passenden Rahmengröße zu lässt, aber so wie es hier teilweise praktiziert wird reine Zeitverschwendung ist.
Vielleicht sollte es sich jemand zum Ziel machen die Sitzposition mit all ihren Fassetten zu erforschen und ein Buch darüber zu schreiben. Aber bitte nicht vom jetzigen Knielot-Sandpunkt aus sondern von Grund auf neu. Ich würde es garantiert lesen.
Viele Grüße,
Michi Grätz